(Hebr. Hand): Ein schmaler Zeigestab aus Holz oder Edelmetall, oft mit einer Spitze in Form einer Hand. Der Vorleser benutzt den Stab, um dem Text besser folgen zu können, ohne die Tora mit seiner Hand zu berühren (dt. Torazeiger, Lesestab).
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1662. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67.
Alljährlicher Sterbetag naher Verwandter, der mit Fasten, dem Sprechen des Kaddisch und dem Anzünden eines "Seelenlichts" in der Synagoge sowie mit einem Besuch des Grabes begangen wird. Im 19. Jahrhundert kamen Jahrzeit- und Andachtsbüchlein in Mode, aus denen im Familienkreis gelesen wurde. Moderne Seelenlichter sind zumeist Massenware aus Israel. Zuhause werden zunehmend auch elektrische Lichter verwendet.
Quelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 27-42, sowie Glossar, S. 512. // Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1662.
Die JCC ist ein Dachverband mehrerer Organisationen. Seit 1951 recherchiert sie, wo sich einstiges jüdische Vermögen befindet und wer sein ursprünglicher und gegenwärtiger Besitzer ist. Mit dem gegenwärtigen Eigentümer wird über die Rückgabe oder einen neuen, evtl. nochmaligen Kauf verhandelt.
Quelle: http://www.claimscon.de/unsere-taetigkeit/uebersicht.html
1947 in New York gegründete Treuhandgesellschaft zur Erfassung, Sammlung und Verteilung geraubten und erbenlosen jüdischen Kulturgutes in Europa.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1662.
(Pl. Jeschiwot): Jüdische Hochschule, an der sich zumeist männliche Schüler dem Tora-Studium und insbesondere dem Talmud-Studium widmen.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1662.
(= Deutsch-Jüdische Schrift- und Alltagssprache, bis in die 1940er Jahre in Mittel- und Südosteuropa weit verbreitet). Das Jiddische entstand während des 13.-14. Jahrhundert im aschkenasischen Judentum: Die aramäische/hebräische Grammatik verschmolz mit dem damaligen deutschen Wortschatz. Jiddisch entwickelte sich zur Alltagssprache, während in der Synagoge und bei religiösen Zusammenkünften weiterhin die Schriftsprache Hebräisch gesprochen wurde. Das Jiddische breitete sich von Mitteleuropa auch nach Osteuropa aus. Dort nahm es auch Wörter aus slawischen Sprachen auf und entwickelte sich zu einer autonomen Sprache, die auch in der Literatur verwendet wurde. Noch heute gehören über 100 jiddische Wörter oder von ihnen abgeleitete Begriffe zur der deutschen Umgangssprache: Zum Beispiel das "Zocken" = spielen = "zschoken" (jidd. spielen, Glücksspiel), "Kaff" = despektierlich für kleiner Ort = "kefar" (jidd. Dorf), oder "Schlamassel" = Missgeschick = jidd. Gegenteil von Glück. Einige jiddische Wörter wurden auch in die internationalen Gaunersprache "Rotwelsch" aufgenommen, eine Art Geheimdialekt der Vagabunden und Räuberbanden, mit dem man das Jiddische aber keinesfalls verwechseln darf.
Sowohl das Hebräische als auch das Jiddische gerieten mit der zunehmenden jüdischen Assimilation in den entwickelten Nationalstaaten West- und Mitteleuropas aus dem aktiven Gebrauch. Als im späten 19. Jahrhundert die Idee des Zionismus an Kraft gewann, stellte sich jedoch die Frage nach einer "jüdischen Nationalsprache". Auf der "Konferenz für die jüdische Sprache", die 1908 in der Stadt Czernowitz (heute Ukraine) stattfand, wurde diskutiert ob Jiddisch die offizielle Sprache der jüdischen Nationalität sein sollte; Befürworter argumentierten, dass es weniger elitär als das Hebräische sei. Das Ergebnis der Konferenz wurde jedoch von weiten Kreisen abgelehnt und blieb daher ohne Wirkung. Nach dem Zivilisationsbruch der NS-Diktatur, als zehntausende jüdische "Displaced Persons" vor allem aus Osteuropa in Deutschland strandeten, fand die interne Kommunikation in den DP-Unterkünften größtenteils noch in der jiddischen Sprache statt. Als offizielle Amtssprache im Staat Israel (gegründet am 14. Mai 1948) wurde allerdings Hebräisch eingeführt, inklusive einer modernisierten hebräischen Schrift.
