Jüdisches Leben
in Bayern

Glossar

(hebr. Wehrtauglich Erkorener, Jüngling, Junger Mann, pl. Bachurim / Bochrim): Neben der wörtlichen Bedeutung auch ein Begriff für Talmudhochschüler in einer Jeschiwa oder Gelehrte vor dem Rabbinerdiplom und Assistenten beim Gottesdienst.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1659.

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 Als Lothar Franz von Schönborn (reg. 1693-1729), Fürstbischof von Bamberg und Mainz, im Jahr allgemeiner Missernten eine größere Menge Getreide aus den Magazinen des Hochstifts an jüdische Kaufleute in den Niederlanden verkaufte, rebellierte die hungernde Bevölkerung von Bamberg: Am 21. April 1699 wurden die bereits beladenen Getreidebarken geplündert, der Zorn richtete sich aber auch gegen die völlig unbeteiligte jüdische Gemeinde. Während Soldaten die Ordnung in der Stadt schnell wieder herstellten, breitete sich die antijüdische Verfolgungswelle auf das Umland aus und konnte erst im Juni eingedämmt werden. Noch ein Jahrzehnt später, am 10. November 1712, musste der Fürstbischof einen Erlass in allen Orten des Hochstifts anschlagen lassen, der Plünderungen und Übergriffe auf Juden unter Strafe stellte.

Quelle: Adolf Abraham Eckstein: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg. Bamberg 1910, unver. Nachdr. Bamberg 1988.

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(hebr. Sohn der Pflicht): Bezeichnung für einen Jungen nach vollendetem 13. Lebensjahr, der vor der versammelten Gemeinde in der Synagoge zum ersten Mal einen Abschnitt aus der Tora verliest und dadurch im religiösen Sinn mündig wird. Nach seiner Bar Mizwa zählt er als Mann und kann Teil einer Gebetsgemeinschaft (Minjan) werden.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1659.

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Auf Deutsch (Orts-)Vorgänger oder Vorgeher. Ursprünglich gewählter Verwalter einer Gemeinde, seit dem 16. Jahrhundert als Einzelner oder im Kollegium vorwiegend für die praktische Organisation der jüdischen Gemeinden / der Landjudenschaften sowie für die Vermittlung mit dem Grund- bzw. Landesherren zuständig, und teilweise auch direkt von diesen in ihr Amt eingesetzt.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1664.

Ab 1829 wurde im Königreich Bayern das öffentliche Bauwesen dem Staatsministerium des Innern unterstellt. Als Kontrollorgan fungierte der von König Ludwig I. (reg. 1825-1848) eigens gegründete kgl. Baukunstausschuss, dem renommierte Architekten wie Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner angehörten. Der Ausschuss prüfte nach einer Vorentscheidung der zuständigen Kreisbauämter die ästhetische Qualität aller Baupläne, die 500 Gulden überschritten. Erst mit der Unterschrift des Königs durfte ein Bauplan umgesetzt werden. Für Synagogen-Neubauten wurde meistens ein orientalisierender "Maurischer Stil" mit Rundbogenfenstern festgelegt und teilweise bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts verwendet.

Quelle: Vgl. Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns – Kleine Ausstellungen 68), S. 62-73. // Bayerisches Hauptstaatsarchiv / Annelie Hopfenmüller (Hg.): AK Der Baukunstausschuss König Ludwigs I. München 2015.

Der 1919 gegründete Burschenbunds-Convent war der wichtigste Dachverband paritätischer Verbindungen in Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei. Er zählte im WS 1930/31 in insgesamt 22 Mitgliedsbünden 830 Aktive, 210 Inaktive und 1645 Alten Herren (Alumni). Die Gründung des B.C. war das Ergebnis einer Entwicklung, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, alle farbentragenden und schlagenden paritätischen Verbindungen zusammenzuführen. Der BC war farbentragend und schlagend (unbedingte Satisfaktion. Er definierte seine Ziele so: "Ausbau des studentischen Lebens in vaterländischem und freiheitlichem Geiste, Erziehung zu staatsbürgerlicher Betätigung", zweitens "Gleichberechtigung aller deutschen Studenten ohne Rücksicht auf Geburt und Glauben" und drittens "Geistige und sittliche Förderung der Mitglieder, ihre körperliche Ertüchtigung, besonders durch Sport". Nachdem der B.C. vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise seit 1931 spürbar unter Aktivenmangel gelitten hatte und die Burschentage 1932 und 1933 ausgefallen waren, brachte die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 rasch den Niedergang des Verbandes, weil gerade die nationale Programmatik den B.C. für das NS-Regime zu einer feindlichen Organisation machte. Am 14. Juli 1933 löste sich der B.C. förmlich auf, nachdem die Verfolgungsmaßnahmen deutlich gemacht hatten, dass der Verband im Deutschen Reich keine Zukunft mehr hatte. In Österreich und der Tschechoslowakei konnten die dortigen B.C.-Burschenschaften noch bis 1938 bzw. 1939 überleben. Ein bekanntes Mitglied des Burschenbund im B.C. Wirceburgia (Würzburg) war der Gerichtsreferendar Wilhelm "Willy" Aron (1907-1933), der als erster Würzburger von den Nationalsozialisten ermordet wurde. 

