Römischer Kayserlicher Majestät Ordnung und Reformation guter Policen, im Heiligen Römischen Reich, zu Augsburg Anno 1530 auffgericht. Aus: Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden. Theil 2 [...] von dem Jahr 1495. bis auf das Jahr 1551. Frankfurt am Main 1747, S. 332, 336-340.
Vorbemerkung
Kleiderordnungen spielten in der Frühen Neuzeit weiterhin eine wichtige Rolle, weil sie die Hierarchie der Gesellschaft wiedergaben und aufrechterhalten sollten. Durch das komplizierte Regelwerk wurden Zugehörigkeiten und soziale Abgrenzungen anhand der Kleidung für jeden offen sichtbar. Daraus entstand das bis heute gültige Sprichwort "Kleider machen Leute". Ein Beispiel: Handwerker und einfache Bürger durften nur schlichte Kleidung ohne Borten, aus grobem Tuch mit Futter aus "unedlen" Tieren wie Schafs- oder Fuchsfell tragen. Diese Vorschrift galt auch für deren Ehefrauen, doch war jenen ein Goldring ohne Stein im Werte von höchstens 6 Gulden und ein silberbeschlagener Gürtel von maximal 10 Gulden gestattet. Von den Kurfürsten bis hinunter zu den einzelnen Grundherren waren alle Autoritäten im Reich zur Durchsetzung der Kleiderordnung verpflichtet, und mussten andernfalls selbst Bußgelder bezahlen.
Der Gelbe Ring – synonym auch Gelber Kreis, Judenring oder auch Judenkreis genannt – ersetzte spätestens seit der Bamberger Synode 1451 im Heiligen Römischen Reich den Judenhut als Zwangsabzeichen der jüdischen Bevölkerung. Wohl nach dem Vorbild von Frankreich oder Spanien hatte man in anderen Ländern ähnliche Abzeichen bereits deutlich früher eingeführt: Wagenräder, Kreise und Flecken, mit Ausnahme von England (safrangelbe Gesetzestafeln), Polen (rotes Tuch) und Portugal (gelber Stern).
Die Farbe Gelb wurde nicht zufällig ausgewählt: In der mittelalterlichen Farbenlehre und damit auch in der christlichen Kunst war ein fahles, fast grünliches Gelb (im Gegensatz zu Gold) das Symbol für das Höllenlicht, stand für Gottesfeindschaft und Sünde, für Wollust, Neid, Ketzerei und Krankheit. Diskriminierte Randgruppen der Gesellschaft wurden durch gelbe Abzeichen gebrandmarkt: Prostituierte waren an ihren gelben Bändern oder Hauben zu erkennen, Juden mussten auf der Straße einen gelben "Judenhut" oder später den Gelben Ring tragen.
Quellentext
IX. Von unordentlicher und köstlicher Kleidung
Nachdem ehrlich, ziemlich und billich, daß sich ein jeder, weß Würden oder Herkommen der sey, nach seinem Stand, Ehren und Vermögen trage, damit in jeglichem Stand unterschiedlich Erkäntüß seyn mög, so haben Wir Uns mit Churfürsten, Fürsten und Ständen nachfolgender Ordnung der Kleidung vereiniget und verglichen, die Wir auch bey Straff und Pön, darauff gesetzt, gänzlich gehalten haben wöllen. [Vergleich in der Kleider=Ordnung.]
[...]
IX. Von unordentlicher und prächtiger Kleidung
Nachdem es ehrlich, geziemend und rechtens ist, dass sich ein jeder, wessen Würden und Herkunft er auch sei, gemäß seinem [gesellschaftlichen] Stand, Ehren und Vermögen kleide, damit sich sämtliche Stände voneinander abgrenzen mögen, so haben Wir Uns mit den Kurfürsten, Fürsten und [Reichs-]Ständen auf die nachfolgende Ordnung der Kleider geeinigt und verglichen, die Wir auch bei darauf liegender Strafe und Pein gänzlich eingehalten haben wollen. [Marginalie: Vergleich in der Kleiderordnung.]
