Ein 1893 in Berlin gegründeter Verein, als Reaktion auf den aufkeimenden, salonfähigen Antisemitismus breiter bürgerlicher und akademischer Schichten. Der Vereinszweck bestand in der Durchsetzung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung und, als Ausdruck der jüdischen Selbstbehauptung, in der Abwehr des Antisemitismus. Die Mitglieder sahen sich jedoch auch als deutsche Patrioten und bekämpften den Zionismus als politische Bewegung. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde der Verein zwangsweise aufgelöst.
Quelle: Tilmann Gempp-Friedrich: Durch Kampf zum Recht. Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. In: Geschichte für Heute Jg. 16/2 (2023), S. 27-32. // Wolf Weigand: Jüdisches Leben unter der Bedrohung des Antisemitismus. Formen jüdischer Selbstbehauptung vor und während der NS-Zeit. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 455-468.
Die CER wurde 1956 in Großbritannien gegründet, um die jüdischen Gemeinden auf dem europäischen Festland nach der Shoah wieder zu beleben. Sie vertritt heute nach eigenen Angaben rund 1000 Mitglieder, darunter mehr als 700 Rabbiner von Dublin bis Wladiwostok.
Der überwiegend orthodoxe Zusammenschluss unterstützt mit mehreren untergeordneten Organisationen die Rabbinerausbildung und den inneren Zusammenhalt der Kultusgemeinden, er gewährleistet Rechtsberatung und religiöse Unterweisung, kümmert sich um europaweit gültige Standards für koschere Lebensmittel und Ritualbäder, engagiert sich aber auch für Religionsfreiheit sowie den interkulturellen und unterreligiösen Dialog mit Muslimen und Christen. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU im Jahr 2021 ("Brexit") wurde die Europäische Rabbinerkonferenz vom bayerischen Ministerpräsidenten dazu eingeladen, ihren Sitz von London nach München zu verlegen. Durch den neuen Sitz der CER im Prinz-Ludwig-Palais an der Türkenstraße, die Ohel-Jakob-Synagoge und das jüdische Zentrum im Herzen der Altstadt hat sich Bayern zu einem neuen Kristallisationspunkt für jüdisches Leben in Europa entwickelt.
Quelle: https://rabbiscer.org/who-we-are/our-history.de // Europäische Rabbinerkonferenz weiht neue Zentrale in München ein. Interview von Andrea Schlaier mit Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt zu einem Umzug von historischer Bedeutung. In: Süddeutsche Zeitung (18. September 2023).
Der Begriff "Chabad" setzt sich aus den hebräischen Worten für Weisheit (Chochma), Verständnis (Bina) und Wissen (Da’at) zusammen. Es handelt sich dabei um eine Strömung des chassidischen orthodoxen Judentums, die im späten 18. Jahrhunderts von Rabbiner Schne'ur Salman (1745-1812) in Polen gegründet wurde. Heute liegt das Zentrum der geistigen Bewegung in den USA, hat aber aber Anhänger, Institutionen und Gemeinden auf der ganzen Welt.
Quelle: Tzvi Freeman: Was ist Chabad? In: Jüdische.Info. Online unter: https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/1690348/jewish/Chabad.htm [Zugriff: 13.06.2024].
(hebr. Weihung): Channuka, auf deutsch auch "Lichterfest" ist ein acht Tage dauerndes, jährlich wiederkehrendes Fest zum Gedenken an die Einweihung des zweiten Tempels in Jerusalem nach dem Sieg über die Makkabäer im Jahr 164 v. Chr. bzw. 3597 jüdischer Zeitrechnung (vgl. 1Makk 4,36-61). Der Begriff wurde daher gelegentlich auch von Christen für das Kirchweihfest verwendet. Es wird ab dem 25. Kislew (November/Dezember) gefeiert. Wichtigstes Symbol ist das biblische Ölwunder des Channukia-Leuchters im Tempel, dessen Lichter acht Tage brannten, obwohl der Ölvorrat nur für einen Tag reichte. Er wird im häuslichen Rahmen nach Einbruch der Dunkelheit entzündet. Zu Channuka gehören traditionelle Spiele, Lieder und im westlichen Kulturraum auch Gänsebraten, der mit dem anfallenden Fett begründet wird, das einst bei Leuchtern Verwendung fand. Heute wird das Familienfest zunehmend auch öffentlich gefeiert und ist vor allem in den USA ein Ersatzfest für Weihnachten, mit sehr ähnlicher Dekoration und vergleichbarem Konsumverhalten.
Quelle: Vgl. Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1660. // Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 511.