Quelle: Matthias Stickler: Jüdische Studentenverbindungen. Anmerkungen zu einem zu wenig beachteten Thema der Universitäts- und Studentengeschichte. In: Einst und Jetzt 61 (2016), S. 11-56.

(hebr. Segnungen, Pl. B(e)rachot): Segnungssprüche zu Beginn des täglichen Morgengebets in der Synagoge.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): AK Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1659.

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Bei der Hawdala-Zeremonie am Ende des Schabbat werden im meist kunstvoll gearbeiteten B(e)samim-Behälter wohlriechende Gewürze (Zimt, Nelken, orangenblüten oder Myrre) gelegt, deren Duft symbolisch den Schabbat von den Werktagen trennt. Bei der "Verabschiedung" des Schabbat wird daran gerochen, um etwas von der Besonderheit des Tages mit in den Alltag zu nehmen.

Quelle: Historisches Museum der Pfalz / Cornelia Ewigleben (Hg.): AK Europas Juden im Mittelalter. Speyer 2005, S. 261. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67.

(hebr. Berit Mila, med. Zirkumzision): Zentrales Gebot der Tora. Männliche Juden wird am achten Tag ihres Lebens in der Synagoge die Vorhaut am Penis von einem Beschneider (hebr. Mohel) entfernt, der hierfür chirurgisch und religiös ausgebildet ist. Dadurch werden die Jungen in den Bund (hebr. b'rit) Gottes mit Abraham und dessen Nachfahren aufgenommen, außerdem erhalten sie bei dieser Zeremonie ihren Namen. Im Christentum wurde die Beschneidung von der Taufe nach dem Vorbild Jesu im Fluss Jordan abgelöst, im Islam ist sie eine "nachahmenswerte Tradition" (Sunna) und wird daher allgemein praktiziert.

Quelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg / Bernward Deneke u.a. (Hg.): Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Nürnberg 1988, S. 511.

(hebr. Mappa o. Mappo): Hergestellt aus einer oft kunstvoll bestickten Windel, die ein junge bei seiner Beschneidung getragen hat. Später wird sie in vier Streifen geschnitten und dann wieder zusammengenäht. Das daraus entstandene Stoffband wird um die Torarolle gebunden, als Zeichen für die erhoffte Treue des Jungen zu den Gesetzen der Tora.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1659.

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(hebr. Pionierhaus): Ausbildungsstätte der zionistischen Organisation Hechaluz. In Ergänzung zu den landwirtschaftlich ausgerichteten Kibbuzim wurden jüdische Männer und Frauen im eher städtischen Bet Chaluz in handwerklich-technischen Berufen ausgebildet und auf die Emigration in Palästina vorbereitet.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1659.

(hebr. Haus des Rechts): Jüdischer Gerichtshof, dem bis ins frühe 19. Jahrhundert gewählte Rabbiner vorstanden. Rabbiner konnten durch sog. Responsen auch Rechtsgutachten zu religiösen oder zivilrechtlichen Fragen in innerjüdischen Streitfragen erstellen. Der Landesrabbiner war zugleich Oberster Richter (Av bet-Din). Die unabhängige jüdische Gerichtsbarkeit wurde mit dem bayerischen Judenedikt von 1813 zugunsten der staatlichen Zentralgewalt abgeschafft.

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= Synagoge.

Quelle: Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 366.

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(Hebr. Haus der Ewigkeit): Jüdischer Friedhof. Da die Seelen der Verstorbenen auf die Ankunft des Messias warten, ist die Totenruhe im Judentum unantastbar. Gräber dürfen nicht aufgehoben werden. Ein Friedhof gehört daher zu den Einrichtungen, um die sich eine jüdische Gemeinde sehr früh bemüht. Das ehrende Gedenken an die Toten ist wesentlicher Bestandteil der jüdischen Ethik. Je nach Verwandtschaftsgrad beträgt die Trauerzeit, die mit besonderen Riten verbunden ist, zwischen sieben Tagen und einem Jahr. Anschließend gedenken Angehörige am Jahrtag des Todes ihrer verstorbenen.

