Jüdisches Leben
in Bayern

Glossar

(Hebr. [rituelle] Reinigung, Adj. tahor = gereinigt um den Tempel Gottes zu betreten): Waschung des Leichnams, die in der Regel in einem Taharahaus bzw. Taharahalle auf dem jüdischen Friedhof vorgenommen wird. Auch die Trauernden reinigen sich hier symbolisch vor dem Verlassen des Friedhofs. Wenn sich keine angehörigen um die Leichenwaschung kümmern können, übernimmt dies eine Heilige Bruderschaft (Chevra Kaddischa). Für den Bau eines Taharahauses gibt es keine bestimmten religiösen Vorgaben, die Gestaltung und Ausstattung entsprach immer auch den finanziellen Möglichkeiten der Kultusgemeinde. Im 19. Jahrhundert wurden oft größere Häuser errichtet mit einer Wohnung für den Friedhofswärter.

Quelle: Christoph Daxelmüller: "Der gute Ort". Jüdische Friedhöfe in Bayern. Augsburg 2009 (Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 39), S. 68. // Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1667.

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 In Günzburg an der Donau wählten Rabbiner und Vorstände der Reichsjudenschaft im Jahr 1529 erstmals einen gemeinsamen Sprecher: Rabbiner Josel bzw. Joselmann von Rosheim (eig. Joseph ben Gerschon Loans). Auf dem Reichstag in Augsburg 1530 konnte Joselin die alten Privilegien, die König Sigismund 1415 den Juden im Elsass gewährte, aufs neue bestätigen lassen und erreichte, dass sie von Kaiser Karl V. auf das ganze Heilige Römische Reich ausgedehnt wurden. Um den alten Vorwürfen des Zinswuchers zu begegnen, erstellte er während des Reichstags einheitliche, sehr restriktive Regeln für Geldgeschäfte von Juden mit Christen in Form von Zehn Artikeln (Takkanot). Sie diente als Grundlage der Reichstagsbeschlüsse von 1530 und 1532, die anschließend von den lokalen Herrschaften als Reichsrecht umgesetzt wurden. Kernelement des Takkanot war, dass die jüdischen Gerichte intern einen Verstoß gegen die Regeln ahnden würden, um damit auch den ewigen antijüdischen Vorwürfen des Wuchers ein Ende zu machen. De facto machten sie aber für Juden das Geldgeschäft als Haupterwerb unrentabel, vermehrt widmeten sie sich daher dem Vieh- und Stoffhandel.

Quelle: Chava Fraenkel-Goldschmidt: The Historical Writings of Joseph of Rosheim. Leiden / Bosten 2006 (= Studies in European Judaism 12).

(Hebr. Ordnung, Pl. von hebr. Takkana = Verbesserung): Verbessernde Anpassungen des Halacha im Sinne einer praktische Auslegung der Ge- und Verbote im Lebenswandel durch eine rabbinische Autorität.


Quelle: Takkana. In: Jüdisches Lexikon. Berlin 1927, Sp. 834f. // Chava Fraenkel-Goldschmidt: The Historical Writings of Joseph of Rosheim. Leiden / Bosten 2006 (= Studies in European Judaism 12).

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Jüdischer Gebetsmantel: Viereckiges, gesäumtes Kleidungsstück mit Troddeln (Zizith) an jeder Ecke, das während des Morgengottesdienstes (Schacharit) über der Kleidung getragen wird. Aschkenasim und Sephardim haben verschiedene Traditionen in der Trageweise und der Beschaffenheit ihres Tallit. Daneben gibt es den kleinen Tallit, der von orthodoxen Juden unter den Oberkleidern während des gesamten Tages getragen wird (Tallit Katan, dt. "Gebetsschal“). Grundlage ist das 4. Buch Moses (15,38): "Rede zu den Kindern Israels und sage ihnen, dass sie sich eine Quaste an die Zipfel ihrer Obergewänder machen, in ihren [künftigen] Geschlechtern, und eine Schnur von blauem Purpur an der Quaste des Zipfels befestigen". Bei der Beerdigung werden jüdische Männer in ihr Totengewand und einen Tallit gehüllt. Da sie nicht länger an die Gebote Gottes erinnert werden müssen, wird einer der Schaufäden entfernt.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1667. // Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 368.