Quelle: Hans Peter Althaus: Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft. München 2019. // Gennady Estraikh: Sprachkonferenz. In: Dan Diner (Hg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, Bd. 5. Stuttgart/Weimar 2014, S. 557–560. // Quellensammlung und Bilder: The First Yiddish Language Conference (Englisch), online unter: http://czernowitz.org/Tshernovits.html [20.11.2023]. // Ulrike Wanderer: Die Renaissance der jüdischen Kultur. In: Irene A. Diekmann (Hg.): Juden in Berlin. Bilder, Dokumente, Selbstzeugnisse. Leipzig 2009 (= Juden in Berlin 3), S. 172-183. // Salcia Landmann: Jiddisch. Das Abenteuer einer Sprache. Frankfurt a. M./Berlin 1962.
(hebr. Bewohntes Land / Siedlung, pl. Jischuwim): 1. Jüdische Bevölkerung als Minderheit in einem Land, das durch eine andere Religion und Kultur geprägt ist. 2. Bezeichnung für die zahlenmäßig kleine Filiale einer Israelitischen Kultusgemeinde, die keine eigenen Gemeindestrukturen besitzt. 3. Jüdische Gemeinschaft, die zu klein ist um einen Minjan zu bilden und daher keine Kultusgemeinde (hebr. Kehillah) sein kann. 4. Bezeichnung für die jüdische Bevölkerung und das jüdische Gemeinwesen in Palästina vor der Gründung des Staates Israel (1948), den die zionistische Bewegung ab den 1880er Jahren geprägt hatte.
Quelle: Ron Kuzar: Jischuw. In: Dan Diner (Hg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK), Bd 3. Stuttgart/Weimar 2012, S. 199–203. // Gerhard Gronauer / Hans-Christof Haas: Nordheim vor der Rhön mit Hausen. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 802.
(Hebr. Tag der Versöhnung): Höchster Feiertag im jüdischen Jahr am 10. Tischri (September/Oktober). Es ist der letzte von insgesamt zehn Bußtagen, die am jüdischen Neujahrsfest (Rosch ha-Schana) beginnen. Die Gläubigen arbeiten an diesem Tag nicht, sondern verbringen ihn mit Fasten und Beten in der Synagoge. Beim abschließenden Gottesdienst wird erneut das Widderhorn (Schofar) geblasen.
Quelle: Historisches Museum der Pfalz / Cornelia Ewigleben (Hg.): AK Europas Juden im Mittelalter. Speyer 2005, S. 263. //Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): AK Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 512.
1947 in New York gegründete Organisation, die sich in der amerikanischen Besatzungszone (dazu gehörte Bayern) um Rückerstattung unrechtmäßig erworbenen jüdischen Eigentums kümmerte. Die parallelen Organisationen in der britischen und französischen Zone Deutschlands und in den entsprechenden Sektoren Berlins waren die Jewish Trust Corporation Ltd. (JTC) bzw. die Jewish Trust Corporation Branche Française (JTC BF). Später wurden die Aufgaben der JRSO (und der JTC und JTC BF) von der Jewish Claims Conference übernommen.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1662.
Durch das Toleranzedikt von 1803 und das Religionsedikt von 1809, welche die Gleichberechtigung der beiden christlichen Konfessionen festlegten, hatte die katholische Kirche in Altbayern ihren Sonderstatus verloren. Das Bayerische Judenedikt war Teil eines rigiden Staatskirchentums, mit dem das neue Königreich Bayern alle religiösen Aspekte im Geiste der Montgelas-Reformen kontrollieren wollte. Das Edikt gewährte am 10. Juni 1813 den bayerischen Juden erste bürgerliche Rechte - etwa das Recht, Immobilien und den Bürgertitel zu erwerben, außerdem das Recht auf freie Religionsausübung und den Rechtsschutz als gleichgestellte Untertanen. Es ermöglichte den Zugang zur Landwirtschaft und den Handwerksberufen. Das Edikt enthielt auch massive Einschränkungen: Im Sinne eines staatlichen Zentralismus französischer Ordnung hob das Edikt die juristische Selbstverwaltung der jüdischen Gemeinden auf und regulierte das Religions- und Schulwesen. Mit dem Matrikelparagraphen wurde die Zahl der jüdischen Haushalte pro Ort auf Jahrzehnte hinweg zwingend festgelegt. Neue Kultusgemeinden konnten nur an einem Ort mit mindestens 50 jüdischen Familien entstehen. Federführend war hier Maximilian Graf von Montgelas (1759-1838), der große Staatsreformer und Minister des ersten bayerischen Königs Maximilian I. Joseph. Das Edikt wurde in weiten Teilen Frankens erst ab 1817 umgesetzt, nach den Wirren der Napoleonischen Kriege und der Neuordnung Europas. Das Edikt wurde erst 1861 abgeschafft.
