Der erste schriftliche Nachweis über jüdisches Leben im Ort findet sich im Nürnberger Memorbuch, in dem jüdische Opfer aus Harburg in den Pestpogromen des Jahres 1349 verzeichnet sind. Für die darauf folgenden Jahrhunderten gibt es jedoch keine Quellen, die auf jüdisches Leben schließen lassen. Erst 1671 informiert ein Schutzbrief der reichsunmittelbaren Grafen von Oettingen-Oettingen über fünf jüdische Flüchtlingsfamilien aus dem Herzogtum Pfalz-Neuburg, die hier ansässig wurden. Weitere Flüchtlinge folgten, sodass 1707 insgesamt 25 Schutzjuden mit ihren Familien in Harburg lebten. Die Oettinger Grafen erhofften sich mit der Ansiedlung eine (wirtschaftliche) Neubelebung, nachdem der Dreißigjährige Krieg das Land verheert hatte.
Die Oettingen-Wallernsteinische Herrschaft genehmigte der rasch anwachsenden jüdischen Gemeinde 1671 die Anlage eines Friedhofs am Hühnerberg. Diese Begräbnisstätte konnten auch die Juden aus Alerheim, Ederheim und Mönchsdeggingen mitbenutzen. Noch war die wirtschaftliche Situation der jüdischen Einwohner von Harburg mehr als dürftig, trotz seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu einem großen Herrschaftssitz. In einer Beschreibung aller Untertanen in Harburg vom 17. September 1679 werden zwei der damals vier im Ort lebenden jüdischen Familienväter als "gantz arm" eingeschätzt, ein dritter sogar als "bluth arm". Der Oberamtmann Ludwig Albrecht von Zöschlin bemerkte am 6. September 1686 in einem Schreiben: "daß eine solche armuth bei ihnen obhanden, das hochfürstlicher gnädiger Herrschaft im Fall begehrens Sie nicht 50 fl. [Gulden] vorschießen könnten". Schon in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wurde auch für regelmäßigen Unterricht gesorgt, denn bereits für 1680 ist in Harburg ein jüdischer Schullehrer bezeugt. Eine Mikwe befand sich in dem 1693 erbauten Privathaus von Simon Oppenheimer (Egelseestraße 4), einem Kaufmann, der den Grafen von Oettingen-Oettingen als Hoffaktor mit Luxusgütern belieferte und daher unter der ansonsten sehr armen Juden eine Ausnahme darstellte.
1731 fiel Harburg an die Herrschaft Oettingen-Wallerstein. Die Kultusgemeinde wurde aber noch bis 1743 durch den oettingen-oettingischen Landesrabbiner betreut und erst dann, allerdings entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch, in das Landesrabbinat Wallerstein eingegliedert. Als die ehemaligen oettingen-oettingischen Schutzjuden aus Harburg, Oettingen, Hainsfarth und Mönchsdeggingen 1739/40 einen Schutzbrief von der neuen Herrschaft benötigten, barg der 1739 dafür vorliegende Entwurf die Gefahr, dass damit zukünftig große Nachteile und auch Ausweisungen der Juden aus der Grafschaft zu erwarten waren. Durch Verhandlungsgeschick und mit der Fürsprache des kaiserlichen Hoffaktors Herz Löw Manasses in Wien konnte die Landjudenschaft dieses Unheil abwehren. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts stieg die Anzahl der jüdischen Gemeindemitglieder bis auf 58 Familien weiter an. Grund dafür war unter anderem eine erneute Flüchtlingswelle aus dem Herzogtum Pfalz-Neuburg. Damals arbeiteten die ansässigen jüdischen Hausväter vor allem als Händler; z.B. besuchten Juden aus Harburg 1715 und nochmals 1756 die Leipziger Messe. Hoffaktor Abraham Elias Model (um 1680-1760) verbrachte seine letzten Lebensjahre in Harburg und wurde von den Oettinger Grafen zur Beteiligung an einer verlustreichen Fayencemanufaktur gezwungen. Das Hungerjahr 1770/71 spürten auch die Juden in Harburg empfindlich. Sie kamen mit ihrer Schutzgeldzahlung in Verzug. Das Oberamt schlug deshalb dem Landesherrn vor, wenigstens zwei Quartale des Geldes zu stunden, da die Schutzjuden kaum noch ihre Familien ernähren könnten. Drastisch formulierte das Oberamt die Lage 1772: Die Hälfte der Juden würde "auf dem Bettel" herumlaufen. Die Regierung stellte 1779 einen "Vermögensverfall" fest, der sich bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts fortsetzen sollte.