Quelle: Christoph Daxelmüller: "Der gute Ort". Jüdische Friedhöfe in Bayern. Augsburg 2009 (Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 39), S. 68.

1. Ein inoffizieller jüdischer Andachtsraum, der nicht den kultischen Anforderungen entspricht. 2. Beengte Synagoge in einem Privathaus, wenn die finanziellen Mittel kein freistehendes Gotteshaus zuließen. 3. Behördlich nicht genehmigte, also formal illegaler Andachtsraum, herablassend auch "Winkelsynagoge" genannt.

Quelle: Vgl. Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns – Kleine Ausstellungen 68), S. 18-20, 39-49.

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Jüdische Unterschicht, die keinen Schutzstatus hatten, meist als Vaganten durchs Land zogen und sich mit Betteln, Gelegenheitsarbeiten und auch Kleinkriminalität durchschlugen. Wohlhabendere jüdische Gemeinden unterhielten eigene "Spitäler" bzw. Herbergen, oder auch nur einzelne Räume in ihren Gemeindehäusern, um gemäß ihrer Verpflichtung zur Nächstenliebe sog. "Betteljuden" unterzubringen. Für die christliche Obrigkeit waren sie unerwünschte Personen; viele Verordnungen verboten ihnen die Durchreise oder den Aufenthalt.

Quelle: Rolf Kießling: Jüdische Geschichte in Bayern, Bd. 11. München 2019, S.275-296.

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Ein (Bier-)Zipfel wird von farbentragenden Verbindungsstudenten am Gürtel oder Knopfloch getragen, früher vor allem an der Taschenuhr: Ein Band in den Farben (Couleur) der studentischen Verbindung, in (Edel-)Metall und einem Metallschieber gefasst. Der Schieber ist auf der Vorderseite mit Wappen und/oder Zirkel versehen und auf der Rückseite mit einer Widmung, da der Bierzipfel in der Regel verschenkt wird. An der oberen Metallfassung befindet sich ein Kettchen mit einem Karabinerhaken, mit dem der Zipfel am Zipfelhalter befestigt wird. Der Zipfelhalter wiederum wird mit einem Clip am Hosenbund oder an der Westentasche getragen, früher vor allem an der Taschenuhr. "Nichtfarbentragende", beispielsweise religiös ausgerichtete Verbindungen führen meistens einen schlichtes schwarzes oder dunkelblaues Band. Der Verlust eines Bierzipfels gilt als besondere Schande, da mit ihm die Erinnerung an ein ganzes Verbindungsleben verloren geht. Zum Bierzipfel kommen kleinere Exemplare, die von anderen Verbindungsstudenten verschenkt wurden (Zipfeltausch). Je nach der vorherrschenden Tradition tauschen Verbindungen ihre Farben recht freigiebig, etwa nach einem Kneippabend, oder nur zu ganz besonderen Anlässen (Gemeinsames Pauken oder Mensur). Ebenfalls kleiner als der Bierzipfel ist der "Weinzipfel". Ein frisch eingetretener Verbindungsstudent (Fuchs) sucht sich ein älteres Mitglied als "Burschen" aus, der ihm am neuen Studienort zur Seite stehen soll. Nur in den seltensten Fällen wird dies abgelehnt. Durch die Bekanntgabe der Bindung auf dem Convent und durch den getauschten Zipfel, bei dem der Fuchs seinen Bierzipfel gegen einen Weinzipfel austauscht, wird der Fuchs folglich zum Leibfuchs (Biersohn) seines Leibburschen (Biervater).

Quelle: Persönliche Auskunft eines "Alten Herrn" der Corps Suevo-Guestphalia München

Erhöhter Platz in der Synagoge, auf dem aus der Tora vorgelesen wird; bei orthodoxen Gemeinden in der Mitte der Synagoge platziert, bei reformorientierten Gemeinden oft vor dem Aron ha-Kodesch (Toraschrein).

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1659.

Auf einem Delegiertentag in Posen 1912 gegründeter deutsch-jüdischer Wanderbund mit zionistischer Programmatik. Er erreichte seine größte Popularität in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, als antisemitische Tendenzen im Jugendverband "Wandervogel" die Teilhabe von Juden zunehmend erschwerten. Nach internen Auseinandersetzungen wurde der Bund im Jahr 1927 formell aufgelöst.