Würzburger Schutzbrief für den Juden Samuel Moyses in Weisbach, 25. Dezember 1765. Staatsarchiv Würzburg, Sammelakte Admin. 2933 (Administrator Sebastian Mayer, 1801: Bischofsheimer Amtsjuden).
Vorbemerkung
Bereits im 11. Jahrhundert wurden jüdische Haus- und Familienväter zu königlichen bzw. kaiserlichen "Kammerknechten" (lat. servi camerae regis). Dadurch standen sie – theoretisch – unter dem direkten Schutz des höchsten Monarchen der Christenheit. Da Juden ansonsten nicht auf das althergebrachte Sippen- und Stammesgefüge bauen konnten, war dieser Schutz eine lebenswichtige Voraussetzung. Dafür mussten sie jährlich ein festgelegtes Schutzgeld bezahlen, dazu meist noch weitere Abgaben und Sondersteuern. Die römisch-deutschen Kaiser übertrugen im Laufe der Zeit ihre Schutzfunktion zunehmend an Reichsstädte oder Territorialfürsten, gegen eine Gebühr und einen Anteil der Einnahmen. Im Jahr 1548 wurde auch den Reichsrittern in einer neuen "Reichspoliceyordnung" das Judenregal verliehen. Der Judenschutz institutionalisierte sich im Lauf der Jahrhunderte: Fürsten, Grundherren oder eine städtischen Obrigkeit erteilten Schutzjuden, ihren Familien und Hausbedienten ein verbrieftes temporäres Niederlassungsrecht, verbunden mit ihrem Rechtsschutz, manchmal auch verbunden mit besonderen Handelsprivilegien. Das Schutzgeld betrug in der Regel ein Vielfaches der Abgaben ihrer christlicher Untertanen und war damit für die Orts- und Landesherren eine willkommene Einnahmequelle.
Der Aussteller dieses Schutzbriefes war Adam Friedrich von Seinsheim, Fürstbischof von Würzburg und Bamberg (reg. 1755/57-1779). Als aufgeklärter Kirchenfürst reformierte er das Steuerwesen und führte die Schulpflicht ein. Andererseits trugen sein aufwendiger Hofstaat und viele kostspielige Bauprojekte zur angespannten Finanzlage bei, die Bischof Friedrich auch nicht entscheidend verbessern konnte. In seiner Not führte er sogar eine Lotterie nach französischem Vorbild ein. Seine Schutzbriefe sind großzügig formuliert, weil sich möglichst viele zahlende Juden im Hochstift Würzburg ansiedeln sollten. In das vorgedruckte Formular wurden die weiteren Angaben durch zuständige Beamte handschriftlich ergänzt, in diesem Falle jene des Samuel Moyes (Moses), der sich in Weisbach niederlassen wollte.
Quellentext
Von Gottes Gnaden Adam Friderich, Bischoff zu Bamberg und Wirtzburg, auch Hertzog zu Francken, etc.
Ertbieten allen und jeden Unseres Fürstenthums Wirzburg und Hertzogthums zu Francken angehörigen Ambt-Leuthen, Kelleren, Vögten, Schultheisen, Burgermeisteren, Räthen, Centhgrafen, Gericht- und Gemeinden, auch sonsten männiglich Unseren gnädigsten Gruß, und fügen ihnen hiemit zu wissen, daß Wir auf erledigten Schutz des Moyses Judens zu Weisbach den Juden Samuel Moyes samt seinen Weib, Kinder, und Dienst-Gesind, auf sein unterthänigstes Bitten in Unseren Lands-Fürstlichen Schutz und Schirm (so lang er und sie sich wohl verhalten) gnädigst auf- und angenommen haben;
Wir thun das auch in- und mit diesem Brief dergestalt, und also, daß er Samuel Moyses in Unserm Orts Weisbach sein Häusliche Wohnung forthin nehmen, und sich daselbst, wie auch sonsten aufrichtiger, redlicher und rechtmäßiger Kaufs-Handlungen und Gewerbs gebrauchen kan und mag, dahingegen soll derselbe Uns jährlich vor sein Schutz-Geld Zehen~ Fränckische Gulden bezahlen, und anbey die extra-ordinari Auflagen, gleich anderen Unseren Schutz-Verwandten Juden nach billigmäßiger Proportion treu und gehorsamlich erstatten, nicht weniger seines zu besagten Weisbach bewohnenden Hauses halber mit dortiger Gemeind die Burgerliche sowohl Personal- als andere Praestationes (die würckliche Einquartierung ausgenommen) mit tragen helffen, auch unter vorgedachten Schutz keinen Bruder, Schwester noch andere Befreunde (massen dieselbe unter erwehnten Schutz nicht begrieffen) ohne Unsere gnädigste Erlaubnuß zu sich nehmen solle, hätte aber er Jud einen alt-erlebten solchen Vatter oder Mutter bey sich im Brod, der oder die vor sich nicht allein kein Handlung, sondern auch gar nichts in Vermögen haben, solchenfalls solle der Schutz aus sonderbaren Gnaden nicht weniger auf selbige seine arme Elteren, als auf anderes sein Brod-Gesind ohne Entgelt extendirt, diese aber nebst ihme zu handeln keineswegs berechigt seyn.
Diesemnach ergehet an Unseren Amts-Kellerer zu Bischofsheim wie auch an andere Unsere Fürstliche Beambten hiermit Unser gnädigst- und ernstlicher Befelch, daß sie ermeldten Unseren Schutz-Verwandten Samuel Moyses Juden, sein Weib, Kinder, und Dienst-Gesind allenthalben zu Wasser und zu Land Zoll-frey, sicher, und unbekümmert, absonderlich aber im Kauffen und Verkauffen deren Waaren, nach Abtrag und Entrichtung des davon schuldigen Zolls, Aufschlags, Accis [Akzise, d.h. Verbrauchssteuer], und dergleichen, wie auch sonst in Treibung seines Gewerbs und Kummerschafft, und zwar Gemäß der, ratione deren bey denen Aembteren anzuzeigen und zu protocolliren seyenden Contracten von Unserer Fürstlichen Weltlichen Regierungs-Canzley den 10. Martii Anno 1731. im Druck ergangenen Verordnung unverhindert und unangefochten pass- und repassieren lassen, wie nicht weniger ihme zu seinen liquidirlichen rechtmäßigen Schulden auf Erklagen nach Möglichkeit und Rechten verhelffen, und bey ereignenden Durchzügen, Einquartierungen und anderen solchen militarischen Zufällen, damit er und die Seinige von denen Soldaten oder Officiren wider die Gebühr nicht beschweret werden, jedesmahl best-möglichste Ambts-Hülff mittheilen sollen.
Wir verlassen Uns dessen also zu geschehen gnädigst, und haben zu urkund Uns eigenhändig unterschrieben, auch Unser Fürstliches Secret-Insigel [Siegel] hiervor zu drucken befohlen; So geben und geschehen in Unserer Fürstlichen Residentz-Stadt Wirtzburg den 24. Dezember 1765.
(Edition von Patrick Charell)