"Daz die von Munchen haben die recht zu den juden, die die von Augspurg haben". München, 21. Juli 1315. Aus: Denkmäler des Münchner Stadtrechts, Bd. 1: 1158-1403. Bearb v. Pius Dirr, Hg. f. d. Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1934 (= Bayerische Rechtsquellen 1), S. 81f.
Vorbemerkung
Wohl im Jahr 1281 wurde in der Burg zu München ein Herzogssohn namens Ludwig geboren. Später stieg dieser Wittelsbacher als "Ludovicus Bavarus", Ludwig IV. der Bayer (reg. 1314-1347), zum römisch-deutschen König und Kaiser auf. Er bewahrte sich zeitlebens eine Vorliebe für seinen Geburtsort, ließ die Hofhaltung ausbauen und dort die Reichsinsignien aufbewahren. München wurde erstmals ein wichtiger kultureller wie diplomatischer Knotenpunkt.
Kurz nach seiner Krönung gewährte König Ludwig der Münchner Bürgerschaft, die Vorschriften aus dem Augsburger Stadtrecht für die jüdische Bevölkerung zu übernehmen. Ausdrücklich betonte er dabei, dass auch die Juden ihrer Rechte und Privilegien sicher sein sollten. Das Münchner Judenrecht von 1315 gehört damit zu einer Reihe von Maßnahmen, mit denen Ludwig IV. nachhaltig die Entwicklung der Stadt fördern wollte: Verschärfte Bauvorschriften 1327, Salzhandelsprivileg 1332, zweiter Mauerring bis 1337, Rechtsbuch 1340. Mit der Formulierung "zu München und auf dem Land" ist hier übrigens der Münchner Burgfrieden gemeint, also jenes Gebiet außerhalb der Mauern, das noch zum Hoheits- und Gerichtsbezirk der Stadt gehörte.
"Um das Jahr 1300 vollzog sich [im Kanzlei- und Urkundenwesen] ein tiefgreifender Wandel, der sich schon seit zwei Generationen angebahnt hatte. Die Volkssprache Deutsch löste als Urkundensprache das bisher allein gebrauchte Latein ab" (Joachim Wild). Der Aufbau entspricht dennoch dem idealtypischen Muster mittelalterlicher Königsurkunden. 1. Protokoll: Einer Intitulatio (Name und Titel des Ausstellers) folgt die Inscriptio (Nennung des Empfänger). 2. Kontext: Die Narratio beschreibt den konkreten Umstand, der zur Abfassung der Urkunde führte. Anschließend kommen Dispositio (der eigentliche Rechtsinhalt), sowie Corroboratio (Beglaubigung, Siegelbefehl). 3. Eschatokoll: Eine Datierung nennt Zeit und Ort des Rechtsgeschäfts und der Ausstellung der Urkunde.
Quellentext
Wir Ludweich von gotes gnaden Römischer chünik ein staeiter merer dez reiches verjehen und tuon chünt allen den, die disen brief ansehent oder hörent lesen, daz wir angesehen haben die getriwen und manigvaltig dienst, die uns getan habent unser lieb burger ze München, und haben in und dem lande diu besunder gnad getan und diu reht geben, daz wir wellen, daz si und auch daz lant alleu und igsleicheu reht haben hintz den juden ze München, diu Augspurger burger habent hintz den juden, die bei in in der stat gesezzen sint, und daz die juden herwider gen den burgern ze München und auch auf dem land haben alleu diu reht, diu si ze Augspurch in der stat gen den burgern habent.
Wir Ludwig, von Gottes Gnaden Römischer König, ein steter Mehrer des Reiches, versehen und tun Kund allen jenen, die diesen Brief lesen oder vorgelesen bekommen:
Dass Wir angesichts der getreuen und mannigfaltigen Dienste, welche Uns Unsere lieben Bürger zu München erwiesen haben, ihnen und dem Lande dies besondere Gnade getan und dies Recht gegeben haben, dass Wir wollen, dass sie und auch das Land alles und gleiches Recht haben bezüglich der Juden zu München, wie es die Augsburger Bürger haben bezüglich der Juden, die bei ihnen in der Stadt ansässig sind. Und dass wiederum die Juden gegenüber den Bürgern zu München und auch auf dem Land alle Rechte haben, die sie zu Augsburg in der Stadt gegenüber der Bürgerschaft haben.
Wir wellen auch, swaz hantfest die juden ze München von uns, von unserm bruoder oder von unsern vordern habent, daran in sogtaneu gnad und reht verschriben sint, diu wider christenleichew reht sint, daz die alle ab sein und dehain chraft mer haben.
Wir wollen auch: Was die Juden zu München an Handfesten von uns, unserem Bruder [Rudolf I. von der Pfalz, Mitherzog von Oberbayern 1294–1317] oder von unseren Vorfahren [erhalten] haben, darin solcherlei Gnaden und Recht verschrieben sind, die wider dem Recht der Christenleute verlaufen, dass diese alle abgeschafft seien und keine Kraft mehr haben.
Daz in diu vorgeschriben gnad staeit und unzerbrochen beleibe, darüber ze einem urchünd geben wir in disen brief mit unserm insigel versigelten und gevestent, der geben ist ze München, do man zalt von Christes geburt drewzehenhundert jar darnach in dem fuemfzehentem jar, dez naeichsten maeintages vor sant Jacobs tak, in dem ersten jar unsers reiches.
Dass die hier vorgeschriebene Gnade dauerhaft und ungebrochen bleibe, darauf geben Wir diesen Brief, beurkundet mit Unserem angehängten Siegel. Ausgestellt zu München, da man zählt von Christi Geburt dreizehnhundert Jahr darnach in dem fünfzehnten Jahr, am Montag vor Jacobi [21. Juli 1315], in dem ersten Jahr Unserer Herrschaft.
(Transkription nach Pius Dirr | Vorbemerkung und Edition von Patrick Charell)