Jüdisches Leben
in Bayern

1450: Vertreibung der Juden aus Landshut

Herzog Ludwig IX. von Niederbayern nimmt am 5. Oktober 1450 alle Juden in Landshut gefangen, erpresst ein hohes Lösegeld und verweist sie anschließend des Landes. In: Landshut Ratschronik, Bd. 1 (1439-1504). Verfasst von den Stadtschreibern Paulus und Alexander Mornauer sowie Hans Vetter. Stadtarchiv Landshut Band 1.

Vorbemerkung

Herzog Ludwig IX. von Niederbayern (reg. 1450-1479) beendete kurz nach seinem Regierungsantritt die bislang tolerante Judenpolitik seiner Vorgänger. Am 5. Oktober gab er einer alten Forderung seiner Residenzstadt Landshut nach und ließ die jüdische Gemeinde festsetzen, konfiszierte den Besitz und erklärte alle ausgestellten Schuldscheine für ungültig. Erst nachdem ein gewaltiges Lösegeld von 30.000 Gulden vereinbart wurde, kamen die jüdischen Geldhändler und ihre Familien wieder frei.

Binnen drei Tagen mussten sie die Stadt verlassen. Gleichzeitig wurden auch alle Juden aus dem Herzogtum vertrieben und eine Neuansiedelung verboten. Einige Familien ließen sich taufen, um im Land bleiben zu können, doch die meisten gingen nach Regensburg. Das Lösegeld trug nicht wenig zu den Kosten von Herzog Ludwigs prunkvoller Hochzeitsfeier im Jahr 1452 bei, auf der er eine Woche lang 22.000 Gäste und 9.000 Pferde versorgte.

Quellentext

Darnach an dem fünften Tag octobris, am Montag nach Francisci, des Morgen frueh, als der Tag hermerckt, da het meins Herrn Genadt Hertzog Ludwig ir Geschafft, all Juden zu vachen in seiner Gnaden Landt, Mann und Frauen, Jung und Alt, die wurden all gefangen und die Mann wurden gelagt in die Schergnstuben und die Frauen und die Künder in die Schuell, alß vil ir hie zu Landshuet waren, und also in Gefencknus gehalten, und ire Heuser wurden mit Huetter besetzt.

Danach am 5. Oktober, am Montag nach [dem Gedenktag des] heiligen Franziskus, am frühen Morgen bei Tagesanbruch, da hat mein gnädiger Herr Herzog Ludwig den Befehl gegeben, alle Juden in seiner Gnaden Land zu wecken, Männer und Frauen, Jung und Alt, die wurden alle gefangen und die Männer wurden in die Schergenstube gesperrt und die Frauen und Kinder in die Schule [Synagoge], als wie viele hier zu Landshut waren, und derart im Gefängnis gehalten, und ihre Häuser wurden mit Wachen besetzt.

Ir Guet an fremten Stetten funden, was Klainet, Parschaft, Gelt und Sylber was, des understundt sich unser baiter genädiger Herr und schueff all Rätt und Hoffgesündt, die in schuldig waren, umb ir schuld ganz ledig, und ir Brüef wider sonst all die in seiner Genaden Landt sassen, alles gesuechts ledig und zeleten den Juden nur das Haubguett, und was ain yeder ainem Juden an seiner Schuldt vorhin bezalt het, das wardt im an dem Haubtguett abzogen und beliben vill frommer Landsässn, Edl, Burger und Baurmann durch sollich seiner genaden Geschäft und loblich Tatt bey heuslichen Ehen, die sonst von heuslichen Ehrn ganz kommen wären.

Ihr Gut, das noch an anderen Orten gefunden wurde, was an Kleinoden, Barschaft, Geld und Silber da war, das beschlagnahmte unser Gnädiger Herr und erklärte alle [Stadt-]Räte und Höflinge für schuldenfrei, und die jüdischen Pfandbriefe aller Landsassen in seiner Gnaden Land für ungültig. Und man sollte den Juden nur das Hauptgut [die Schuldsumme] zurückzahlen, und was ein jeder einem Juden bereits für seine Schulden an Zinsen bezahlt hatte, das wurde ihm vom Hauptgut abgezogen und [dadurch] blieben viele fromme Landsassen, Edle, Bürger und Bauern durch solche Seiner Gnaden Geschäft und löblicher Tat bei seinen häuslichen Ehren [sie konnten Besitz und sozialen Status behalten], die sonst alle häuslichen Ehren verloren hätten.

Das wardt also bedeitignt und dar bey mer das die Juden all in seiner genaden landen sein genaden geben und bezallen muesten Zwey und zwainzig tausend Gulden und sonst anders mer achttausend und darzue all aus dem Landt, ausgenommen ain guietter Löstier, der belaib zu Landtshuet und durfft nit wuechern, er kam gein regenspurg und starb da nach Martini ado 1452. Es wardt auch dabei bedeitignt, das man iren hausrat wider gab und was sy an Puecher und andren Dingen in ir Schuel hetten, die müesten sy in dreyen tagen raumen, nachdem als sy aus der Gefenknus kommen, darinn sy bey vier Wochen gelegen waren.

Das wurde also zur Bedingung gemacht und dazu noch, dass die Juden in allen Seiner Gnaden Landen [d.h. im ganzen Herzogtum Niederbayern] geben und bezahlen müssten 22.000 Gulden und durch weiteres nochmals 8.000 Gulden und dazu alle aus dem Land [gehen müssen], ausgenommen ein guter Löstier [?], der blieb zu Landshut und durfte dort keinen Wucher treiben, er ging dann nach Regensburg und starb nach Martini [11. November] Anno Domini 1452. Es wurde auch dabei vereinbart, dass man ihren Hausrat wiedergab und was sie an Büchern und anderen Dingen in ihrer Schule hatten, die müssten sie binnen drei Tagen räumen, nachdem sie aus dem Gefängnis kamen, in dem sie rund vier Wochen gelegen waren.

Item liessen sich gar vil Juden und Jüdin und ire Künder in diesem Landt tauffen begerlich.

Außerdem ließen sich gar viele Juden, Männer und Frauen in diesem Land begierig taufen.

(Transkription aus: Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, Abt. II: Franken und Schwaben vom Frühmittelalter bis 1800, Bd. 4: Schwaben von 1268 bis 1803. Hg. v. Karl Bosl / Peter u. Renate Blickle. München 1979, S. 462 | Vorbemerkung und Edition von Patrick Charell)