"Bairische Lanndtßordnung". [Ingolstadt] 1553, Das Sechszte Buch, Erster Titul. Von den Juden, fol. CLXVII-CLXIX. Staatliche Bibliothek Regensburg, 999/Bav.872.
Vorbemerkung
Auf dem Landtag in München 1553 wurde durch Herzog Albrecht V. (reg. 1550-1579) und den versammelten bayerischen Landständen eine neue "Landesordnung" ratifiziert. Die Landstände bzw. "Landschaft" bestand aus drei Kurien mit Vertretern des Klerus mit Grundherrschaft, des Adels sowie der Städte und Märkte mit niederer Gerichtsbarkeit. Die Landes- bzw. Landordnung war keine Verfassung im eigentlichen Sinne, sondern ein umfassender Rechtstext, der die bereits vorhandenen Gesetze, Verordnungen und "Gepreüch" mitsamt etwaigen Änderungen oder neuen Ergänzungen bestätigte. Das beinhaltete nicht nur die politisch-administrative Struktur des Herzogtums, sondern auch die Umsetzung des kaiserlichen Landfriedens, Angaben zur Prozessordnung, dem Steuerrecht, Forst-, Jagd und Fischereirechten bis hin zu alltäglichen Bestimmungen des Handwerks inklusive dem berühmten Reinheitsgebot des Bieres.
Weil der Landtag in der Regel nur alle drei Jahre zusammenkam, war es für Herzog Albrecht V. die erste Gelegenheit, seinen Erlass zur Vertreibung aller Juden vom 21. Dezember 1551 gesetzlich zu verankern. Der streng katholische Herzog legitimierte sein Vorgehen nicht nur aus eigener Machtvollkommenheit: Ausdrücklich betonte er die Zustimmung des römisch-deutschen Kaisers und die beratende Unterstützung der bayerischen Landstände.
Quellentext
Erster Artikel
Dass die Juden mit ihren Personen im Fürstentum Bayern keine Wohnstatt mehr haben / noch auch sonst darin Handel treiben ["handthieren"] sollen.
Nachdem etliche Juden / von der Zeit an / als sie zu Regensburg ausgetrieben wurden / in Unserem Fürstentum gewohnt / und viele Unserer Landsassen und Untertanen / durch derselben Juden geschickt ausgeübten, wucherhaften Handel hoch beschwert und ihrer Güter verlustig geworden sind / der halben dann weiland der Hochgeborene Fürst / Unser Freundlicher lieber Herr Vater Herzog Wilhelm in Bayern etc. seligen Angedenkens auf das Ersuchen Unserer Landschaft [= Landstände: Klerus, Adel, Bürger] / hierzu bewilligt und vorgenommen hat / sie aus dem Land zu schaffen / auch wir dasselbe zu vollziehen mit der Römischen Kaiserlichen Majestät gnädigster Bewilligung / und mit dem Rat unserer Landschaft / Sie die Juden mitsamt ihren Weibern und Kindern / auch allen ihren haushaltlichem Wesen [Personal] und Handel aus unserem Fürstentum verschafft haben.
So wollen und gebieten wir hiermit ernstlich / das hinfort an kein Jude noch Jüdin in Unserem Fürstentum / sich weder häuslich niederlassen, noch einem Gewerbe oder Handel nachgehen dürfen / noch von jemanden darin geduldet / oder aufgenommen werden / sondern sie sollen sich aller Handelstätigkeit mit Leihen [Kredithandel] / Versatzungen [Pfandleihe] / Einkauf / Verkauf / und allgemein allem Handel wie sie nun heißen oder genannt werden mögen / im erwähnten Unserm Fürstentum / dergleichen auch mit Unseren Landsassen / und Unsers Landes Einwohnern / Untertanen und Zugehörigen ganz und gar enthalten / und Unser Land gänzlich meiden.
Zweiter Artikel
Wie die Juden ihre Schulden und andere Forderungen von den Einwohnern des Fürstentums einbringen und heischen [fordern] sollen.
So aber der Juden einer oder mehrere / auf vorher geschlossenen Kontrakten [= Verträgen] und Handelschaften / wegen Schulden oder anderer Dinge / einen redlichen Anspruch und Forderungen an jemanden in Unserem Fürstentum hätten / der oder dieselben sollen diese / durch einen Bevollmächtigten (doch dass der kein Jude sei!) wie es sich gebührt / gütlich anfordern und einziehen / oder wo es keine gütliche Einigung gibt ["wo die guete nit verfenglich sein wolt"] / von der ordentlichen Obrigkeit / mit rechtlicher oder gütlicher Klage einziehen lassen.
Dritter Artikel
Wie sich die Juden im Durchzug durch das Land zu Bayern / mit einem Geleitbrief [= Passierschein] / und auch sonst verhalten sollen.
So es sich denn ergibt, dass es eines Juden oder einer Jüdin Notdurft erfordern würde [= das es zwingend notwendig ist] / durch Unser erwähntes Fürstentum zu ziehen / So sollen sie ohne einen Geleit nicht über die Grenze dürfen ["darein nit kommen"] /sondern dasselbe Geleit bei einer unserer Maut- oder Zollstationen: Welche an den Grenzen / da sie Unser Fürstentum antreffen / die erste und nächste ist: ersuchen / und auf ihrer des Juden oder der Jüdin Kosten annehmen [sprich: erwerben] / auch mit demselben Geleit / den nächsten geraden Weg ["gestrackten weg"] / durch Unser Fürstentum ziehen / Also das sie keine Nacht zweimal am selben Ort bleiben ["da sie die vorder gewest seind"] / bis sie mit gewöhnlichen Tagesreisen daraus kommen / es sei denn / dass sie ihren Sabbath unterwegs feiern ["das sie ir Sabath ungevaerlich underwegen betreffen würde"].
