Jüdisches Leben
in Bayern

Glossar

(Von hebr. Raw, pl. Rabbonim = Lehrer, Meister): Gesetzeskundiger, der in Fragen zur praktischen Anwendung von Tora und Talmud entscheidet. Für reguläre jüdische Gottesdienste braucht es keinen Rabbiner. Er betreut seine Kultusgemeinde vielmehr als moralische und geistige Autorität. Bis zum Bayerischen Judenedikt 1813 erteilten sie auf Anfrage Rechtsauskünfte (sog. Responsen) und amtierten als unabhängige Richter in innerjüdischen Angelegenheiten, wobei ihnen bei weitläufigen Zuständigkeiten, etwa als Landesrabbiner oder Distriktsrabbiner, ein Dajan assentierte. Rabbiner werden in einer Jeschiwa zum Studium des Talmuds ausgebildet und erhielt den Ehrentitel des Rabbiners nach angemessener Zeit durch seine Lehrer verliehen. Im Königreich Bayern musste jeder Rabbiner ein bayerischer Staatsbürger sein und ein abgeschlossenes Universitätsstudium nachweisen können, um die staatliche Bestätigung seines Amtes zu erhalten. Bis heute studieren zukünftige Rabbiner an einer orthodoxen Jeschiwa oder einer vergleichbaren Einrichtung. In modernen Glaubensrichtungen können auch Frauen zu Rabbinerinnen werden.

Quelle: Falk Wiesemann: Rabbiner und jüdische Lehrer in Bayern während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Staat-Reform-Orthodoxie. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 277-286. // Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): AK Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 513.

Verwandte Einträge:

Eine im frühen 19. Jahrhundert entstandene, liberale Strömung innerhalb des Judentums, die mit Bildungs- und Sozialreformen der jüdischen Aufklärung (Haskala) religiöse Reformen anstrebte. Ein wichtiger äußerlicher Aspekt war die "moderne" Liturgie mit dem Gebrauch der Landessprache im Gottesdienst und beim Religionsunterricht. Die Ausstattung der Synagoge orientierte sich zunehmend an christlichen Kirchenbauten, reformierte Rabbiner führten Musik und festlichen Chorgesang ein (von der Orthodoxie abgelehnt, weil seit der Zerstörung des Tempels 50 n.Chr. Trauer herrscht). Noch wichtiger für das liberale Judentum waren die inneren Reformen zugunsten einer weitgehenden Integration als moderne Staatsbürger: Eine bessere Ausbildung von Rabbinern und Lehrkräften (siehe Unterrichtswesen), die höhere Gleichberechtigung der Frauen, die Tendenz zu einem aufgeklärten Rationalismus, sowie der Verzicht auf die traditionelle Bindung an das Gelobte Land mit der einhergehenden freiwilligen Isolation von der Mehrheitsgesellschaft. Zentren des deutschen Reformjudentums lagen in Hamburg, Berlin, Frankfurt a.M. und Nürnberg. Unter dem Eindruck der Shoah zerbrach der grundlegende Glaube an einen moralischen Fortschritt der Menschheit. Durch den Erfolg des Zionismus (Gründung des Staates Israel 1948) und das Übergewicht des eher konservativen osteuropäischen Judentums nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich weltweit eine Rückkehr zur Orthodoxie. Dieser Trend nahm seit dem Sechstagekrieg (1967) zu und dominiert u.a. die heutige Politik des Staates Israel.

Quelle: Reformjudentum, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 18. 19. v. n. bearb. Aufl. Mannheim 1992, S. 182. // Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): AK Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 513. // Vgl. Christoph Daxelmüller: Jüdisches Alltagsleben im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel Unterfrankens. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 287-298.