Um 1800 hatte Harburg etwa 1400 Einwohner. Der Anteil der Juden lag damals mit rund 340 Personen bei etwa 30 Prozent. Nachdem Fürst Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein im Jahr 1802 gestorben war, ging die Herrschaft des reichsunmittelbaren Fürstentums auf dessen Witwe Wilhelmine Friederike über, die 1803 Jakob Lippmann Hechinger (1758-1828) zu ihrem Hoffaktor ernannte. Hechinger ließ sich in bester Lage ein repräsentatives Anwesen im klassizistischen Stil errichten (Marktplatz 1) und verstarb 1828. Er ruht auf dem jüdischen Friedhof von Harburg.
Ab 1806 gehörte Harburg zum Königreich Bayern. Das mediatisierte Fürstenhaus Oettingen-Wallerstein versuchte zwar, seine Schutzherrschaft zu bewahren, um weiterhin von den Abgaben profitieren zu können, doch die einstige Landjudenschaft wehrte sich mit einer gemeinsamen Klage gegen diese Forderung und erreichte einen finanziellen Vergleich. Die jüdische Bevölkerung in Harburg verdiente sich den Lebensunterhalt zumeist als einfache Händler; 1815 waren für sie 33 Hausierpatente ausgegeben worden. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts griffen die staatlichen Maßnahmen des Bayerischen Judenedikts von 1813, das unter anderem die jüdischen Staatsbürger zu" ehrlichen" Berufen hinführen sollte. Viele Harburger begannen Handwerks- und Produzentenberufe anzunehmen und stiegen dadurch zum Teil in die bürgerliche Mittelschicht des Ortes auf. Die wirtschaftliche Lage blieb dennoch schlecht. 1834 beklagte die gemeinde, dass etwa ein Drittel ihrer Mitglieder ohne Verdienst sei. Das Patrimonialgericht bestätige dies mit der Bemerkung, dass "der Wohlstand der Israeliten der nicht mehr ist, der er vor 20-25 Jahren war".
Die 1821 gegründete jüdische Elementarschule befand sich ab 1828 in der Egelseestraße 15. Dieses Haus hatte Hoffaktor Jakob Lippmann Hechinger seiner Gemeinde vererbt mit der Auflage, es als Schul- und Armenhaus zu verwenden. 1833 entschloss man sich zur Einführung einer Religionsschule, nachdem die Regierung des Rezatkreises gefordert hatte, das Hebräische aus dem Lehrplan der Elementarschule zu streichen. Zwischen 1840 und 1881 verfügte die Kultusgemeinde mit Elkan Selz über einen eigenen, reformorientierten Rabbiner, der in deutscher Sprache predigte. Dem kurzlebigen Rabbinat Harburg schloss sich auch die Kultusgemeinde in Mönchsdeggingen an. In diese Glanzzeit viel auch die Erhebung des Marktes zur Stadt im Jahr 1848, die weiteren Aufschwung mit sich brachte. Als Rabbiner Selz in den Ruhestand ging, gehörte die Harburger Gemeinde ab 1883 wieder dem Rabbinat Wallerstein an, und seit 1888 dem Rabbinat Ichenhausen. Im letzten Drittel des Jahrhunderts verlor sie jedoch durch den Wegzug, vor allem der jüngeren Generationen, rund zwei Drittel ihrer Mitglieder. Im Jahr 1910 bestand nur noch aus 33 Personen. Aufgrund der geringen Schülerzahl und finanzieller Engpässe musste die Elementarschule 1888 schließen; nur der separate Religionsunterricht wurde weiterhin erteilt.