Quelle: Sabine Ullmann: Judentum (19. Jahrhundert), publiziert am 23.05.2023; in: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judentum_(19._Jahrhundert) [13.11.2023]. // Stefan Schwarz: Die Juden in Bayern im Wandel der Zeiten. München / Wien 1963, S. 77-180. // Christoph Daxelmüller: Jüdisches Alltagsleben im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel Unterfrankens. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 287-298. // Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München / Manfred Treml (Hg.): Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat. 3. neu bearb. Auflage. München 2006, S. 36f.
Ein Straßenzug, meistens im städtischen Raum, in dem mehrheitlich oder ausschließlich Juden wohnten und arbeiteten. Man darf diese Straßen keineswegs mit einem Ghetto zu verwechseln, denn die Jüdinnen und Juden konnten sie jederzeit verlassen und sich frei bewegen. Judengassen entstanden durch behördliche Beschränkungen, hatten aber auch einen religiösen Hintergrund: Ein gläubiger Jude sollte grundsätzlich maximal 1000 Schritte von seiner Synagoge entfernt leben, außerdem konzentrierten sich dort die Einrichtungen der Gemeinde. Heute sind Judengassen als Straßenname oft die letzte Erinnerung an mittelalterliche Gemeinden.
(Behördensprache der NS-Diktatur, alt. "Ghettohaus"): Nach der "Arisierung" vom NS-Staat festgelegtes Wohnhaus, in dem sich jüdische Frauen, Männer und Kinder, oft die gesamte noch verbliebene jüdische Bevölkerung einer Ortschaft, zwangsweise einmieten musste. Die Maßnahme erleichterte die Diskriminierung und den weiteren Zugriff durch die Machthaber.
Das im Volksmund gebräuchliche Wort "Judenhof" bezieht sich auf zwei sehr ähnliche, historische jüdische Siedlungsformen: A) Ein aus mehreren Gebäuden bestehender ländlicher Gutshof, auf dem Adelsfamilien ihren Schutzjuden Wohnraum vermieteten, meist eigens errichtete Gebäude auf engstem Raum. Oft kam es vor, dass nach der Mediatisierung die einstigen Schutzherren ihren jüdischen Mietern die Wohnstätten zum Kauf anboten. Mitunter blieben sie sogar bis zur Enteignung durch die Nationalsozialisten in jüdischem Besitz. B) Ein sogenannter Freihof innerhalb einer Siedlung, also ein in sich geschlossenes Bauensemble auf einem Anwesen, das losgelöst von der lokalen Ortsherrschaft einer fremden adeligen Gerichtsbarkeit unterstand. Diese konnte dort auch gegen den Willen der lokalen Obrigkeit ihre Schutzjuden ansiedeln.
Quelle: Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns – Kleine Ausstellungen 68), S. 32-35.
(lat. pileu cornutus = gehörnter Hut): Ungewiss bleibt, wie ein "Judenhut" in Wirklichkeit aussah und aus welchen Materialien er bestand. Die Kopfbedeckung unterlag in seiner Gestaltung einem zeitlichen Wandel und offensichtlich gab es auch verschiedene, als typisch empfundene Formen nebeneinander. Im späten 13. und 14. Jahrhundert konnte der Hut bei unterschiedlichen Krempenformen konisch oder flach bis spitzkegelförmig sein; sein wichtigstes Merkmal blieb jedoch sein charakteristisches "Horn", ein röhren- oder fingerförmig vom Scheitelpunkt des Hutes nach oben gehender Aufsatz, der zunehmend von einem runden Knauf abgeschlossen wurde.