Und damit in solchem [Falle] kein Missbrauch geschehe / soll in dem Geleitbrief die Zeit desselben gegebenen Geleits / dergleichen auch der Ort / dahin der Jude oder Jüdin (wenn ihnen solch Geleit gegeben wird) ihren Weg nehmen / bestimmt sein / damit man wissen und sehen könne / ob sie den geraden Weg / unverzüglich durchreisen / Doch sollen sie sich mit solchem Geleit / bei allen und jedem Unseren Maut- und Zollstationen / die sie an ihrem Durchzug unterwegs haben / melden / und daselbst das gebührende Geleitgeld / wie von Alters her / bezahlen / [und wenn] sie auch mautpflichtige oder zollpflichtige Güter mit sich durchführen / die gebührende Maut und Zoll dafür geben / Und ein jeder Mautner oder Zöllner / soll sich mit eigener Hand / auch die Zeit / da sich der Jude oder Jüdin angesagt hat / auf das betroffene ["beruert"] Geleit unterschreiben / damit ein jeder Mautner oder Zöllner sehen möge / ob sich der Jude an der vorderen Maut- oder Zollstation angesagt / und daselbst was sich gebührt / bezahlt habe / Sie die Mautner und Zöllner / sollen auch die Juden oder Jüdin mit dem Geleitgeld / auch Maut und Zoll / nicht der alten Gewohnheit zuwiderhandeln und die Gebühr [zusätzlich] erhöhen / und in solchem Durchzug sollen die Juden oder Jüdin / mit niemanden ganz einerlei was für ein Gewerbe oder Handel treiben.
Vierter Artikel
Von der Bestrafung der Juden, wenn sie dieses Gebot übertreten.
So aber unsere Amtsleute und andere Obrigkeiten / gedachte Juden oder Jüdin [wenn sie] ohne Geleitbrief Unser Fürstentum betreten / oder ob sie gleich ein Geleit haben / aber sich [an] denselben mit [dem] geraden Durchzug / durch eine andere als festgelegte Streckenführung ["in anderer Weg als obsteet"] / nicht gemäß halten / so ist Unser ernstlicher Befehl und Meinung / das sie dann dieselben / mit ihrem Leib und Gütern aufhalten / ins Gefängnis nehmen / Und Uns oder Unsere Regierung ["Regiment"] / in deren Verwaltung es sich begibt /das berichten / Auch sie bis auf Unseren / oder Unserer Regierung Bescheid wohlverwahrt behalten ["enthaltn"].
Fünfter Artikel
So ein Jude mit einem Einwohner außer[halb] des Fürstentums einen Vertrag schließt.
Ob auch sie die Juden oder Jüdin außer Landes / mit Unseren Untertanen / mit Leihen / Kaufen oder Verkaufen / wissentlich einen wucherhaften oder betrügerischen Handel treiben / dadurch dieselben Unsere Untertanen und Weggezogene ["verwohnte"] zu ihren Schuldnern wurden / derselben Schulden soll den Juden oder Jüdin nicht verholfen werden / sondern Uns die verfallen sein / die Wir auch zu einer Strafe einziehen mögen.
Sechster Artikel
Dass sich die Einwohner von den Juden frei machen sollen ["der Juden entschlahen"].
Damit aber auch kein Jude oder Jüdin / wider dieses Unser Verbot / keinen Grund mehr haben oder bekommen / hinfüran in Unserem Fürstentum / oder mit den Unseren [Untertanen] Handel zu treiben / so wollen Wir hiermit allen und jeden Unseren Amtsleuten / auch jenen von der Landschaft / und im Gemeinen allen und jeden Unseren Untertanen / und Unseres Fürstentums Einwohnern / gleich welchen ["was wirden"] / Standes oder Wesens sie sein [mögen] / hiermit in allem Ernst / und unter Androhung Unserer schweren Strafe ["bey vermeidung unser schwaeren straff geboten haben"] / das sie sich gegen keinen Juden oder Jüdin / weder im Inland noch im Ausland ["inner noch ausser Lands"] / in einen gemeinsamen Vertrag oder eine Handelschaft einlassen / noch denselben heimlich oder ordentlich behausen / beherbergen / oder ihnen Unterschlupf geben / sondern der gäntzlich Müßig stehen / und nicht mit Ihnen zu tun haben.
Siebter Artikel
Von der Form des Judengeleits.
Es sollen auch Unsere Mautner und Zöllner / bei denen die Juden oder Jüdin / zu ihrem Durchzug / in Unserem Fürstentum um Geleit anfragen ["anhalten"] / ihnen kein ein anderes Geleit oder Urkunde ausstellen / als das eine gedruckte Form[blatt, welches] den erwähnten Unseren Mautnern und Zöllnern überschickt ist. / Also das der Tag und zuständiger Gerichtsort ["malstat"] / an dem Ihnen solches Geleit gegeben wird / Dergleichen auch wohin sie ihren geraden Weg / durch Unser Fürstentum zu nehmen / bei derselben Unserer Maut- und Zollstation / angefragt haben / darinnen deutlich ["lauter"] benannt sei / auf dass ein jeder / dem solches Geleit vorgezeigt wird / daraus verstehen und abnehmen kann / ob sich der oder die mit Geleitbrief ausgestatteten Juden oder Jüdin / solchem ihrem Geleit mit dem Durchzug gemäß halten.
(Edition von Patrick Charell)