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(Hebr. Studium, Belöehrung, Lehre): Der nach der Bibel wichtigste Text des Judentums ist der Talmud. Er besteht aus der Mischna, den schriftlich niedergelegten Unterweisungen der jüdischen Gesetzeslehrer zur Tora (Fünf Bücher Mose), und der "Gemara", die sowohl ein später entstandener Kommentar zur Mischna ist, als auch sehr umfangreiche Texte ohne unmittelbaren Bezug zur Mischna enthält. Der Talmud entstand seit dem 3. Jahrhundert in zwei unterschiedlichen Version, dem Jerusalemer und dem umfangreicheren Babylonischen Talmud, dessen Redaktion im 8. Jahrhundert abgeschlossen wurde. Er umfasst heute gewöhnlich zwölf Foliobände und wird an jüdischen Hochschulen (Jeschiwa) als Hauptfach gelehrt.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1667. // Historisches Museum der Pfalz / Cornelia Ewigleben (Hg.): AK Europas Juden im Mittelalter. Speyer 2005, S. 267.

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Traditionelle Gebetsriemen mit einer Kapsel, in der auf Pergament geschriebene Abschnitte aus der Tora eingefügt sind. Es gibt zwei Gebetsriemen: Derjenige, der um den Kopf gelegt wird (tefilla schel rosch) und derjenige, der um den linken Arm gelegt wird (tefilla schel jad). Das Anlegen und Tragen während des Morgengottesdienstes ist für alle religionsmündigen Männer ab ihrem 13 Lebensjahr verpflichtend und geschieht nach besonderen Vorschriften.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1667.

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(Plural von Tehilah, hebr. Lobgesang): = Buch der Psalmen (sefer tehellim), die 150 poetischen Gebetstexte werden zumeist singend rezitiert.

Quelle: Reinhard Müller: Psalmen (AT). In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), online unter: https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/psalmen-at [16.11.2023].

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Jüdischer Gebetsverein.

Quelle: Reinhard Müller: Psalmen (AT). In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), online unter: https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/psalmen-at [16.11.2023].

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Abkürzung, die auf fast jedem jüdischen Grabstein zu finden ist: "Tihije Nischmato Zrura Bizror Hachajim" = Möge seine/ihre Seele eingebunden sein im Bunde des (ewigen) Lebens (mehrere andere inhaltliche ähnliche Übersetzungen sind gebräuchlich und möglich).

Quelle: Gerhild Elisabeth Birmann-Dähne: Jüdische Friedhöfe in der Rhön. "Haus des ewigen Lebens". Petersberg 2019, S. 120-124.

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(Rimmon, pl. Rimmonim, hebr. Granatapfel, dt. Toraaufsätze): Schmückende Abschlüsse aus Edelmetall für die Stäbe der Torarolle, meist in Form von Früchten oder Kronen. Die Rimmonim gehören zu den fünf Schmuckstücken der Tora (Kele Kodesch).

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1665. // Historisches Museum der Pfalz / Cornelia Ewigleben (Hg.): AK Europas Juden im Mittelalter. Speyer 2005, S. 265. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67.

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(hebr. Keter Tora): Schmuck für die Torarolle, zumeist in Form einer geschlossenen Bügel- oder Haubenkrone, seltener auch Zackenkrone. Eine Krone wird über beide oberen Enden der Rollenhalter (Rimmonim) aufgesetzt und gehört zu den fünf Schmuckstücken der Tora (Kele Kodesch). Außerdem ist die Krone ein Symbol, dass traditionell bei der Ausgestaltung von Synagogen, Toraschreinen (Aron ha Kodesch) und Toravorhängen (Parochet) verwendet wird.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1668. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67. // Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 368.