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Das revolutionäre Frankreich ist aus zwei Kriegen siegreich ehrvorgegangen, nicht zuletzt durch die militärischen und diplomatischen Erfolge von Napoleon Bonaparte. Mit dem "Frieden von Luneville" 1801 wurde der Rhein zur neuen Grenze zwischen Frankreich und den deutschen Staaten des Heiligen Römischen Reiches. Das besetzte linke Rheinufer blieb französisch. In Regensburg verhandelte eine "Reichsdeputation" (Ausschuss) über die territoriale Neuordnung und verabschiedete am 25. Februar 1803 den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803: Fürstenhäuser wie die Wittelsbacher, die ihre linksrheinischen Gebiete an die französische Republik verloren hatten, wurden mit den Gebieten der kleinen deutschen Reichsstände entschädigt. Reichsstädte, die Reichsritterschaft, viele Grafen und Freiherren verlieren ihre Reichsunmittelbarkeit, die nur den Kaiser als ihren Souverän anerkannt hatte. Sie werden mediatisiert und gehen in den wachsenden Territorialstaaten auf. Das gleiche Schicksal trifft die landständischen Klöster, die geistlichen Landesherren und Reichsabteien: Die geistlichen Besitzungen werden in der Säkularisation an die geschädigten Landesherren neu verteilt. Das Ende der noch aus dem Mittelalter herrührenden Ordnung war auch in Deutschland gekommen. Nach weiteren Niederlagen der kaiserlich-österreichischen Armee setzte sich dieser Prozess fort. Die Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 besiegelte die Mediatisierung der letzten verbliebenen kleineren Territorien, der Reichsburg Friedberg sowie der Reichsstädte Nürnberg und Frankfurt. Das Heilige Römischen Reich hatte endgültig seine Existenzgrundlage verloren: Mit ihren gewachsenen und verdichteten Gebieten emanzipierten sich die Fürsten vom föderalen Gedanken des Reiches, den vor allem die Reichsstädte und der Klerus (durchaus aus Eigennutz) bis zuletzt vertreten hatten. Am 6. August 1806 wurde in der Wiener Hofburg feierlich die Auflösung des Alten Reiches verkündet, die Neuordnung Europas fand aber erst auf dem Wiener Kongress 1815 seinen vorläufigen Abschluss. Das Kurfürstentum, ab 1806 Königreich Bayern gewann die Territorien der Bistümer Augsburg, Freising, Passau, Bamberg und Würzburg, Teile von Eichstätt, dazu 13 Reichsabteien und 15 Reichsstädte, darunter Augsburg, Nürnberg und Regensburg.

Quelle: Bettina Braun: Reichsunmittelbarkeit, publiziert am 25.06.2012; in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) [12.01.2023]. // Wolfgang Schuster: Bayern 1799-1819. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Wolfgang Jahn u.a. (Hg.): AK Adel in Bayern. Ritter, Grafem, Industriebarone. Augsburg 2008 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 55), S. 226f. // Josef Kirmaier: Einzug von Kirchengut und Säkularisation. Die Begriffe und ihre Geschichte bis zur Französischen Revolution. In: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.) / Josef Kirmaier u.a.: Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. Katalog zur Ausstellung im Kloster Benediktbeuern 1991. München 1991 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 21), S. 23-27.

Ländliche Gemeinde vor allem in Südwestdeutschland und dem Elsaß, die auf einem ehemaligen Reichs- bzw. Königsgut entstanden und mit dem Privileg der Reichsunmittelbarkeit ausgestattet war. Reichsdörfer besaßen ausgedehnte Selbstverwaltungsrechte, gehörten aber nicht zu den Reichsständen. Im 14. Jahrhundert gab es mehr als 100 Reichsdörfer, die letzten wurden 1803 mediatisiert.

Quelle: Reichsdörfer, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 18. 19. v. n. bearb. Aufl. Mannheim 1992, S. 219.

Moderner Begriff aus der Rechtsgeschichte für die "Judenheit", das heißt die Summe aller Jüdinnen und Juden im Heiligen Römischen Reich. Formal unterstand die Reichsjudenschaft als Ganzes dem Judenregal des römisch-deutschen Kaisers. Die "Judenheit im Reich" als politische Institution war nur sehr rudimentär organisiert und setzte sich vor allem aus Vertretern der Landjudenschaften zusammen.

Quelle: Vgl. Chava Fraenkel-Goldschmidt: The Historical Writings of Joseph of Rosheim. Leiden/Bosten 2006.

