Sog. "Urbott" bzw. "Scharfes Mandat" für alle Kommenden des Deutschen Ordens im Heiligen Römischen Reich, Mergentheim 20. Oktober 1540. Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, B287Bü4.
Vorbemerkung
Als Sprecher der Reichsjudenschaft konnte der Elsässer Rabbiner Josel von Rosheim (ca.1478-1554) auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 durchsetzen, dass die verhältnismäßig großzügigen Privilegien seiner Landjudenschaft vom Kaiser erneut bestätigt (https://hdbg.eu/juedisches_leben/quellen/kaiserlicher-schutz-und-freiheit) und auf das ganze Reichsgebiet ausgeweitet wurden. Um den alten Vorwürfen des Zinswuchers zu begegnen, setzte Josel während des Reichstags einheitliche Regeln für den geschäftlichen Umgang zwischen Juden und Christen auf (Takkanot). Sie dienten als Grundlage der Reichstagsbeschlüsse von 1530 und 1532, die anschließend von den Fürsten und lokalen Herrschaften als Reichsrecht praktisch umgesetzt wurden. Die Bestimmungen wurden jedoch oft, sei es aus Unwissenheit oder bösem Willen, als Bestrafung des Wucherhandels interpretiert und entsprechend judenfeindlich ausgelegt. Dies äußerte sich dann auch in entsprechenden Formulierungen. Das "scharfe", also mit Strafandrohungen verbundene Mandat des Hochmeisters Walther von Cronberg (1477-1543) ist hierfür ein gutes Beispiel.
Walther von Cronberg leitete als "Deutschmeister" ab 1527 alle Balleien des souveränen Deutschen Ordens im Heiligen Römischen Reich. Weil Hochmeister Albrecht von Preußen (1490-1568) zum Protestantismus konvertiert war, erhielt Cronberg zusätzlich den Titel "Administrator des Hochmeistertums", um den Anspruch auf das Ordensland im Baltikum aufrechtzuerhalten. Im Jahr 1530 wurde er schließlich selbst zum Hochmeister gewählt.
Quellentext
Wir Walther von Cronberg, Administrator des Hochmeistertums in Preußen und Meister des Deutschen Ordens in deutschen und fremden Gebieten, entbieten allen und jeden unserer und unseres Ordens Untertanen, Angehörigen und Verwandten zunächst unsere Gunst, liebe Getreue. […] Auf dem jüngst zu Augsburg abgehaltenen Reichstag [im Jahr 1530 wurde beschlossen], dass den Juden, so sie Wucher treiben, von niemandem im Heiligen Reich ein Obdach und Aufenthalt gewährt [...] und ihnen vor keinem Gericht bei Fällen der Wucherei geholfen werden soll, was im Folgendem auf dem Reichstag zu Regensburg durch die oben benannte Kaiserliche Majestät und die Reichsstände erneut angeordnet und bestätigt worden ist. Wir haben daher beschlossen, dass die besagten Juden den göttlichen und menschlichen Satzungen und Reichsabschieden ohne Widerstand zu gehorchen haben, sich der verbotenen wucherischen Verträge, Handelschaften und Taten enthalten und mit angemessenen Berufen und ihrer Hände Arbeit ernähren.
Auch dass ihr samt und sonderlich diese löbliche und christliche Ordnung, und eure eigene Wohlfahrt betrachtet und geschlossen bei den besagten Juden weder wucherische Kredite noch Geschäfte ersucht, aufnehmt oder bedient (im Gedenken, dass diese Euch, Eure Frauen und Kinder um Hab und Gut sowie den guten Leumund bringen können). Denn es wird uns berichtet, dass die nagenden Juden viele unter euch nichts desto weniger im Geheimen damit beschweren; und dass ihr ungeachtet dessen mit ihnen Wucherverträge abschließt, für deren Bezahlung ihr hernach in Rottweil und anderswo weiteres Geld leihen müsst. Dieses und anderes unleidige Gewerbe schadet nicht nur den Schuldnern, deren Frauen und Kindern, sondern macht auch unseren und unseres Ordens Amtmännern mühevolle Arbeit und Unkosten. […] So befehlen und gebieten wir euch strengstens mit der Kraft dieses Mandats, dass ihr weder heimlich noch öffentlich, in eigener Person oder durch Mittelsleute [...] von den Juden leiht, mit ihnen zusammenarbeitet, noch sonst wie ein Wuchergeschäft mit ihnen abschließt. Noch Euer Hab und Gut und Eigentum bei ihnen versetzt, verpfändet, verbindet, oder für Schulden verbürgt, oder entsprechende Verträge aufsetzt oder unterschreibt [gebet], fremde Gerichte anruft oder auf eure Rechte [einiger Freyheit] verzichtet. […] Zusätzlich gebieten Wir […] bei den Pflichten und Eiden, mit denen ihr an uns und unseren Orden gebunden seid: Sollte aufkommen, dass einer oder mehrere von euch ungeachtet unseres nutzbringenden Mandats bei Juden Geld geliehen, oder sich sonst wie in einen Wuchervertrag oder ein Wuchergeschäft eingelassen haben, dann sei dieses binnen Monatsfrist ohne Ausrede vor dem Strafgericht unseres Ordens abzuurteilen. [...]
Demnach ersuchen wir hiermit alle und jeden, und besonders die Juden, sich des Wuchers bei der Kreditvergabe und Geschäften mit besagten unseren Untertanen, Angehörigen und Verwandten fürderhin zu enthalten; desgleichen nicht Bürgen oder selbst Schuldner bei ihnen zu werden, noch für sie Verträge oder juristische Schriftstücke aufzusetzen, noch zu siegeln. Sollte sich aber einer oder mehrere, sei es Christ oder Jude, über unseren gnädigen Befehl hinwegsetzen […], soll ihm oder jenen gemäß dem genannten Reichsabschied […] nicht von uns, und nicht von unseren Amtsleuten bei einem Gerichtsprozess zu Recht und seinem Gelde verholfen werden – ungesehen aller und jeder vermeintlicher Sonderrechte der Judenschaft (welche die Kaiserliche Majestät aufgehoben und vernichtet hat). Wenn nun aber demnach einer oder mehrere unserer Untertanen, Angehörigen und Verwandten, vor einem ausländischen Gericht zu Rottweil oder anderswo vorgeladen wird, so mag man es uns oder unseren Amtsleuten überlassen, die Strafbefehle entgegenzunehmen, zu prüfen, einzuziehen und weiterzuleiten. Und hierauf geht an [...] unseres Ordens Landkomturen, Statthalter, Hauskomturen, Amtsleute, Vögte, Schultheißen, Bürgermeister und Richter, unser ernsthaftes Begehr, dass ihr unser Mandat [...] befolgt und den Untertanen Unseres Ordens […] erläutert und anzeigt. Und seid mit allem Ernst und Fleiß daran, dass dem Mandat in allen Punkten Gehorsam folge geleistet und weder dem Inneren Recht, noch dem Reichsrecht zuwidergehandelt wird, und die Übertreter gemäß der Schwere ihrer Vergehen unbarmherzig bestraft werden. Darauf verlassen wir uns gänzlich, es ist auch unser ganz ernster Wille. Gegeben zu Mergentheim, unter unserem Sekretsiegel für Drucksachen. Am Zwanzigsten Tag des Herbstmonats, als man zählt nach der Geburt unseres lieben Herrn Christi Fünfzehnhundert und vierzig Jahre [20. Oktober 1540].
(Gekürzte Edition von Patrick Charell)