Beschluss der Bamberger Synagoge unter Bischof Heinrich III. Groß von Trockau, dass Juden ein Abzeichen an ihrer Kleidung tragen müssen. Aus: Statuta Synodalia In Synodo publica per Reverendissimu[m] In [christ]o patrem et d[omi]n[u]m d[omi]n[u]m Heinricum dei gracia Ep[iscopu]m Bambergen[sem] [...]. Bamberg, [19. Mai] 1491, fol 2r u. 6r/v. Staatsbibliothek Bamberg, 22/RB.Inc.typ.P.2.
Vorbemerkung
Im Konzil von Basel 1431-1449 konnte sich die Autorität des Papstes in der Kirche noch einmal durchsetzen; Ansätze einer kollegialeren, mehr föderativen Ordnung in der Konzilsbewegung wurden unterdrückt. Ein weiteres großes Thema war die Abwehr der Hussiten, einer reformatorischen Bewegung aus Böhmen. Gleichzeitig fasste man auf dem Konzil wichtige Reformansätze, die der zusehenden Verweltlichung der Kirche entgegenwirken sollten. Zur Durchsetzung der Baseler Beschlüsse sollte in allen Bistümern jährlich eine Synode (bedeutungsgleich mit Konzil) stattfinden, also eine Versammlung aller führenden Geistlichen sowie hochrangiger Laien unter dem Vorsitz des Bischofs. Auf diesen Synoden wurde das allgemeine Kirchenrecht anhand der Situation vor Ort diskutiert und wenn nötig durch praktische Verordnungen ergänzt.
Fürstbischof Heinrich III. Groß von Trockau (reg. 1487-1501) entstammte einem fränkischen Uradelsgeschlecht. Am bekanntesten ist er in Bamberg für die Umbauung der Alten Hofhaltung, die sein Wappen trägt. Außerdem gab er bei Tilman Riemenschneider ein neues Grabmal für das Heilige Kaiserpaar Kunigunde und Heinrich in Auftrag. Bischof Heinrich III.führte die antijüdische Politik seines Vorgängers weiter. In seiner Amtszeit lebten keine Juden in der Stadt Bamberg selbst, und auf die Schutzjuden der Reichsritterschaft hatte er keinen direkten Einfluss. Dennoch sah sich der Bischof zu neuen Diskriminierungen und weitreichenden Einschränkungen veranlasst. In den gedruckten Beschlüssen wird die niedrige soziale Stellung der Juden bereits durch ihre Platzierung zwischen den blasphemischen Themen "Simonie" und "Ketzerei" verdeutlicht.
Das hier verwendete spätmittelalterliche Latein unterscheidet sich von der klassischen Schreibweise durch die Endungen "e" statt "ae" oder "oe". Der dicht gesetzte Druck hat fast keine Zeilenumbrüche, die einzelnen Sinneinheiten werden durch das Alinea-Zeichen "⸿" gegliedert. Im ersten Abschnitt "Über die Juden" ist das sinnentstellende Wort "prohibemus" entweder ein Druckfehler oder ein Freud´scher Verschreiber: Wenn Juden ohnehin verboten werden soll, in den Städten und Ortschaften des Hochstifts zu wohnen, brauchen sie auch keine Kennzeichnung. In einer zweiten Version (BSB, München 2 Conc.c. 55-5) steht an dieser Stelle das passendere "videmus". Alle diese charakteristischen Besonderheiten erschweren zwar die Lesbarkeit der Quelle, wurden jedoch zur Bewahrung ihrer Authentizität beibehalten.
