Jüdisches Leben
in Bayern

1266: Herzoglicher Judenschutz für Augsburg

König Konradin von Sizilien, Herzog von Schwaben, erlässt der jüdischen Gemeinde von Augsburg auf fünf Jahre die Schutzgelder und überträgt das Judenregal an die Stadtgemeinde. Augsburg, 30. November 1266. Aus: Monumenta Boica 30,1: Diplomata Imperatorum Authentica. Diplomata Falsa et Rescriptia. Authentica episcopatis Patavienis, München 1834, S. 356-359 Nr. 816.

Vorbemerkung

Konrad (1252-1268), in Deutschland besser bekannt als Konradin, war der letzte legitime männliche Erbe aus der Dynastie der Staufer. Weil sein Vater, der römisch-deutsche König Konrad IV., im Jahr 1254 verstorben war, wuchs Konradin am Hofe seines Onkels Herzog Ludwig dem Strengen auf, der zwischen München und Heidelberg pendelte. Das römisch-deutsche Königtum oder gar der Kaisertitel blieb für den Knaben unerreichbar. Durch sein Erbe war er jedoch König von Sizilien und Herzog von Schwaben. Der Titel eines "Königs von Jerusalem" hatte hingegen nach dem Untergang der Kreuzfahrerstaaten nur noch symbolische Bedeutung.

Konradin war seit 1262 mehrmals nach Augsburg gekommen und bestätigte der Stadt die bislang erworbenen Privilegien. 1266 machte er seine Ansprüche auf die Vogtei über das Hochstift Augsburg geltend. Im selben Jahr verzichtete Konradin gegen eine Vorauszahlung für fünf Jahre auf seinen Anteil an den Schutzgeldern der jüdischen Gemeinde von Augsburg (die andere Hälfte stand dem Augsburger Bischof zu). Gleichzeitig unterstellte sie Konradin ausdrücklich dem Schutz der Bürgerschaft, auf dessen Einhaltung sein Vogt und die Ratsherren achten sollten.

Der jugendliche Herrscher brauchte für einen Feldzug schnelles Geld und musste möglichst geordnete Verhältnisse hinterlassen: Prinz Karl von Anjou (reg. 1266-1285) hatte die Herrschaft der Staufer in Süditalien an sich gerissen und Konradin wollte das Land zurückerobern. Er wurde jedoch gefangen genommen und 1268 in Neapel hingerichtet. Kurz vor seiner Abreise hatte Konradin die Augsburger Vogtei an Herzog Ludwig den Strengen verpfändet. Bischof Hartmann konnte zwar verhindern, dass die Vogtei an Bayern fiel, musste aber hinnehmen, dass sie der neu gewählte König Rudolf I. von Habsburg (1271-1291) an sich zog. Mit dem Habsburger begann eine neue Ära in der Weltgeschichte, die sich bis 1918 erstrecken sollte.

Quellentext

Conradus secundus die gratia Jerusalem et Sicilie Rex Dux Swevie Unievrsis presentium Inspectoribus Salutem et omne bonum.

Konrad II. von Gottes Gnaden König von Jerusalem und Sizilien, Herzog von Schwaben entbietet der allgemeinen Leserschaft dieses Schreibens Gesundheit und alles Gute.

Quanto igitur maiora et clariora servicia cum omni fidelitate et devotione fideles et devoti nostri Cives Augustenses divis progenitoribus nostris exhibuerunt et nobis exhibent frequenter tanto ampliori gratie nostre prerogative et honoris exhibitione Cives ipsos gratanter debemus honorare favere et promovere. Eapropter notum esse cupimus universis quod nos ex rationabili petitione dictorum fidelium civium nostrorum Iudeis nostris spectantibus ad Cameram Magestatis nostre nunc residentibus cum ipsis in Augusta hanc fecimus gratiam specialem:

Bei all der Treue und Hingabe, die unsere loyalen und frommen Bürger von Augsburg unseren gottgefälligen Vorfahren entgegenbrachten, und die sie Uns mit noch größerer Anmut und Ehrsamkeit durch wie viel größere und glorreichere Dienste immer wieder erweisen, müssen Wir sie dankbar ehren und die Bürgerschaft nun selbst fördern. So möchten Wir denn allen mitteilen, dass wir auf die begründete Bitte Unserer besagten treuen Bürgerschaft hin Unseren Juden, die Unserer Majestät Kammer unterstehen, welche jetzt bei ihnen in Augsburg leben, diese besondere Gnade getan haben:

Omnibus enim serviciis, quibus nobis ex debito iuris ipsi Iudei sunt obligati conditione subscripta usque ad diem proximum sancti Georgii Martyris et abinde per annos quinque continuos damus et reddimus penitus solutos. Pro hac igitur ipsis exhibitione gratie nostre pretaxate Anno primo Memorai Iudei Triginta libras denariorum Augustensium nobis persolverunt et de residuis quatuor annis, quolibet anno decem libras denariorum Augustensium, in die Sancti Gregorii.

