Jüdisches Leben
in Bayern

um 1250: Minnesang des Süßkind von Trimberg

Codex Manesse (Manessische Liederhandschrift), Zürich um 1250, fol. 355v. Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848.



Vorbemerkung

Als fahrender Dichter verfasste der jüdische Poet Süßkind aus Trimberg Minne- und Spruchgesänge. Im Hochmittelalter wurde diese höfisch-ritterliche Kunstform von der jüdischen Oberschicht ebenso gepflegt wie in der christlichen. Süßkind ist der einzige namentlich bekannte jüdische Dichter jener Epoche und genoss so großes Ansehen, dass einige seiner Verse in die weltberühmte Manessische Liederhandschrift aufgenommen wurden.

Quellentext

Ich var ûf der tôren vart / mit mîner künste zwâre, / daz mir die herren nicht went geben. / des ich ir hof wil fliehen / und wil mir einen langen bart / lân wachsen grîser hâre: / ich wil in alter juden leben /mich hinnân fürwert ziehen. / mîn mantel der sol wesen lanc, / tief under einem huote, / dêmüeteclich sol sîn mîn ganc / und selten mê ich singe in hovelîchen sanc, / sîd mich die herren scheiden von ir guote.

Ich war auf einer Narrenfahrt / mit meiner Kunst so zehrend – / weil mir die Herren nichts geben / will ich fortan des Hofs entfliehen / und wachsen mir 'nen Bart / aus langen grauen Haaren. Will nach alter Judenleben / fortan nur vorwärts ziehen. / Mein Mantel, der wird lang, / tief gebeugt unter einem Hute / demütig sein mein Gang – / und nie mehr mach Minnesang, / denn die Herren, sie / geben mir nichts von ihrem Gute.

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Irs mannes krôn ist daz vil reine wîp / iemer in wol êret ir vil werder lîp. / er sælig man, dem diu guote sî beschert! / Der mag ân zwîvel mit ir sîniu jâr / willeclîch vertrîben stille und offenbâr – / er sich mit ir sünden unde schanden wert. / Mit hôher stæt ist sî bedacht, / ir liecht fiur löschet nicht in nacht, / ir hôhez lop mit der meisten menge vert.

Jed's Mannes Kron' ist die reinste Frau, / noch mehr ehrt ihn wohl ihr edler Bau. / Ein seliger Mann, dem die Gute sich beschert! / Verbringt gern mit ihr so manches Jahr‘ / in Zweisamkeit, ganz offenbar. / der Sünd‘ und Schand‘ mit ihr erwehrt. / Mit Beständigkeit ist sie bedacht, / ihr Licht verlischt auch nicht zur Nacht, / in aller Munde ist ihr hohes Lob.

(Freie Nachdichtung von Patrick Charell)