Ab dem 11. Jahrhundert diente er in der Kunst zur Markierung von Juden, entsprach damals aber noch ungefähr einer freiwillig getragenen jüdischen Tracht. Im Vierten Laterankonzil von 1215 forderte Papst Innozenz III., dass Muslime und Juden in der Öffentlichkeit durch ein Zeichen klar erkennbar sein sollten: Der Judenhut wurde zum zwangsweise getragenen Stigma (Siehe im Glossar: "Diskriminierung"). In der mittelalterlichen christlichen Kunst wurden jüdische Figuren zumeist einseitig propagandistisch dargestellt, wobei der Judenhut als Attribut für sich genommen nichts negatives bedeuten muss: Je nach dem ikonografischen Zusammenhang kann die Wiedergabe des Judenhutes die Dargestellten entweder neutral als Repräsentanten des Alten Bundes oder abwertend als Feinde Christi kennzeichnen.
Gleichzeitig erscheint der Judenhut auch als überraschend selbstbewusstes Zeichen in den Siegeln jüdischer Gemeinden oder Einzelpersonen, außerdem wurde er in der europäischen Heraldik zur sog. "Gemeinen Figur". Im deutschen Raum behielten Juden noch bis ins 15. Jahrhundert weit überwiegend ihre traditionelle Kleidung und insbesondere den Hut bei, ab 1451 setzte sich bis ins 18. Jahrhundert der aufgenähte "Gelbe Ring" durch.
Quelle: Ulrike Brinkmann / Rolf Lauer: Judendarstellungen im Kölner Dom. In: Bernd Wacker / Rolf lauer (Hg.): Der Kölner Dom und "die Juden". Sonderband des Kölner Domblatts. 2. überarb. Aufl. Köln 2018, S. 13-58. // Harald Schlüter: "... damit man sij vur Jueden bekennen moege". Ein bisher kaum beachtetes ikonografisches Detail des Petersportals. In: Kölner Domblatt Jg. 88 (2023), S. 140-181. // Jens J. Scheiner: Vom „Gelben Flicken“ zum „Judenstern“? Genese und Applikation von Judenabzeichen im Islam und christlichen Europa (841–1941). Peter Lang, Frankfurt am Main 2004. // Stefan Schwarz: Die Juden in Bayern im Wandel der Zeiten. München / Wien 1963.
(Lat. magister / magistratus Judaeorum): In Titel und Funktion nicht eindeutig festgelegter, das heißt variierender Begriff für christliche Verwaltungsbeamte, jüdische Gemeindefunktionäre und Führer einer Land- bzw. der Reichsjudenschaft. Zum Beispiel wurde er im 14. Jahrhundert teilweise gleichbedeutend mit dem örtlichen Rav (Rabbiner) einer Gemeinde verwendet. Der Judenmeister war zuständig für die jüdische Gemeinderepräsentanz, ihre Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten gegenüber christlichen Behörden. Stadt- und Landesherren behielten sich die Bestätigung des Judenmeisters vor. Versuche der römischen-deutschen Kaiser, einen offiziellen (!) obersten Judenmeister des gesamten Reiches zu ernennen, scheiterten stets – am zersplitterten Feudalsystem der Reichsstruktur, aber auch an der Diversität seiner jüdischen Bevölkerung.
Quelle: Werner Maleczek: Laterankonzil, IV. (125). In: Lexikon des Mittelalters, Bd. V.: Hiera-Mittel bis Lukanien. München / Zürich 1991, Sp. 792.