Ursprünglich Benediktinerklöster aus merowingischer und fränkischer Zeit, die auf Reichsgut gegründet und mit Immunität sowie Königsschutz ausgestattet waren. Einige der wohlhabendsten Reichsklöster entstanden erst im Hochmittelalter, als nach der Auflösung des Herzogtums Schwaben sehr vielen Städten und Klöstern die Reichsunmittelbarkeit gewährt wurde. Nur die karolingischen Reichsabteien (Königsklöster) zählten später zu den souveränen Reichsfürsten und erhielten einen Sitz im Reichstag.

Quelle: Reichsklöster, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 18. 19. v. n. bearb. Aufl. Mannheim 1992, S. 222.

Von Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1510) im Jahr 1500 geschaffene, neue Verwaltungsbezirke im Heiligen Römischen Reich, zunächst sechs, ab 1512 zehn. Der "Bayerische Reichskreis" bestand um 1800 aus dem Herzogtum Bayern (Altbayern, ab 1628 inkl. Oberpfalz) und dem Erzstift Salzburg als führenden Mächten. Zum Kreis gehörten zudem die Hochstifte Freising, Passau, Regensburg, die Fürstpropstei Berchtesgaden, die Reichsabtei Sankt Emmeram sowie die Reichsabteien Ober- und Niedermünster (b. Regensburg), auf weltlicher Seite die Herzogtümer Pfalz-Neuburg und Herzogtum Pfalz-Sulzbach, die gefürstete Landgrafschaft Leuchtenberg, die Gefürstete Grafschaft Störnstein, die Reichsgrafschaft Breitenegg, die Grafschaften Haag, Ortenburg und Hohenwaldeck, die Herrschaften von Ehrenfels, Sulzbürg-Pyrbaum, sowie die freie Reichsstadt Regensburg. Der "Fränkische Reichskreis" war im Vergleich deutlich weniger einheitlich. Er erstreckte sich von der Fränkischen Saale bis zur Altmühl und umfasste die größten Teile um den oberen und mittleren Main, die in etwa den bayerischen Regierungsbezirken Ober-, Mittel- und Unterfranken entsprachen, allerdings ohne die kurmainzischen Besitzungen des Oberen Stiftes um Aschaffenburg. Er umfasste um 1800 die Hochstifte Bamberg, Eichstätt und Würzburg, sowie die Ballei Franken des Deutschen Ordens, Teile des Herzogtums Sachsen-Meiningen, die Markgrafentümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach (ab 1604 Brandenburg-Bayreuth), die gefürsteten Grafschaften Henneberg, Hohenlode-Waldenburg, Löwenstein-Wertheim und Schwarzenberg, die Grafschaften Castell, Erbach, Hohenlohe und Rieneck, die Herrschaften Hausen, Limpurg, Reichelsberg, Seinsheim und Wiesentheid, sowie die freien Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weißenburg und Windsheim.

Quelle: Bayern im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml (Hg.): Politische Geschichte Bayerns. München 1989 (= Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 9/89), S. 26-32. // Rainer A. Müller: Reichsstadt-Stadt des Reiches. [Inkl. Angaben zu den Reichskreisen und der Struktur des HRR]. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Rainer A. Müller u.a. (Hg.): Reichsstädte in Franken. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 1987. München 1987 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 14), S. 227-246. // Winfried Dotzauer: Die Deutschen Reichskreise in der Verfassung des Alten Reiches und ihr Eigenleben 1500-1806. Darmstadt 1989. // Haus der Bayerischen Geschichte / Rudolf Endres u.a. (Hg.): Der Fränkische Reichskreis. Augsburg 2003 (= Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur 29).

