Jüdisches Leben
in Bayern

1355: Schutzjuden in Mergentheim

Erlaubnis Kaiser Karls IV. für die Deutschherren zu Mergentheim, fünf Schutzjuden aufzunehmen. Nürnberg, 18. Dezember 1355. In: Monumenta Germaniae Historica (MGH) Const. 11,4, Nr. 630, S. 354f.

Vorbemerkung

Kaiser Karl IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger gilt als einer der glanzvollsten Herrscher des Spätmittelalters. Bereits im Jahr 1346 wählte man ihn zum römisch-deutschen Gegenkönig Ludwigs IV. des Bayern (reg. 1314-1347), er folgte seinem Vater 1347 als König von Böhmen nach und wurde 1355 zum Kaiser gesalbt. Während der grausamen Pestpogrome 1348/49 beschützte Karl zwar die jüdischen Gemeinden in seinen direkten Herrschaftsgebieten, duldete und bereicherte sich andererseits an der Vernichtung vieler jüdischer Gemeinden im Reich.

Dass für ihn Juden in erster Linie eine Einkommensquelle waren, belegt die vorliegende Urkunde: Als besonderes Privileg bestätigte Karl der Deutschordenskommende Mergentheim ein (jederzeit widerrufbares) Recht auf fünf zahlende Schutzjuden, welches ihnen bereits Ludwig der Bayer am 24. Oktober 1341 mit identischem Wortlaut in Landshut verliehen hatte (MGH Const. 7, 2, Nr. 957, S. 188f.).

Der militärische Deutschen Orden – auch Deutschherrenorden, Deutschritterorden oder Deutschorden genannt – war ein Ritterorden, der 1199 im Heiligen Land gegründet wurde und später seinen Schwerpunkt im Baltikum hatte. Seit dem 13. Jahrhundert teilte sich sein umfangreicher Landbesitz in "Balleien" auf (Ordensprovinzen), die sich wiederum in Kommenden (Niederlassungen) gliederten und von einem Landkomtur verwaltet wurden.

Mergentheim (heute Baden-Württemberg) wurde 1219 zur Ordenskommende, doch der Hauptort der großen Ballei Franken, zu der auch Ordensbesitzungen in Altbayern und Schwaben gehörten, blieb Ellingen. Erst ab 1526 residierten die Hochmeister der Deutschritter in Mergentheim. 1789 wurde auch der Sitz der Ballei Franken dorthin verlegt.

Quellentext

Wir Karl von gots gnaden Romischer keiser zu allen zeiten merer dez reichs und künig zu Beheim bekennen und tün kunt offenlich mit diesem brief allen den, die in sehen oder hóren lesen, daz wir den geistlichen, dem komentür und dem hüs gemeinlichen der Teutzschen herren zu Mergentheim, unsern lieben dymütigen, durch besundir gnade und gunst, die wir in tragen, und ouch durch der dienst willen, die sie uns getan habent und noch teglich tün, die gnade getan und tün auch mit diesem briefe, daz sie fumf séshaft Juden mit allem irem hausgesinde und mit allen rechten, eren und diensten, die davon gevallen muge, zu Mergentheim haben und enthalten süllen als lang biz an unsir oder unsirer nachkomen willen und widerrüffen.

Wir Karl von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches und König zu Böhmen, bekennen mit diesem Brief und tun öffentlich Kund allen jenen, die diesen Brief lesen oder vorgelesen bekommen: Dass wir den Geistlichen, dem Komtur und der der Deutschherren zu Mergentheim, unseren lieben Demütigen, durch besondere Gnade und Gunst, die wir ihnen entgegenbringen, und auch um der Dienste Willen, die sie für Uns getan und noch täglich tun, die Gnade erwiesen haben und auch mit diesem Briefe tun, dass sie fünf sesshafte Juden mit ihrem Hausgesinde und mit allen Rechten, Ehren und Diensten, die sich daraus ableiten mögen, zu Mergentheim haben und enthalten sollen, so lange bis zu Unserem oder Unserer Nachkommen Willen und Widerruf. 

Swann ouch wir oder unsir nachkomen diese unsir gnade widerrüffen, so süllen si die obgenanten Juden dornach vier wochen haben und halten, daz sie die in der frist an ir gewarheit desterbaz füren und bringen mügen. Und dez ze urkunde geben wir in diesen brief versigelt mit unserm keiserlichem insigel.

Und falls Wir oder Unsere Nachkommen diese Unsere Gnade widerrufen sollten, so sollen sie, die obengenannten Juden, danach vier Wochen haben und [er-]halten, dass sie sich dahingehend innerhalb der Frist in Sicherheit führen und bringen mögen. Und dies zur Urkunde geben wir in diesem Brief versiegelt mit Unserem kaiserlichen Siegel.

Der geben ist zu Nuremberg nach Crists gebürte dreuczenhundert jar dornach in dem fumf und fümfezigstem jar an dem nechsten freitag vor santh Thomas tag, unsirer reich in dem zehenden und dez keisertums in dem ersten jare.

Der [Brief] ist gegeben zu Nürnberg im dreizehnhundert und fünfundfünfzigsten Jahr nach Christi Geburt am letzten Freitag vor dem Sankt Thomas-Tag [18. Dezember 1355], im zehnten Jahr Unserer Regierung und im ersten Jahr des Kaisertums.

(Vorbemerkung und Edition von Patrick Charell)