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Die Torarolle wird mit einem Mantel verhüllt und geschützt. Er besteht häufig aus einem Kopfstück mit zwei Öffnungen für die Stäbe der Torarolle sowie aus einem Vorder- und Rückenteil. Die Schauseite wird mit Symbolmotiven, z.B. eine Krone als Symbol für die Tora, geschmückt. Der Toramantel gehört zu den fünf Schmuckstücken der Tora (Kele Kodesch).

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1668. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67. // Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 368.

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(Hebr. Lehre): Der wichtigste Gegenstand der jüdischen Religion ist die Tora. Sie besteht aus den Fünf Büchern Mose der Bibel (Pentateuch) und ist in hebräisch auf Rindshaut-Pergament geschrieben, das man über Holzsstäbe rechts und links aufrollen kann. Für die Herstellung und Verwendung der Tora gibt es strenge regeln. Geschrieben wird die Tora händisch und auf hebräisch vom Sofer (Schreiber). Bei der Herstellung einer Torarolle darf kein Fehler unterlaufen, ansonsten muss der gesamte Abschnitt des Pergaments neu begonnen werden. Die Tora wird in einem Schrank in der Synagoge aufbewahrt (Toraschrein, Toralade, hebr. Aron ha-Kodesch) und bildet den spirituellen Mittelpunkt des Gotteshauses. Meistens besitzt eine Gemeinde mehr als eine Torarolle, denn an Feiertagen wird oft ein anderer Abschnitt zusätzlich gelesen, was mit nur einer Rolle zu zeitaufwändig wäre. Daher tragen die Rollen einen kostbar gearbeiteten Toraschild, auf dem der entsprechende Anlass in hebräischen Buchstaben eingefügt ist. Zum Lesen der Tora benutzt der Vorleser den Jad. Das ist ein Zeigestock in der Form einer Hand und eines ausgestreckten Zeigefingers, der die Torarolle vor Verschmutzung bewahren soll. Deswegen wird die Torarolle mit einem sogenannten Mantel umhüllt, wenn sie beim Gottesdienst durch die Synagoge getragen wird. Traditionell berührt bei dem Rundgang möglichst jedes Gemeindemitglied mit seinem Gebetbuch oder seinem Tallit diesen Mantel.

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1667.

(Hebr. Tas[s]): Prunkvoller Schild aus Edelmetall, der über den Toramantel gehängt wird. Er trägt den Namen des Festes, an dem die Torarolle verwendet wird, manchmal auch den Namen des Stifters. Im Kultgerät lassen sich kulturelle Verflechtungen nachverfolgen: Während die Funktion immer gleich bleibt und bestimmte Symbole wie die Menora, Kronen und Löwen immer wieder vorkommen, ändert sich die Gestaltung je nach Zeit und Ort. Der Toraschild gehört zu den fünf Schmuckstücken der Tora (Kele Kodesch).

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1668. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67. // Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 368.

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(Seltener Toraband): Geschmücktes Band, mit dem die zusammengerollten Torarolle gebunden wird, wenn sie nicht in Gebrauch ist. Torawimpel werden zumeist aus Beschneidungswimpeln hergestellt. Der Torawimpel gehört zu den fünf Schmuckstücken der Tora (Kele Kodesch).

Quelle: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1668. // Bernward Deneke: Jüdisches Zeremonialgerät in Bayern. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 51-67. // Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 368.

(v.a. Franken) syn. Leerhaus oder Leere Sölde: Kleines Wohnhaus ohne zugehörigen Grund, mit Ausnahme vielleicht eines Nutzgärtchens. Der Name soll sich vom Umstand ableiten, dass von der Dachtraufe herabtropfendes Regenwasser auch die Grundstücksgrenze markierte. Daher der mitleidig-deminutive Ausdruck "Armer Tropf". In Tropfhäusern lebten die Bediensteten einen Grundherrn, kleine Handwerker, Tagelöhner oder Schutzjuden, denen Landbesitz die längste Zeit verboten blieb. 

Quelle: "TROPFHAUS, n.". In: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=T12444 [15.11.2023].