Wir erlassen alle rechtmäßigen Abgaben, zu denen Uns jene Juden laut den festgelegten Bedingungen bis zum Tage nach dem Hochfest des Hl. Georg gesetzmäßig verpflichtet sind, und von da an für die fünf aufeinanderfolgenden Jahre. Für diesen Beweis Unserer Huld haben sie für das erste besagte Jahr dreißig Pfund Augsburger Pfennige bezahlt, und für die verbleibenden vier Jahre zahlen sie jeweils zehn Pfund Augsburger Pfennige zum Festtag des Hl. Georg.

Camere nostre similiter component et ulterius magis servicium nullatenus ab ipsis dum ad tempus predictum requirere volumus et debemus insuper si Iudei extranei cum residentia postmodum se receperint in Augusta arbitrio fidelium et devotorum nostrorum videlicet Chunradi dicti Hurnloher et Ulrici dicti Claindienst Civium, Davydis et Liebermani Iudeorum conmisimus quotunque, Iudeos eosdem servicium exhibere nostro Culmini decreverint erimus et debemus contradictione qualibet semota contenti et amplius Ipsos ad tempus sepedictum ad maiora servicia compellere non valemus. Si unus autem illorum quatuor virorum quocunque casu postulante defuerit, alij tres superstantes alterum sibi pro arbitrio iposrum sine dolo malo substituent.

Ebenso gehören fremde Juden zu Unserer Kammer [unterstehen dem königlichen Schutz], wenn sie sich später auf Beschluss Unserer Frommen und Ergebenen zu Augsburg ihren Wohnsitz genommen haben, und Wir wollen und dürfen für die vorgenannte Zeit keinerlei Dienste von ihnen verlangen. Wenn fremde Juden ihren Aufenthalt in Augsburg nehmen, so obliegt es darüber hinaus unseren Frommen und Ergebenen selbst zu entscheiden, wie viel dieselben an Abgaben für unsere Kammer entrichten sollen. Wir beauftragen hierzu für die Bürgerschaft den Konrad genannt Hurnloher und Ulrich genannt Kleindienst und für die Judenschaft den David und den Lieberman, und wir müssen uns mit jedem Widerspruch zufrieden geben und können ihnen für diese Zeit auch keine höheren Schutzzahlungen auferlegen. Und sollte einer dieser vier Männer zufällig bei der Entscheidungsfindung abwesend sein, so wählen die drei verbliebenen nach eigenem Ermessen einen wohl beleumdeten Vertreter aus ihren Reihen.

Nos etiam omnes Judeos, In Augusta residentes et illuc venientes ad prenotatum spacium ad maiorem ipsis securitatem tuicionis et defensionis nostre celsitudinis, advocato nostro Magistro Civium Consulibus et Communitatis totius Civitatis Auguste conmisimus. Rogamus ipsos et sub optentu gratie nostre firmiter precipimus Judeos contra quaslibet violentias et ipsorum invasores et iniuratores ac si aliquis eos contra promissum nostrum ex parte nostra aggravare presumpserit, fideliter ac devote sub nostro nomine debebunt defensare. Significamus igitur universis presentibus, et confitemur nos ipis inviolabiliter et illibata conservare supradicta.

Außerdem beauftragen wir Unseren Vogt, den Bürgermeister, die Ratsversammlung und die ganze Kommune der Stadt Augsburg mit der Gewährleistung größter Sicherheit sämtlicher Juden, die in Augsburg leben oder in jenen besagten Orte kommen sollten, und die Achtung Unserer Majestät. Wir bitten und befehlen ernstlich jenen, die auf Unser Wohlwollen hoffen, die Juden gegen jede Gewalt, gegen Invasoren und Angreifer zu schirmen, und wenn irgendjemand es wagt, sie entgegen Unserem Versprechen zu beleidigen, so müssen sie sie entschlossen und treu in Unserem Namen verteidigen.

Ne igitur elapse temporis scrupulous aliquis dubutationis valeat ac possit in premissis suboriri presens inde confectum devotis nostris Civibus Augustensibus Sigillo nostril culminis et dilectorum fidelium nostrorum Hainrici Camerarii de Ravenspruch, Volchmari de Choemnata Hermanni de Haegniberch, Et Hainrici de Isolsried, de quorum prudenti Consilio omnia prenotata fideliter cum devotione sunt ordinate, dedimus et fecimus conmuniri Actum et Datum Auguste Anno domini. M°. CC°. Lxvj°. Pridie Kalendas decembris.

Also verkünden Wir es allen Anwesenden und bekennen, dass Wir das oben angeführte unantastbar und ungeschmälert bewahren wollen. Damit nicht im Laufe der Zeit ein Gewissenhafter daran Zweifel hegen möchte, haben wir daher für Unsere Getreuen in der Stadt Augsburg dieses gegeben und allgemein mitgeteilt durch Unser höchstes Siegel und [jene] unserer geschätzten Vertrauten, des Kämmerers Heinrich von Ravensburg, Volkmars von Kemnaten, Hermanns von Hegnenberg und Heinrichs von Isoldsried, dank deren umsichtigem Rat alle oben genannten Dinge treu und gewissenhaft angeordnet sind. Geschrieben und Gegeben in den Mauern der Stadt Augsburg im Jahre des Herrn 1266, am Tage vor den Kalenden des Dezembers [30. November 1266].

(Vorbemerkung und Übersetzung von Patrick Charell)