
Erste Nachrichten über Juden in Hirschaid liefern Gerichtsakten von 1488 und 1494/95. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass damals zwei Juden gegen Schuldner und Bürgen aus der Umgebung von Hirschaid klagten. Man darf annehmen, dass sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte einige jüdische Familien ansiedelten. Ob sie einen Minjan bilden konnten, ist jedoch nicht bekannt. Aus dem Jahr 1508 gibt es Nachrichten über eine jüdische Familie aus Hirschaid, deren Mitglieder mehrmals als Gläubiger und Schuldner vor dem Gericht ihrer Schutzherren, den in Buttenheim ansässigen Freiherren von Stiebar, erscheinen.
Schwere Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen in Hirschaid sind für 1579 und 1598 überliefert. Im ersten Fall gingen die Juden gegen den katholischen Pfarrer vor, der am 21. Dezember gewaltsam in ihre Synagoge eingedrungen war und lieferten sich anschließend eine handfeste Schlägerei mit den christlichen Mitbürgern. Der Pfarrer begründete sein Verhalten später mit dem Argument, dass die Juden mit ihrer Sonntagsarbeit auf dem Kirchhof ständig den christlichen Gottesdienst gestört hätten. Das zweite Ereignis fand am Karfreitag 1598 statt, als mehrere Jungen Steine auf das Haus der jüdischen Familie Seligmann warfen und von den Bewohnern dafür schwer verprügelt wurden.
1683 stand Hirschaid kurz im Mittelpunkt der Bamberger Judenschaft, da hier eine Tagung ihrer Abgeordneten abgehalten wurde. Traurige Erwähnung fand der Ort im Zusammenhang mit dem antijüdischem Pogrom, das 1699 vom Bamberger Bischofssitz ausging. Damals wurden hier ebenfalls jüdische Wohnhäuser zerstört, während die übrigen Dorfbewohner dem Treiben tatenlos zusahen. Ihre letzte Ruhestätte fanden die Toten der jüdischen Gemeinde Hirschaid auf den jüdischen Friedhöfen in Baiersdorf und Zeckern.
1812 gehörten der Judenschaft in Hirschaid 83 Mitglieder an. Ab 1819 wurde der neu angelegte Friedhof in Buttenheim genutzt, an dem die IKG Hirschaid anteilmäßig mit besaß. In diesem Jahr gab es laut Vorbemerkung zur Matrikelliste 20 Schutzstellen in Hirschaid. Bei der Erstellung der Matrikelliste 1824 wurde diese Zahl dann beibehalten. Die jüdische Gemeinde gehörte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Rabbinat in Adelsdorf, nach dessen Auflösung zum Distriktsrabbinat in Bamberg.
Bereits 1805 hatte die israelitische Gemeinde eine Religionsschule errichtet. Es befand sich vermutlich auf dem heutigen Grundstück Nürnberger Straße 28. Ab 1886 erhielten auch die jüdischen Kinder aus Buttenheim ihren Unterricht in dieser Bildungsstätte. Um ihren äußerst beliebten Lehrer Abraham Rau im Ort zu halten, beschloss die Gemeinde, eine jüdische Elementarschule in Hirschaid einzurichten, um dem Pädagogen damit zu einem höheren Einkommen zu verhelfen. Die Regierung von Oberfranken genehmigte dieses Vorhaben 1902. Diese neue Schule wurde im ersten Stock des Hauses Nr. 29 (heute: Nürnberger Straße 12) eingerichtet und 1903 in Betrieb genommen. Im Holzanbau des Gebäudes installierte man eine Mikwe. Das Gebäude ist in die bayerische Bayerische Denkmalliste aufgenommen und wird dort so beschrieben: "Zweigeschossiger Walmdachbau mit Eckpilastern, Fenster und Türe mit Segmentstürzen, Erdgeschoss nach 1517 (dendrochronologisch datiert), Aufstockung 1853-55 (dendrochronologisch datiert); Rückgebäude mit Mikwe". Die israelitische Elementarschule in Hirschaid war zwanzig Jahre lang in Betrieb. Dann musste sie, da sich die Anzahl der Kinder nur mehr auf acht Werktags- und zwei Feiertagsschüler belief, geschlossen werden. Die jüdischen Kinder durften von nun an die christliche Volksschule besuchen, gingen jedoch zum Religionsunterricht weiterhin in das jüdische Schulhaus.