(Regal, pl. Regalien = Hoheitsrecht): Bereits der römisch-deutsche Kaiser Heinrich IV. (1056-1106) nahm die jüdische Bevölkerung des des Heiligen Römischen Reiches 1103 in den allgemeinen Landfrieden auf, als der Schutz lokaler Fürsten während des I. Kreuzzuges versagt hatte. Im Jahr 1236 erklärte der Kaiser Friedrich II. aus dem Geschlecht der Staufer (reg. 1212-1250) alle Reichsjuden zu königlichen bzw. kaiserlichen "Kammerknechten" (lat. servi camerae regis). Dadurch standen sie – theoretisch – unter dem direkten Schutz des höchsten Monarchen der Christenheit. Da Juden ansonsten nicht auf das althergebrachte Sippen- und Stammesgefüge bauen konnten, war dieser Schutz eine lebenswichtige Voraussetzung. Dafür mussten sie jährlich ein festgelegtes Schutzgeld bezahlen, dazu meist noch weitere Abgaben und Sondersteuern. Der König/Kaiser konnte sein "Nutzungsrecht" an den Juden an Fürsten, Bischöfe, Grafen und Städte verpfänden, verkaufen oder sogar verschenken. Das "Ius recipiendi iudaeos" (das Recht, Juden aufzunehmen) ging so mit der Zeit auf die Territorialfürsten über, gegen eine Gebühr und einen Anteil der Einnahmen. Im Jahr 1548 wurde auch den Reichsrittern in einer neuen "Reichspoliceyordnung" das Judenregal verliehen. Der Judenschutz institutionalisierte sich im Lauf der Jahrhunderte: Fürsten, Grundherren oder eine städtischen Obrigkeit erteilten Schutzjuden, ihren Familien und Hausbedienten ein verbrieftes temporäres Niederlassungsrecht, verbunden mit ihrem Rechtsschutz, manchmal auch verbunden mit besonderen Handelsprivilegien. Das Schutzgeld betrug in der Regel ein Vielfaches der Abgaben ihrer christlicher Untertanen und war damit für die Orts- und Landesherren eine willkommene Einnahmequelle.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1662 und 1666 // Christoph Daxelmüller: Vom Hausierer zum Unternehmer – Juden in Franken. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Werner K. Blessing u.a. (Hg.): AK 200 Jahre Franken in Bayern. Augsburg 2006 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 52), S. 80-89 // Sabine Ullmann: Judenschutz, publiziert am 21.08.2017; in: Historisches Lexikon Bayerns (https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judenschutz) [12.12.2022]. // Ludwig Schnurrer: Die Juden in den kleineren fränkischen Reichsstädten. In: Haus der bayerischen geschichte / rainer A. Müller (Hg.): AK Reichsstädte in Franken. Aufsätze 2: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. München 1987 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 15,2), S. 84- 99. // Vgl. Roland Flade: Die Würzburger Juden. Ihre Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Würzburg 1987, S. 15.
(Umgangssprachlich "Gelber Stern"): Industriell hergestellter Aufnäher in Form eines schwarzen Magen David auf gelben Grund, mit dem zentral eingefügten Wort "Jude" in pseudo-hebräischen Schriftzeichen. Ein von den NS-Behörden ab 1941 eingeführtes Zwangsabzeichen für Juden in allen besetzten Gebieten, das diese bis zum Ende der Diktatur 1945 in Anlehnung an diskriminierende mittelalterliche Kleiderordnungen (siehe Gelber Ring) gut sichtbar an der Kleidung tragen mussten.
Quelle: Jens J. Scheiner: Vom "Gelben Flicken" zum "Judenstern"? Genese und Applikation von Judenabzeichen im Islam und christlichen Europa (841–1941). Frankfurt am Main 2004. // Wolf Stegemann / Johanna Eichmann OSU (Hg.): Der Davidstern. Zeichen der Schmach - Symbol der Hoffnung. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden. Dorsten-Wulfen 1991.
Inoffizielle Schleichwege, die jüdische Ansiedelungen, Friedhöfe und wichtige Märkte verbanden. Dabei schlugen sie einen möglichst weiten Bogen um verbotene Ortschaften sowie steuerpflichtige Brücken und Straßen.
Syn. "Judenstatistik" (amtlich: "Nachweisung der beim Heere befindlichen wehrpflichtigen Juden"): Zum Stichtag 1. November 1916 von der OHL angeordnete statistische Erhebung zu den kriegstauglichen, an der Front dienenden, verlegten, unabkömmlich gemeldeten, zurückgestellten und gefallenen jüdischen Wehrpflichtigen. Als die anfängliche Kriegsbegeisterung angesichts des verlustreichen Stellungskrieges verraucht war, machte sich Frustration breit, die einen Sündenbock suchte. Juden wurden in entsprechenden Kreisen als "Drückeberger" dargestellt, die sich angeblich ihrer vaterländischen Pflicht durch alle möglichen Mittel zu entziehen suchten. Das Ergebnis der Zählung wurde geheim gehalten. 1922 ergab eine genaue Untersuchung, dass mit 17,3 Prozent anteilig ebenso viele deutsche Juden wie Nichtjuden zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, obwohl aus Alters- und Berufsgründen nur 15,6 Prozent der Juden wehrpflichtig gewesen waren. Rund 120.000 tausend deutsche Juden fielen im Kampfeinsatz.