Kreuzigung Christi, sog. "Brixener Kreuzigung". Tafelbild (Öltempera auf Zirbelholz), zugeschrieben Jakob von Seckau, Brixen um 1450. Aus dem ehem. Freisinger Priesterseminar. Diözesanmuseum Freising, P 225.
Die Darstellung von Juden in der christlichen, in erster Linie sakralen Kunst war bis in die Gegenwart hinein ambivalent: Einerseits beruht das monotheistische Christentum auf dem Alten Testament, dessen jüdischer Ursprung von keiner kirchlichen Autorität jemals in Frage gestellt wurde. Auch das Neue Testament ist im Glauben und der Kultur des Judentums fest verankert: Jesus und seine Verwandtschaft, sämtliche Apostel und frühen Anhänger waren fromme Juden. So opferte Maria nach der Geburt Jesu im Tempel von Jerusalem, um sich rituell zu reinigen (Mariä Lichtmess, 2. Februar), und Christus lehrte als Rabbiner in Synagogen über die Interpretation von Tora und Mischna: "Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat" (Mk 2,27).
Auf der anderen Seite wurden Juden mit der Ausbreitung des Christentums zum Feindbild. Im christlichen Antijudaismus stand "jüdisch" bestenfalls für verstockte Anhänger einer veralteten Glaubenshaltung: Der Bund Gottes mit dem Volk Israel sei mit dem Kreuzestod Jesu Christi durch den "Neuen Bund" abgelöst, dennoch verweigerten Juden durch ihre buchstäblichen Gesetzesglauben diese vermeintlich göttliche Gnade. "Unter Bezug auf die Evangelien und andere Schriften des Neuen Testaments – zunächst von Juden für andere Juden, dann für Nichtjuden verfasst – wurden Juden von der Kirche als die für die Kreuzigung Jeu verantwortlichen Gottesmörder, als Kinder des Satans und als ob ihres Unglaubens die Erlösung der Welt verhindernde Gruppe dargestellt" (Micha Brumlik). Das Evangelium des Matthäus enthält dann die später als Eingeständnis des Mordes gewertete Selbstverfluchung der Menge vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder" (Mt 27,25).
Die sog. "Brixener Kreuzigung" aus dem Diözesanmuseum Freising ist ein gutes und vielseitiges Beispiel für die Art, wie Juden in der christlichen Kunst des (ausgehenden) Mittelalters dargestellt wurden. Das Tafelbild kam 1864 als Schenkung an das Freisinger Priesterseminar und wurde ursprünglich für einen Sakralraum in Tirol angefertigt. Die Beliebtheit des sogenannten "volkreichen Kalvarienbergs" oder "Kreuzigung im Gedräng" im 15. Jahrhundert beruht vor allem darauf, dass eine möglichst realistische Schilderung des Leidens Christi möglich wurde, was einer wachsenden Passionsfrömmigkeit der Zeit entgegenkam. Der volkreiche Kalvarienberg bot aber auch die Gelegenheit, den Gekreuzigten über seine Peiniger zu erheben und ihn – in Hinblick auf die Eucharistieverehrung – symbolisch über eine bedrohliche Masse von Feinden zu erhöhen.
Die weiße Fahne auf der rechten Seite zeigt drei "Judenhüte". Es handelt sich hier um ein fiktives Hoheitszeichen und soll wohl das Wappen des Königs Herodes Antipas darstellen. Mittelalterliche Abbildungen stellen den "Judenhut" als halbkugelige oder konisch zulaufende, breitkrempige Kopfbedeckung mit einem Knauf auf dem Scheitel dar (lat. pileus cornutus = gehörnter Hut). Ab dem 11. Jahrhundert erscheint er in der europäischen Kunst (sowohl in christlichen wie jüdischen Malereien) und gehörte wohl bis ins 15. Jahrhundert als reales Kleidungsstück zur Tracht aschkenasischer Juden. Zu einem negativ besetzten Symbol wurde er erst mit dem IV. Laterankonzil von 1215, auf dem Papst Innozenz III. die zwangsweise Kennzeichen für Juden und "Sarazenen" (Muslimen) forderte, um sie besser vom öffentlichen Leben auszuschließen. So wurde die Kopfbedeckung zum stigmatisierenden Schandmal. In der mittelalterlichen christlichen Kunst wurden jüdische Figuren zumeist einseitig propagandistisch dargestellt, wobei der Judenhut als Attribut für sich genommen noch nichts negatives bedeuten muss.