Ende der 1920er Jahre wurde es zunehmend schwierig, den Minjan für die Gottesdienste aufzustellen. Zuweilen mussten auswärtige Gäste den Kreis schließen. Der jüdische Friedhof in Harburg wurde 1928 schwer demoliert und 1935 erneut geschändet. Dabei stießen Unbekannte eine große Anzahl an Grabsteinen um und zertrümmerten diese. Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 lebten nur mehr 13 jüdische Personen in Harburg. Im Jahr 1936 wurde die Kultusgemeinde offiziell aufgelöst. Die sieben Harburger Jüdinnen und Juden schlossen sich der IKG Nördlingen an und übergaben ihre Torarollen und Ritualien an die dortige Synagoge. Das Gemeindearchiv, das Totengedenkbuch und einige Torawimpel hatten sie schon 1935 dem Verband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern mit Sitz in München übereignet. Während des Novemberpogroms 1938 wurde das restliche Inventar der Synagoge geplündert oder demoliert. Das Gebäude selbst blieb durch das "beherzte Eingreifen der Nachbarn" verschont, auch die jüdischen Mitbürgern selbst scheinen nach aktuellem Kenntnisstand die Pogromnacht vergleichsweise glimpflich überstanden zu haben. Als die letzten bis Juni 1939 nach Augsburg abwanderten, konnte die NS-Stadtverwaltung Ende Juli 1939 Harburg als "judenfrei" bezeichnen.
Anlässlich der Ausstellung "Geschichte und Kultur der Juden in Bayern" 1988/1989 erstellte das Haus der Bayerischen Geschichte eine Exkursion zur Geschichte der Juden in Nordschwaben (Route I) von Monheim nach Harburg.
Der einstige jüdische Friedhof und das ehemalige Synagogengebäude sind erhalten. Die Initiative „Harburg Project“ führte ab 1992 ein Forschungsprojekt über die Geschichte der jüdischen Familien in Nordschwaben durch und inventarisierte in diesem Zusammenhang u.a. auch den jüdischen Friedhof in Harburg. Die ehemalige Gemeinde ist auch Teil der digitalen Bavarikon-Sammlung Das jüdische Erbe Bayerisch-Schwabens. Kultur und Alltag des Landjudentums von 1560-1945, die 2025 mit einem Festakt in der Augsburger Synagoge online gegangen ist.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Rolf Hofmann (Hg.): Begegnung mit bemerkenswerten Menschen. Lebensbilder jüdischer Persönlichkeiten von einst. Begleitheft zur Ausstellung im Rahmen der Rieser Kulturtage 2010. Deiningen 2010, S. 32f.
- Angela Hager / Hans-Christof Haas: Harburg. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 461-467.
- Johannes Mordstein: "daß wür ebenfahlß Eur Hochgräffliche Excellenz gehorsame unterthanen seint". Partizipation von Juden an der Legislationspraxis des frühmodernen Staates am Beispiel der Grafschaft Oettingen 1637- 1806, in: Rolf Kießling, Peter Rauscher, Stefan Rohrbacher, Barbara Staudinger (Hg.): Räume und Wege. Jüdische Geschichte im Alten Reich 1300-1800. Berlin 2007 (= Colloquia Augustana 25), S. 79-105.
- Max Direktor: Benjamin Berliner (1784–1838), Lehrer in Harburg. In: Manfred Treml / Wolf Weigand (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 91-94.
- Reinhard Jakob: Die jüdische Gemeinde von Harburg (1671-1871). Nördlingen 1988.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 250.
Weiterführende Links
- Das jüdische Erbe Bayerisch-Schwabens: Harburg (Bavarikon)
- Judentum in Harburg (Stadt Harburg in Schwaben)
- Gemeinde Harburg (Alemannia Judaica)
- Gemeinde Harburg (Alicke - Jüdische Gemeinden)
- Archivalien zur Geschichte der Synagogen und Gemeinden in Bayerisch Schwaben (Jüdisches Museum Augsburg Schwaben)
- Ehem. Anwesen des Hoffaktors Jakob Lippmann Hechinger, D-7-79-155-24 (Bayerischer DenkmalAtlas)
- Ehem. jüdisches Haus mit Kellermikwe, D-7-79-155-19 (Bayerischer DenkmalAtlas)