Auch Channuka-Leuchter: Der acht- oder neunarmige Leuchter, dessen Kerzen zum jüdischen Chanukkafest entzündet werden.
Quelle: Vgl. Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1660. // Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 511.
Der Chasan (dt. Vorbeter oder Vorsänger) leitet den Gottesdienst in der Synagoge. Aufgrund der vielen gesungenen Psalmen haben viele Vorsänger eine stimmliche Ausbildung. Überlieferte Beschwerden über lautes "Geschrey in der Judenschul" weisen darauf hin, dass dies in früheren Zeiten nicht immer der Fall war. Bereits im Mittelalter war ein Rabbiner häufig auch Chasan seiner Gemeinde. In ärmeren Landgemeinden übernahm ein Chasan oft noch in Personalunion weitere Ämter und Aufgaben.
Quelle: Historisches Museum der Pfalz / Cornelia Ewigleben (Hg.): AK Europas Juden im Mittelalter. Speyer 2005, S. 262. // Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1668.
(Von hebr. Chassid, pl. Chassidim: der/die Frommen, Chasidut ha-Ashkenazit bzw. Haside Ashkenaz): Volkstümliche religiös-mystische Bewegung, die im deutschen Raum um 1300 von Jehuda ben Samuel in Regensburg geprägt wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts entstand eine identische Bewegung in der heutigen Ukraine, die in Polen, Rumänien und der Ukraine zur vorherrschenden Form jüdischen Frömmigkeit aufstieg. Mit der Migration sog. "Ostjuden" nach Westeuropa trat diese Glaubensrichtung in Konkurrenz zum Reformjudentum.
Quelle: Dan Cohn-Sherbok: Judentum. Herder, Freiburg im Breisgau 2001, S. 78–85 u. 140. // Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 511.
(Pl. Chadarim, auch Jeschiwa Ketana: hebr. Kleine Jeschiwa): Traditionelle, religiös geprägte Elementarschule für Knaben. Für den Unterhalt und die Wohnung des Lehrers kam die Gemeindekasse oder eine wohlhabendere Gruppe der Eltern auf. Die Schule befand sich meistens im Synagogengebäude oder in einem Zimmer im Haus des Melamed, wovon sich auch der hebräische Name herleitet (cheder = hebr. Zimmer, Kammer). Ab dem frühen 19. Jahrhundert beansprucht der bayerische Staat sein Kontrollmonopol über das Unterrichtswesen, die allgemeine Schulpflicht wurde in Altbayern bereits 1804 eingeführt. Das Chedersystem in West- und Mitteleuropa erlosch in diesen Jahrzehnten, während in Süd-Osteuropa und Russland auch weiterhin traditionell gelehrt wurde. Ab 1817 errichteten die bayerischen Kultusgemeinden vermehrt eigene Schulgebäude, sowohl aus Prestigegründen, aber auch um die neuen staatlichen Vorgaben bzgl. des praktischen Unterrichts sowie der Hygiene erfüllen zu können.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1660. // Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 511. // Vgl. Falk Wiesemann: Rabbiner und jüdische Lehrer in Bayern während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Staat-Reform-Orthodoxie. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 277-286.
(Pl. chevraus kaddischaus, hebr. Heilige Bruderschaft / Schwesternschaft): Offiziell eine Beerdigungsgesellschaft in jüdischen Gemeinden, die sich um die würdevolle Bestattung und die Einhaltung der Trauerbräuche kümmert (hebr. Hesped). Zusätzlich sorgt sie aus einer gemeinsamen Kasse für Kranke und Sterbende sowie die Ausstattung der Synagoge. Früher gehörten ihnen vor allem die einflussreichsten und wohlhabendsten Gemeindemitglieder an.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1660.
Ein Baldachin, das "Trauungszelt", unter dem das Brautpaar während der Eheschließung steht. Im übertragenden Sinne auch die Trauung an sich.
Quelle: Bernward Deneke u.a.: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 511.
Stein an der Außenwand der Synagoge, meist mit einem Stern und und oft abgekürzter hebräischer Aufschrift (Gut Glück - Stimme der Freude und Stimme des Jubels, Stimme des Bräutigams und Stimme der Braut); er bezeichnet die Stelle, an der das Brautpaar unter dem Hochzeitsbaldachin (Chuppa) getraut wurde. An den Stein warf der Bräutigam einen zerbrechlichen Gegenstand. Seit dem 19. Jahrhundert finden Trauungen meistens im Betsaal der Synagoge statt.
Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1660. // Aryeh Citron: Jüdische Synagogenarchitektur (Engl.), online unter: Chabad.org [12.12.2022].