Je nach dem ikonografischen Zusammenhang kann er die Dargestellten entweder neutral als Repräsentanten des Alten Bundes oder abwertend als Feinde Christi kennzeichnen: Es hängt wie so oft vom Kontext ab. Ungewiss bleibt, wie ein "Judenhut" in Wirklichkeit aussah und aus welchen Materialien er bestand. Die Kopfbedeckung unterlag in seiner Gestaltung einem zeitlichen Wandel und offensichtlich gab es auch verschiedene, als typisch empfundene Formen nebeneinander. Im späten 13. und 14. Jahrhundert konnte der Hut bei unterschiedlichen Krempenformen kalotten- oder flach bis spitzkegelförmig sein; sein wichtigstes Merkmal blieb jedoch sein charakteristisches "Horn", ein röhren- oder fingerförmig vom Scheitelpunkt des Hutes nach oben gehender Aufsatz, der zunehmend von einem runden Knauf abgeschlossen wurde.
Neben dem "Judenhut" sollten auch "Heidenhüte" die Fremdartigkeit nicht-christlicher Personen hervorheben: Spitz zulaufende oder eingerollte, teils grotesk geformte Kappen mit asiatisch anmutenden Dekorationen. Ein "Heidenhut" beruhte nur selten auf realen Vorbildern, ähnelt aber zumeist türkischen oder tatarischen Kappen. Während Chronisten und Künstler bei zeitgenössischen Bildmotiven oder allgemeinen Darstellungen von Juden den bereits erwähnten "Judenhut" bevorzugten, weil er ihrer Lebenswirklichkeit entsprach, tragen Charaktere aus vorchristlicher Zeit – der Antike, dem Alten und Neuen Testament – meistens, wenn auch nicht immer einen "Heidenhut".
Die Fahne ganz links korrespondiert in der Farbgebung mit dem "jüdischen Banner" rechts. Trotz des schlechten Erhaltungszustands ist der Schwanz eines (fabeltierartigen) schwarzen Skorpions zu erkennen. Der Skorpion war in der christlichen Kunst vom 14. bis ins 16. Jahrhundert das Symbol der Israeliten, frei nach dem Bibelwort: "Du aber, Mensch, fürchte dich nicht vor den Israeliten! […] Auch vor ihren Worten fürchte dich nicht. Sie werden dich verletzen wie Disteln und Dornen, ja, du wirst unter Skorpionen wohnen" (Ez 2,6). Gleichzeitig stand das Tier allegorisch für Falschheit, Heimtücke und seelische Verhärtung. Fahnen mit Skorpionen wehen daher nicht nur auf mittelalterlichen Abbildungen des Jerusalemer Tempels, sondern auch bei der Gefangennahme Jesu durch die Schergen der Hohepriester, bei seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus, auf dem Weg zur Richtstätte Golgatha und bei der Kreuzigung selbst. Der kleine schwarze Teufel im oberen Bildbereich hat mit Antijudaismus jedoch gar nichts zu tun, sondern bezieht sich auf das Lukasevangelium: Während der reuige Sünder zur Rechten erlöst wird, reißt der Dämon die Seele des verstockten Verbrechers, der noch im Sterben Christus verhöhnte, hinab in die Hölle (Luk 23,40-44).
(Patrick Charell)
- Harald Schlüter: "... damit man sij vur Jueden bekennen moege". Ein bisher kaum beachtetes ikonografisches Detail des Petersportals. In: Kölner Domblatt Jg. 88 (2023), S. 140-181.
- Christoph Kürzeder / Carmen Roll (Hg.) / Ronja Emmerich / Tobias Kunz (Bearb.): GOTIK. Mittelalterliche Bildwerke aus dem Diözesanmuseum Freising, Bd. 2. München 2022, S. 325-333.
- Ulrike Brinkmann / Rolf Lauer: Judendarstellungen im Kölner Dom. In: Bernd Wacker / Rolf lauer (Hg.): Der Kölner Dom und "die Juden". Sonderband des Kölner Domblatts. 2. überarb. Aufl. Köln 2018, S. 13-58.
- Sigrid Braunfels: Skorpion. In: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 4. Freiburg i. Br. 1972, S. 170f.
- Willehad Paul Eckert: Juden, Judentum. In: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2. Freiburg i. Br. 1970, S. 450-454.