Babylonischer Talmud ("Pferseer Handschrift"). Tusche auf Ziegenhaut. S. L. [Frankreich] 1342. Aus dem Besitz der Rabbinerfamilie Ulma-Günzburg, Pfersee (Augsburg). Bayerische Staatsbibliothek, Cod.hebr. 95.
Vorbemerkung
Der "Babylonische Talmud" (hebr. Talmud Babli), auch "Pferseer Handschrift" genannt, wurde wohl um 1342 in Frankreich hergestellt. Vereinzelte Glossen (Einfügungen an den Seitenrändern) enthalten unter anderem einen Kommentar des Rabbiners Schlomo ben Jizchak aus Troyes (1040-1105). Als einzige bislang bekannte mittelalterliche Handschrift enthält sie den fast vollständigen Text des Babylonischen Talmuds.
Die ohnehin seltenen Talmudhandschriften fielen zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert vielfach christlichen Zerstörungsmaßnahmen zum Opfer. Frühneuzeitliche Besitzeinträge belegen, dass sie sich im Besitz der bedeutenden jüdischen Gelehrtenfamilie Ulma-Günzburg befand, die ab 1620 in Augsburg - Pfersee wohnte. Zuletzt gehörte sie dem Rabbiner Simon ben Sanwil Ulmo (1645-1720) in Pfersee. Er war Hoffaktor der bayerischen Wittelsbacher und Habsburger in Wien, außerdem Landesrabbiner des Medinat Schwaben. Als zu Jom Kippur 1803 sein Sohn Ber(nhard) ben Simon Ulmo (1751-1837) unter dem Vorwurf der Geldfälscherei in Haft kam und fast ein Jahr lang unschuldig im Gefängnis saß, ging die einzigartige Handschrift unter bislang nicht völlig geklärten Umständen in den Besitz des Augustiner-Chorherrenstifts Polling über.
Noch im selben Jahr wurde das Kloster in der Säkularisation aufgelöst, die mehr als 88.000 Bände fassende Bibliothek zerschlagen: Dr. Paul Hupfauer (1747-1808), letzter Propst des säkularisierten Chorherrenstifts Beuerberg und nun kurfürstlicher Hofbibliothekar, wählte sorgfältig 7000 Bände für die Landesuniversität zu Ingolstadt aus. Etwa 20.000 weitere gingen an die Hofbibliothek in München, der große Rest wurde als Altpapier verschleudert. Unter letzterem befand sich wohl auch die Pferseer Handschrift, denn sie wurde erst 1880 von der Bayerischen Staatsbibliothek aus privater Hand angekauft. Sie gilt als die kostbarste hebräische Handschrift der Staatsbibliothek (Cod.hebr. 95) und ist vollständig digitalisiert.
Quellentext
Bayerische Staatsbibliothek (Digitale Sammlungen) - Babylonischer Talmud (Buch) - BSB Cod.hebr. 95