Um 1840 erreichte die IKG it 105 Mitgliedern ihre Höchstzahl. Die Hirschaider Juden übten vielerlei Berufe aus: Unter ihnen waren etliche Handwerker, Landwirte, Händler für Spezereien und Schnittwaren, Taglöhner und Lehrer. 1845 eröffnete Max Schütz eine Manufaktur für Korbflechterei, die ihren Standort im Haus Nr. 41 a/b hatte (heute: Nürnberger Straße 34). Um die Jahrhundertwende beschäftigte diese Firma rund 200 Arbeitskräfte, den überwiegenden Teil davon in Heimarbeit. Dies entsprach einem Bevölkerungsanteil von rund 18 Prozent. Eine Auswanderungswelle mit dem bevorzugten Ziel Nordamerika reduzierte die jüdische Gemeinde innerhalb der folgenden drei Jahrzehnte jedoch um die Hälfte. 1875 lebten nur noch 51 Israeliten im Ort, ihre Anzahl blieb dann aber bis 1933 auf dem konstanten Niveau von etwa 60 Mitgliedern.
Um 1900 war auch eine größere Anzahl von jüdischen Viehhändlern in Hirschaid tätig. Sie sollen der Grund gewesen sein, dass der Ort auf der ausgebauten Eilzugstrecke Bamberg – Nürnberg als Haltepunkt berücksichtigt wurde.
Das Zusammenleben zwischen Juden und Christen gestaltete sich in Hirschaid bis Ende der 1920er Jahre überwiegend harmonisch. Die israelitischen Mitbürger engagierten sich in zahlreichen Ortsvereinen, zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Turn-, Fußball- und Gesangsverein, in einem Musikverein spielten Christen und Juden gemeinsam. Es gab auch eine gemeinsame Musikgruppe. Aber dann setzte sich auch in Hirschaid die antisemitische Gesinnung durch. Im Dezember 1931 wurden 67 Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Buttenheim zum Teil schwer beschädigt.
Ab 1934 hat man die israelitischen Mitbürger nach und nach aus den Vereinen ausgeschlossen, 1935 wurden an den Ortsausgängen Schilder mit der Aufschrift „Juden sind nicht erwünscht“ angebracht. In der Reichspogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 ging die Hirschauer Synagoge in Flammen auf, die Fenster der jüdischen Häuser wurden eingeschlagen und jüdische Wohnungen verwüstet. Die Täter waren sowohl Nationalsozialisten im Ort als auch NSDAP-Mitglieder aus Bamberg. Am nächsten Tag kamen die jüdischen Männer in Haft und wurden im Konzentrationslager Dachau interniert. Das Synagogengrundstück und das Schulgebäude eignete sich die Kommune Hirschaid zwangsweise an. Zwischen 1936 und 1939 gelang 22 Hirschaider Juden noch die Auswanderung. Die 28 im Ort verbliebenen jüdischen Männer, Frauen und Kinder wurden am 23. März und am 25. April 1942 in zwei Transporten erst nach Nürnberg und dann in die Vernichtungslager nach Osteuropa deportiert und anschließend ermordet.
Anlässlich seiner 900-Jahr-Feier gedachte der Markt Hirschaid 1979 auch seiner einstigen jüdischen Gemeinde und gestaltete das Grundstück, auf dem bis zum 10. November 1938 die Synagoge stand, als Erinnerungsort. Zur Aufstellung kam ein siebenarmiger Leuchter aus Stein, geschaffen von dem Strullendorfer Bildhauer Erich Starklauf. Er trägt die Inschrift „Zum ewigen Gedenken“ in hebräischer Schrift. Im Jahr 2000 wurde der Grundriss des Gotteshauses nach Grabungsbefund mit Steinquadern nachgezeichnet. Auf einer Mauer, die an der Stelle der ehemaligen Außenmauer der Wendeltreppe errichtet wurde, hat man die Namen der jüdischen Mitbürger verzeichnet, die 1942 verschleppt und getötet wurden. Der abschließende hebräische Satz lautet übersetzt: „Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.“ Diese Redewendung beschließt traditionell die jüdischen Grabinschriften. Auf dem Platz der einstigen Synagoge in der Nürnberger Straße finden jedes Jahr am 9. November Gedenkveranstaltungen statt.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Barbara Eberhardt / Cornelia Berger-Dittscheid: Hirschaid. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 158-168.
- Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Bamberg - Die 'Judenmatrikel' 1824-1861 für Oberfranken. Nürnberg 2017. Ggfs digital (Reihe A: Digitalisierte Quellen, 2 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien 4).
- Rudolf Panzer: Die jüdische Gemeinde in Hirschaid 1582-1939. In: Markt Hirschaid (Hg.): Hirschaid. Hirschaid 2004, S. 87-102.
- Rudolf Panzer: Jüdische Familien in der fränkischen Gemeinde Hirschaid. Markt Hirschaid 2005 (= Heimatkundliche Blätter für Hirschaid 2).
- Annette Schäfer: Der Gedenkstein für die vernichtete Synagoge in Hirschaid. In: Günter Dippold (Hg.): Der Vergangenheit auf der Spur. Bamberg 2006, S. 168f.
- Hans-Peter Süss: Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und Oberfranken. Büchenbach 2010 (= Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands Band 25), S. 72-74.
- Klaus Guth: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800–1942), ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988 (= Landjudentum in Oberfranken. Geschichte und Volkskultur 1), S. 195-204.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 138.