Von 1422 bis 1806 ein loser Verband des niederen (Land-)Adels, der im Augsburger Religionsfrieden 1555 das Privileg der Reichsunmittelbarkeit (Immediatstand) erlangte. 1559 wurde ihre Territorialstaatlichkeit formal bestätigt. 1577 vereinigten sich die bündischen Ritterschaften zu einer Körperschaft, die in die Ritterkreise Schwaben, Franken und Am Rhein mit 14 Kantonen (Orten) gegliedert war. Als Körperschaft besaß die Reichsritterschaft ein eigenes Besteuerungs- und Satzungsrecht und übte beschränkte landesherrliche Gewalt aus. Viele Reichsritter gewährten Schutzjuden auf ihrem Gebiet eine Niederlassung. Gegen 1800 umfasste die Reichsritterschaft ein Gebiet von circa 5000 km² mit rund 200.000 Einwohnern. Nach dem Ende des HRR im Jahr 1806 wurden die Kreise mediatisiert.

Quelle: Michael Henker: Bayern im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml (Hg.): Politische Geschichte Bayerns. München 1989 (= Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 9/89), S. 26-32. // Thomas Schindler: Schlösserreichtum in den Haßbergen. Der Ritterkanton Baunach. In: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Edition Bayern. Menschen, Geschichte, Kulturraum 2: Haßberge. Augsburg 2009, S. 24-27. // Kurt Andermann: Reichsritterschaft, publiziert am 09.05.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns (https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsritterschaft) [12.12.2022]. // Reichsritterschaft, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 18. 19. v. n. bearb. Aufl. Mannheim 1992, S. 225f.

Stadtrepubliken im Heiligen Römischen Reich mit dem Status der Reichsunmittelbarkeit (lat. Immediat). Dagegen hatten sog. Freie Städte zwar noch einen Bischof als nominellen Landesherrn, besaßen aber Selbstverwaltungsrechte und Privilegien, die sie den Reichsstädten de facto gleichstellten. Die ältesten Reichsstädte entstanden auf Reichs- bzw. Königsgut (Pfalzstädte), andere erhielten den Status durch ein Privileg, das Aussterben der Landesherrschaft oder eine gewaltsame Erhebung. Die Mehrheit der Reichsstädte befand sich im territorial zersplitterten Südwesten des Reiches, im Rheinland und Franken. Der Status einer Reichstadt wurde vom Kaiser garantiert, daher tragen viele ehemalige Reichsstädte bis heute den Adler im Wappen.

Quelle: Ludwig Schnurrer: Die Juden in den kleineren fränkischen Reichsstädten. In: Haus der bayerischen geschichte / Rainer A. Müller (Hg.): AK Reichsstädte in Franken. Aufsätze 2: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. München 1987 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 15,2), S. 84- 99. //Reichsstädte, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 18. 19. v. n. bearb. Aufl. Mannheim 1992, S. 226f. // Rainer A. Müller: Von der Stadt zur Reichsstadt. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Rainer A. Müller u.a. (Hg.): Reichsstädte in Franken. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 1987. München 1987 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 14), S.19-36. // Rainer A. Müller: Reichsstadt-Stadt des Reiches. [Inkl. Angaben zu den Reichskreisen und der Struktur des HRR]. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Rainer A. Müller u.a. (Hg.): Reichsstädte in Franken. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 1987. München 1987 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 14), S. 227-246. // Rudolf Endres: Franken im Spätmittelalter. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Wolfgang Jahn u.a. (Hg.): Edel und Frei. Franken im Mittelalter. Katalog der Bayerischen Landesausstellung 2004. Augsburg 2004 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 44), S. 50-70. // Haus der Bayerischen Geschichte / Rudolf Endres u.a. (Hg.): Der Fränkische Reichskreis. Augsburg 2003 (= Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur 29).

Am 17. Dezember 1933 wurde die "Reichsvertretung deutscher Juden" in Berlin gegründet, um in der NS-Herrschaft eine legitimierte Vertretung zu besitzen, die als Sprecherin des gesamten deutschen Judentums auftreten konnte. Im Zug der Nürnberger Rassegesetzte 1935 wurde sie in "Reichsvertretung der Juden in Deutschland“ umbenannt und wandelte sich in eine direkt der Gestapo unterstellte Zwangsvereinigung, der alle vom NS-Regime als „Rassejuden“ bezeichneten Personen automatisch angehörten. Sie fungierte unter anderem als Rechtsnachfolgerin der israelitischen Kultusgemeinden nach deren meist erzwungener Auflösung und war damit für den Verkauf der Synagogen und anderer Immobilien zuständig. Am 10. Juni 1943 schloss die Gestapo die Geschäftsstelle der Reichsvereinigung in Berlin-Charlottenburg, deportierte die Mitarbeiter und beschlagnahmte das Vermögen.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1665.

