Jüdisches Leben
in Bayern

1643: Judeneid aus Mönchsondheim

Gemeinde- und Gerichtsbuch von Mönchsondheim aus dem Jahr 1643 ff., fol. 30r.-32r. Holzdeckel mit Lederbezug, Messingecken und -schließe. Stadtarchiv Iphofen, Gemeindearchiv Mönchsondheim, B 1. Aus: Frankenland. Zeitschrift für fränkische Geschichte und Kulturpflege Jg. 8 (1915), bearb. v. Friedrich Hiller, S. 301f.


Vorbemerkung

Heute ist Mönchsondheim ein eingemeindeter Ortsteil der Stadt Iphofen, stand jedoch von 1283 bis zur Säkularisation 1803 unter der Herrschaft der Zisterzienserabtei Ebrach im Steigerwald. Zwar blieb die Hohe bzw. Blutgerichtsbarkeit den Grafen von Limpurg-Speckfeld in nahe gelegenen Hellmitzheim vorbehalten, doch für alle Arten von notariellen Verträgen, Rechtsstreitigkeiten und Verwaltungsfragen war ein Dorfgericht zuständig. Es setzte sich aus einem Schultheiß, zwei Bürgermeistern und 12 Beisitzern zusammen. Die Schreibgeschäfte der Gemeinde wurden durch einen jährlich neu gewählten Gerichtsschreiber erledigt, der zugleich auch als Lehrer und Mesner wirkte.

Kloster Ebrach gewährte eine weitgehende Selbstverwaltung: Nur in Zweifelsfällen sollte man sich an den Kastner in Iphofen (dem zuständigen Amtsmann des Klosters) oder direkt an den Abt in Ebrach wenden. Im Jahr 1643 wurde ein Gemeindebuch mit handschriftliche Belegen über die juristische Praxis am Dorfgericht angelegt. Es enthält einen sogenannten "Judeneid", mit dem jüdische Zeugen oder Prozessführende vor Gericht vereidigt wurden.

Die in heutigen Augen umständliche und mehrmals wiederholte Eidformel im Namen des Einen Gottes, zu dem sich die drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam gemeinsam bekennen, blieb für die Akzeptanz des Schwures unerlässlich. Bereits im Hochmittelalter gab der Schwabenspiegel um 1270 eine Eidformel und das Schwurritual vor, die in weiten Teilen des Heiligen Römischen Reiches mehr oder weniger wortgetreu übernommen wurden. Weitere Beispiele aus dem heutigen Bayern finden sich in der Judenordnung der Reichsstadt Weißenburg 1312 oder im Rechtsbuch der Stadt Landshut 1361.

Quellentext

Form und Ordnung des Judeneids

So einem Juden ein Eid aufgelegt wird, soll er zuvor, eher er den Eid tut, vor Händen und Augen haben ein Buch, darinnen die Gebote Gottes, die des Mose auf dem Berge Sinai von Gott geschrieben, gegeben sind [EX 20,2-17]: und darauf dem Juden bereden und beschwören mit den nachfolgenden Worten:

"Jude, ich beschwör dich bei dem Einigen, lebendigen und Allmächtigen Gott, Schöpfer der Himmel und des Erdreichs und aller Ding, und bei seinem Tora und Gesetz, das er gab seinem Knecht Mose auf dem Berg Sinai, dass du wollest wahrlich sagen, ob dies gegenwärtig Buch sei das Buch, (darauf) ein Jud einem Christen oder einem Juden einen rechten gebührlichen Eid tun und wohlführen mag und soll."

So denn der Jud auf solche Beschwörung bekennt und sagt, dass es dasselbe Buch sei, so mag ihn der Christ, der den Eid von ihm fordert, oder an seiner Statt, der ihm den Eid gibt, vorhalten und vorlesen diese nachfolgende Frage und Vermahnung, nämlich:

"Jude, ich verkünde dir wahrhaftiglich, dass wir Christen anbeten den Einigen, Allmächtigen und Lebendigen Gott, der Himmel und Erden und alle Ding beschaffen hat, und dass wir auf erhalt dass keinen anderen Gott haben, ehren noch anbeten. Das sage ich darum und aus den Ursachen, dass du nicht meinest, dass du nicht wärst entschuldiget vor Gott eines falschen Eides, zu dem, dass du wähnen und halten möchtest, dass wir Christen eines unrechten Glaubens wären und fremde Götter anbeten, das doch nicht ist, und darum, sintemal dass die Hauptleute des Volkes Israel schuldig gewesen sind, zu halten das, so die geschworen hatten den Männern von Gibeon [JOS 9,15], die doch dienten fremden Göttern, vielmehr bist du schuldig uns Christen als denen, die da anbeten einen lebendigen und Allmächtigen Gott, zu schwören und zu halten einen wahrhaftigen und unbetrügerischen ["unbetrüglichen"] Eid. Darum, Jude, frag ich dich ferner, ob du aus wohlbedachten Mut und ohne alle Arglist und Betrug den Einigen, lebendigen und Allmächtigen Gott wollest anrufen zu einem Zeugen der Wahrheit, dass du in dieser Sache, darum dir ein Eid aufgelegt ist, keinerlei Unwahrheit, Falsch[heit] oder Betrüg reden noch gebrauchen wollest, in irgend einer Weise", so spreche der Jude, "Ja".

So das alles geschehen ist, so soll der Jude seine rechte Hand bis an den Knorren [Gelenk] legen in das erwähnte ["vorgemelte"] Buch und nämlich auf die Worte des Gesetzes und Gebots Gottes, welche Worte und Gebet auf Hebräisch also lauten: So tissa et sschem Adonaj eloheka lachaff ki lo ienakê Adonaj et ascher jissah et schemo laschaff; zu Deutsch: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht [Drittes Gebot].

Alsdann und darauf und ehe der Jude den Eid vollführt, soll der Jude dem Christen, dem er den Eid tun soll, oder an seiner Statt dem, der ihm den Eid aufgibt, diese Worte nachsprechen:

"Adonaj, Ewiger und Allmächtiger Gott, ein Herr über alle Melachim [Könige], ein Einiger Gott meiner Väter, der du die Heiligen Tora gegeben hast. Ich rufe dich und deinen heiligen Namen Adonaj und deine Allmächtigkeit an, dass du mir helfest bestatten meinen Eid, den ich jetzt tun soll, und wo ich unrecht oder betrügerisch schwören werde, so sei ich beraubt aller Gnaden des Ewigen Gottes und mir werden aufgelegt alle Strafen und Flüche, die Gott den verfluchten Juden auferlegt hat und mein Seel und Leib haben auch nicht mehr Anteil ["einichen Theyl"] in der Versprechung, die uns Gott getan hat, und ich soll auch nicht Teil haben am Messias noch am versprochenen Erdreich des Heiligen seligen Landes [hebr. Erez Israel]. Ich verspreche auch und bezeuge das bei dem ewigen Gott Adonaj, dass ich nicht will begehren, bitten oder aufnehmen einige Erklärung, Auslegung, Abnehmung oder Vergebung von keinem Juden noch anderen Menschen, wo ich mit diesem meinem Eid, so ich jetzt tun werde, einigen Menschen betrügen. Amen."

Danach gehe vor den Juden ["vor der Jud"] und spreche dem Christ nach diesen Eid:

"Adonaj, ein Schöpfer der Himmel und des Erdreichs und aller Dinge, auch mein und der Menschen, ich rufe dich an durch deinen Heiligen Namen auf diese Zeit zu der Wahrheit, als und der N. [Name des Eidabnehmers] mir zugesprochen hat, um den oder den Handel, so bin ich darum oder daran ganz nicht schuldig oder pflichtig, und ich habe auch in diesen Handel keinerlei Falschheit oder Unwahrheit gebraucht sondern wie es verlautet hat, um Hauptsache, Schuld oder sonst was die Sache ist, also ist es wahr ohne aller Gefährdung ["geferde"] Arglist und Verbrechen ["verbrechlichkeit"9, also bitte ich mir Gott Adonaj zu Hilfe und zu bestätigen ["bestatten"] diese Wahrheit. Wo ich aber nicht Recht und Wahrheit habe an diesen Sachen, sondern einige Unwahrheit, Falschheit oder Betrug darinnen gebraucht, so sei ich Heram [hebr. verbannt] und verflucht ewiglich, wo ich auch nicht Wahrheit und Recht habe in der Sache, dass mich dann übergehe und verzehre das Feuer, das Sodom und Gomorrha überging, und aller Flüche, die in der Tora geschrieben stehen, und dass mir auch der wahre Gott, der Laub und Gras und alle Dinge beschaffen hat, nimmermehr zur Hilfe noch Statten komme in einigen meiner Sachen und Nöten; wenn ["wo"] ich aber Wahrheit und Recht habe in dieser Sache, also helfe mir der wahre Gott Adonaj. Amen."

(Vorbemerkung und Edition von Patrick Charell)