Jüdisches Leben
in Bayern

1298: Bau des "Judenwalls" in Augsburg

Urkunde der jüdischen Gemeinde zu Augsburg, 23. August 1298. Stadtarchiv Augsburg, Reichsstadt, Urkundensammlung, Urkunde 00471-AUS-1298.



Vorbemerkung

Der "Judenwall" war ein Abschnitt der Augsburger Stadtmauer zwischen dem Klinkertor und dem Wertachbrucker Tor, nahe dem Chorherrenstift Heilig Kreuz. Während der Rintfleisch-Verfolgung 1298 blieb die jüdische Gemeinde geschützt und verpflichtete sich zum Dank, auf Höhe ihres Friedhofes im Nordwesten der Stadt einen Teil der Befestigungen neu zu errichten oder zu verstärken. Die Augsburger Juden übernahmen dabei lediglich die Finanzierung, während erfahrene Ingenieure die eigentlichen Bauarbeiten ausführten.

Die jüdische Gemeinde wurde 1438 ausgewiesen und ihr Friedhof in späteren Jahren abgetragen. Auf seinem Grund entstand die vorgelagerte, mit Kanonen bewehrte "Judenbastion". Wall und Bastion wurden erst 1891 endgültig abgetragen, doch einige Reste haben sich in der Stützmauer erhalten, die unterhalb Peutinger-Gymnasiums das Gefälle zwischen der Straße "An der Blauen Kappe" und dem Curt-Frenzel-Park ausgleicht.

Quellentext

Wir Benditte, der Sohn Jüdlins, Michel, Lambt, sein Bruder Aaron, Osterman, Joseph von Donauwörth, sein Sohn Mosman, Joseph von Biberach und sein Schwiegersohn Maus, die Liebermännin und ihr Sohn Seligman, Chöwellin von Friedberg, Joseph von Mühlstetten, Jäcklin und die Gemeinde der Juden in der Stadt Augsburg, sie seien genannt oder nicht, Arme und Reiche, tun kund all denen, die diese Urkunde lesen, hören oder sehen, dass wir wegen solcher Huld, Ehre und Treue, die uns die ehrsamen Ratsherren und die Gemeinde der Stadt Augsburg angedeihen ließen, weil sie uns kein Leid angetan haben und keine ungerechte Gewalt gegen uns zugelassen haben, ihnen vertrauen, dass sie ihre Liebenswürdigkeit und ihr ehrenhaftes Benehmen uns gegenüber bewahren mit der Hilfe unseres Herrn König Albrechts, des römischen Königs, und dass wir versprochen haben, ungebeten und freiwillig, aus eigenem Verlangen und Willen, dass wir der Stadt zur Ehre und zum Nutzen, und dem Reich zu Diensten eine Mauer errichten wollen vor unserem Friedhof von der Stadtmauer bei Heilig Kreuz hinaus bis zu dem Graben, in vier Jahren, in der Höhe und Dicke, die uns die gelehrten Leute, Herr Hartman der Langemantel und Herr Cunrat der Lange zeigen, die uns dafür als Pfleger gegeben sind.

Dies haben wir gelobt mit unserem eidesstattlichen Versprechen, unsere Männer und Frauen, Junge und Alte, Arme und Reiche, Herrn Hartman dem Langemantel und Herrn Cunrat dem Langen, stellvertretend für die Ratsherren und die Gemeinde, und haben ihnen dafür unsere Synagoge und alles, was die Gemeinde der Juden in der Stadt besitzt, als entsprechendes Pfand eingesetzt: falls wir den Bau nicht in der oben genannten Zeit fertigstellen, so haben die Ratsherren und die Gemeinde der Stadt die Vollmacht, den Bau zu vollenden von unserem Besitz und ganz auf unsere Kosten. Sollten einige unserer Glaubensbrüder von hier wegziehen, sollen sie zu dem Bau beitragen, bevor sie abreisen, wie sie es angezeigt haben. Dazu sollen uns der Vogt, die Ratsherren und die Gemeinde der Stadt behilflich sein. Kommen noch mehr Juden, unsere Glaubensgenossen, hierher, so sollen sie auch zu dem Bau beitragen, jeder nach seinen Möglichkeiten.

So erklären wir, die Ratsherren und auch die Bürger der Stadt, dass wir den Juden versprochen haben mit unserem Wort, dass wir sie mit der Hilfe unseres Herren König Albrechts, des römischen Königs und seines Vogtes, wer auch immer dies ist, getreulich beschützen sollen vor Unrecht und Gewalt. Damit dies nicht vergessen wird, ist diese Urkunde gesiegelt und bekräftigt worden mit dem Siegel der Stadt Augsburg und unserem Siegel, die beide daran hängen. Als dies geschah, waren es seit Christi Geburt zwölfhundert Jahre in dem achtundneunzigsten Jahr am Abend des heiligen Bartholomäus.

(Vorbemerkung und Transkription von Pater Augustin Renner OSB)