(Von lat. responsum, pl. responsa: Antwort): Juristische Antwort einer halachischen Autorität auf konkrete Streitfragen des innerjüdischen Rechts und der Religionsgesetze mit dem Ziel, eine normative Entscheidung zu erhalten. Daher auch die hebräische Bezeichnung She’elot uTeshuvot (dt. Fragen und Antworten).

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1665.

Wegen eines angeblichen Hostienfrevels wurden am 20. April 1298 alle Juden der Stadt Röttingen (Lkr. Würzburg) verbrannt. Von Röttingen aus erfasste eine Welle der Gewalt Franken, die Oberpfalz und andere Teile Altbayerns. Ein marodierender Mob aus "Judenschlägern" unter der Anführung eines "gewissen Adeligen, der König Rintfleisch genannt wurde" konnte wegen einem territorialen Machtvakuum, das sich durch den Thronstreit zwischen Albrecht I. von Österreich und Adolf von Nassau gebildet hatte, mehr oder weniger ungehindert durch das Land ziehen. Außerhalb der stark befestigten Reichsstädte wurden mindestens 3441 Juden in 44 "Blutstädten", die im Nürnberger Memorbuch aufgelistet werden, grausam ermordet (andere Quellen sprechen von bis zu 5000 Toten). Der römisch-deutsche König Albrecht I. ließ "Rintfleisch" und weitere Anführer der Massaker schließlich verbannen, nach einer anderen (späteren und eventuell tendenziösen) Quelle hingegen festnehmen, enteignen und aufhängen. Die Städte, in denen Juden getötet wurden, mussten demnach an den König eine Geldstrafe zahlen.

Quelle: Friedrich Lotter: Rintfleisch-Verfolgung 1298, publiziert am 26.10.2009; in: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Rintfleisch-Verfolgung,_1298 [12.12.2022].

Gegenstände, um den Ritus (d.h. religiöse Handlungen) zu vollziehen. Zu den Ritualien können gehören: Tallit, Tefillin, Siddur, und Kippa. Zu den Ritualien gehören auch Chanukka-Leuchter, Jad, Etrog-Behälter, Ner Tamid etc.

Quelle: Vgl. Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67.

Antijudaistische Verschwörungstheorie, die sich teilweise bis in die Gegenwart gehalten hat. Demnach würden Juden für ihre Riten (in anderen Versionen auch für magische Praktiken) das Blut christlicher Kinder benötigen, diese daher entführen und nach okkulten Regeln schächten. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der angebliche Ritualmord an Simon aus Trient im Jahr 1479, der von der römisch-katholischen Kirche bis 1965 als seliger Märtyrer verehrt wurde. Der Ritualmord-Vorwurf diente immer wieder als Rechtfertigung für Gewalttaten gegen Juden.

Quelle: Rainer Erb (Hg.): Die Legende vom Ritualmord. Zur Geschichte der Blutbeschuldigung gegen Juden. Berlin 1993 (= Dokumente, Texte, Materialien [vom Zentrum für Antisemitismusforschung der technischen Universität Berlin] 6).

Verwandte Einträge:

(Hebr. Haupt / Vorsteher des Hauses): Familienoberhaupt, also Familienväter und Witwen. Das Wort bezeichnete in Franken auch das Verfahren, die Finanzierung der Gemeindekosten zu einem Teil oder (selten) auch ganz auf die Familien umzulegen.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1665.

(Hebr. Haupt/Anfang des Jahres): Jüdisches Neujahrsfest, nach dem Gregorianischen Kalender im September oder der ersten Hälfte des Oktobers. Fromme Juden tragen am Neujharsfest in der Synagoge ihr weißes Totengewand, mit dem sie eines Tage beerdigt werden. Am jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana und in den vier Wochen zuvor wird in den Synagogen auf der ganzen Welt das Schofar geblasen.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1665.