Quellentext
[...] In hac Synodo nostra vestigiis predecesssorum nostrorum inherendo. Constitutionique super synodo celebranda in Concilio Basiliensi edite satisfaciendo. Quasdam constitutiones et ordinationes ac certa statuta cum quibusdam additionibus correctionibus et declarationibus simul collectis vestre dirigimus caritati tenoris subsequentis. Vobisque et vestrum cuilibet auctoritate dei omnipotentis mandamus. Ut ipsa statuta in virtute sancte obedientie firmiter et fideliter observare studeatis. Inhibemus quoque sub pena excommunicationis Ne aliquo alio opusculo preter presens pro statatis [sic! eigentlich: statutis] nostris synodalibus utamini quoquomodo. […]
Auf dieser unserer Synode, die den Spuren unserer Vorgänger folgt, und um der Konstitution "Über die Abhaltung einer Synode", die auf dem Konzil von Basel erlassen wurde, zu genügen, schicken wir diese Konstitutionen, Anordnungen und beschlossenen Statuten, zugleich mit etlichen Ergänzungen, Verbesserungen und Erläuterungen verbunden, an euer Lieben mit folgendem Inhalt: Euch und jedem der Eurigen befehlen wir durch die Autorität des allmächtigen Gottes, dass ihr bestrebt seid, die Statuten selbst in der Tugend des heiligen Gehorsams beharrlich und treu zu befolgen. Wir untersagen auch unter der Strafe der Exkommunikation, dass ihr irgendeine andere Schrift außer der vorliegenden in irgendeiner Weise anstelle der Statuten unserer Synode verwendet.
De Judeis
Statuendo precipimus ut in universis civitate, opidis, castris et villis nostris gens iudeorum quam habitare in nostris dominiis prohibemus [sic! eigentlich: videmus] etiam utriusque sexus talia signa et habitum quibus seu per que sine qualibet ambiguitate a christiano populo distinguatur sibi eligat et deferat manifeste.
Über die Juden
Mittels einer Anordnung befehlen wir, dass in unserer Bischofsstadt und allen Städten, befestigten Orten und Weilern das Volk der Juden, welches wir in unserem Herrschaftsbereich wohnen sehen, auch beiderlei Geschlechts, solche Zeichen und Tracht, womit und durch welche es ohne jede Zweideutigkeit vom christlichen Volk unterschieden werden kann, sich auswählt und offen anzeigt.
⸿ Judei etiam mancipia christiana prorsus dimittant. Alioquin cum omnibus locis ubi iudei dicto statuto obedire nolentes habitare vel domicilia obtinere noscuntur in penam christianorum potentum tamdiu cessent ab officiis divinorum donec per nos predicta gens misera et perfida ad observationem premissorum omnium compellatur.
Die Juden mögen auch christliche Dienerschaft ganz und gar entlassen. Andernfalls mögen sie mit allen Orten, wo die Juden, die dem genannten Statut nicht gehorchen wollen, bekanntermaßen wohnen oder ihren Wohnsitz haben, zur Strafe der mächtigen Christen so lange von den Gottesdiensten Abstand nehmen, bis durch uns das genannte elende und untreue Volk zur Beachtung alles Vorausgeschickten gezwungen wird.
⸿ Ipsi autem iudei per nos indirecte per subtractionem communionis fidelium excommunicationis sententia expellantur. Si quis vero de gente prefata in die parasceves visus fuerit in platea, vel per ostium domus sue prospicere vel per fenestras, ad quod probandum duorum christianorum stabitur iuramento. Nobis et prefecto vel advocato loci ubi hoc fieri continget in marcha argenti pene nomine teneatur, ad cuius solutionem et omnes defendentes eum per excommunicationis sententiam compellemus. Et ne quis christianus huius statuti ignorantiam valeat allegare, universis ecclesiarum rectoribus per civitatem et dyocesin nostras constitutis in quorum parrochiis iudeos morari continget sub pena excommunicationis late sententiae praecipimus firmiter et districte ut quilibet in sua parrochia singulis diebus dominicis singulorum quatuor temporum immediate sequentibus infra missarum solemnia publice prefatum nostrum statutum lingua materna exponere non omittat.