[…]
XXII. Von der Jüden Kleidung
§. 1. Deßgleichen, daß die Jüden einen gelben Ring an dem Rock oder Kappen allenthalben unverborgen, zu ihrer Erkäntnüß, öffentlich tragen. [Gelbe Ring an Röcken öffentlich tragen. Ermahnung an die Obrigkeit zu Festhaltung dieser Ordnung.]
XII. Von der Kleidung der Juden
§. 1. Desgleichen, dass die Juden zu ihrer Kennzeichnung einen Gelben Ring am Obergewand oder der Kappe allenthalben unverborgen in der Öffentlichkeit tragen. [Marginalie: Gelber Ring an Obergewändern öffentlich tragen. Ermahnung an die Obrigkeit zu Einhaltung dieser Ordnung.]
§. 2. Und damit diese Unsere Satzung und Ordnung der übermäßigen unordentlichen Kleidung und Kleinoder, desto festiglicher gehalten und vollnzogen werde, so gebieten Wir allen und jeden Churfürsten, Fürsten, Prälaten, Graffen, Freyen, Herrn, Rittern, Knechten, Schuldheissen, Bürgermeistern, Richtern und Räthen, hiemit ernstlich, und wöllen, daß sie für sich selber diese Unser Ordnung strenglich halten, auch gegen ihren Unterthanen festiglich vollziehen, also, wo jemands in dem übertretten und überfahren, soll ein jede Oberkeit dieselbe, bey Verlierung des Kleids oder Kleinots, so wider diß Unser Ordnung getragen, darzu einer Geldbuß, so zweyfächtig als viel, als das Kleid oder Kleinod werth, der Bürgerlichen Oberkeit des Orts zu werden, straffen.
§.2. Und damit diese Unsere Satzung und Ordnung der übermäßigen, unordentlichen Kleidung und Schmuckstücke umso fester eingehalten und vollzogen wird, so gebieten Wir allen und jeden Kurfürsten, Fürsten, Prälaten, Grafen, Freien, [Grund-]Herren, Rittern, Knechten [hier: Edelknechte, d.h. ritterbürtige Reiterkrieger], Schuldheißen, Bürgermeistern, Richtern und Räten, hiermit ernstlich und wollen, dass sie selbst diese Unsere Ordnung streng einhalten, und gegenüber ihren Untertanen mit fester Hand wie folgt durchsetzen: Wenn jemand sie übertreten und überfahren [d.h. Unrecht getan] hat, soll eine jede Obrigkeit dieselbe Person mit der Beschlagnahmung der Kleidung oder des Schmuckstücks, welches entgegen Unserer Ordnung getragen wurde, dazu mit einer Geldbuße in Höhe des doppelten Werts der Kleidung oder Schmuckstücks strafen, welche der bürgerlichen Obrigkeit des Ortes zufällt [d.h. der kommunalen Gemeindekasse].
Und ob einige Oberkeit in der Straff und Handhabung säumig und hinläßig erfunden, und durch Unsern Fiscal zu Abwendung derhalben ersucht, und doch darauf verharren würde, alsdann soll Unser Fiscal gegen solcher hinläßigen Oberkeit, und auch den überfahrenden Unterthanen, auf obgemeldte Pön und Straff procediren und vollfahren. [Fiscalischer Proceß gegen die hinläßige Obrigkeit.]
Und wenn sich eine Obrigkeit in der Bestrafung und Handhabung säumig und nachlässig zeigt, und deshalb durch Unseren Fiskal [„Kammerfiskal“, ein kaiserlicher Beamter] zur Abwendung ersucht wird, und doch darauf verharren würde, alsdann soll Unser Fiskal gegen eine derart nachlässige Obrigkeit, und auch den überfahrenden Untertanen auf die oben genannte Pein und Strafe hin prozessieren und vollziehen. [Marginalie: Fiskalischer Prozess gegen die nachlässige Obrigkeit.]
(Vorbemerkung und Edition von Patrick Charell)