Die Juden selbst aber mögen durch uns auf dem Umweg durch die Wegnahme der Kommunion der Gläubigen mit der Strafe der Exkommunikation vertrieben werden. Wenn aber einer aus dem erwähnten Volk am Karfreitag auf der Gasse gesehen wird, oder dass er durch die Tür seines Hauses blickt oder durch die Fenster, welches zu beweisen durch den Eid zweier Christen festgestellt wird, möge er durch uns und den Burggrafen oder den Advokaten des Ortes, wo sich dies ereignet, zu einer Mark Silber als Strafe verpflichtet sein. Zu deren Bezahlung verpflichten wir auch alle, die ihn verteidigen, durch die Strafe der Exkommunikation. Und damit kein Christ in der Lage ist, sich auf die Unkenntnis dieses Statuts zu berufen, befehlen wir allen Kirchenrektoren, die in unserer Stadt und unserer Diözese bestellt sind und in deren Pfarreien sich Juden aufhalten, bei der Strafe der Exkommunikation als Tatstrafe beharrlich und streng, dass keiner es unterlässt, in seiner Pfarrei an den einzelnen Sonntagen, die unmittelbar den Quatembern folgen, innerhalb der Messe öffentlich unser genanntes Statut in der Muttersprache zu erläutern.
Cum iudaeis sint prohibita et interdicta mancipia christiana volumus et praecipimus ut plebani et alii rectores ecclesiarum ubi sint domicilia eorum diebus dominicis omnes de fide catholica iudeorum nutrices et servientes denuncient excommunicatione ligatos. Excommunicatos etiam denuncient omnes alios christianos qui apud iudeos pecuniam suam locant aut a iudeis usuram recipiant vel ut iudei eandem pecuniam mutuent ad usuram. Si vero sacramentum ante domus iudeorum deferri contigerit ipsi iudei audito sonitu previo intra domos suas se recipiant et fenestras ac ostia sua claudant. Hoc etiam in quolibet die parasceves per rectores ecclesiarum facere compellantur.
Da den Juden christliche Dienerschaft verboten und untersagt ist, wollen wir und befehlen wir, dass die Leutpriester und die anderen Kirchenrektoren, wo deren Niederlassungen sind, an den Sonntagen verkünden, dass alle Christen, die Ammen oder Diener der Juden sind, mit der Exkommunikation gebunden sind. Sie mögen auch verkünden, dass alle anderen Christen exkommuniziert sind, die bei den Juden ihr Geld auf Zinsen ausleihen oder von den Juden Zins nehmen oder wie die Juden Geld gegen Zins verleihen. Wenn aber das Altarsakrament vor den Häusern der Juden vorbeigetragen wird, mögen die Juden, sobald sie den vorausgehenden Klang gehört haben, sich in ihre Häuser zurückziehen und die Fenster und ihre Türen schließen. Sie mögen auch durch die Kirchenrektoren gezwungen werden, dies an jedem Freitag zu tun.
⸿ Nec presumant de fide catholica iudei cum simplicibus disputare. ⸿ Nec christianos in iudaismum alliciant, aut aliquem ausu temerario circumcidant. ⸿ Nec filios aut uxores iudeorum ad viam christianorum venientium et suscipientium audeant detinere. ⸿ Nec christianos infirmos visitent vel circa ipsos quovis modo opera medicine exerceant.
Und die Juden mögen sich nicht herausnehmen, über den katholischen Glauben mit schlichten Leuten zu diskutieren. Und sie mögen die Christen nicht zum Judaismus verführen, oder irgendjemand in einem unüberlegten Unternehmen beschneiden. Und sie mögen es nicht wagen, Kinder oder Frauen der Juden, die auf den christlichen Weg kommen oder dies unternehmen, davon abzuhalten. Und sie mögen nicht christliche Kranke besuchen oder um sie herum in irgendeiner Weise Tätigkeiten der Medizin ausüben.
(Edition von Christoph Paulus | Patrick Charell | Lektorat und Übersetzung von Augustin Renner OSB)