Bereits im Jahr 1147 ist die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Kitzingen belegt. 1298 fielen dem Rintfleisch-Pogrom 15 Juden in der Mainstadt zum Opfer. Rund 40 Jahre später wurde die Gemeinde während der Armleder-Erhebung im Jahr 1336 ausgelöscht. Zu dieser Zeit wurden die verstorbenen aus Kitzingen wohl in Würzburg beigesetzt. Am Ende des 15. Jahrhunderts lebten wieder acht jüdische Familien in Kitzingen. Im selben Zeitraum lebten Juden mit dem Herkunftsnamen Kitzinger in Schweinfurt, Rothenburg, Nürnberg und Regensburg. 1511 stellte Markgraf Friedrich von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach (reg. 1446-1515) den ersten Judenschutzbrief nach der Verpfändung Kitzingens an die fränkischen Hohenzollern aus. Die Urkunde sah unter anderem vor, dass ein Gericht aus je zwei Juden und Christen für die Prozesse zuständig sein sollte, in denen Kitzinger Juden angeklagt wurden.
Nachdem das Hochstift Würzburg 1629 die Pfandschaft Kitzingen wieder eingelöst hatte, tauchen Kitzinger Juden erstmals 1655 in einer Liste von Juden aus Sulzfeld und anderen Orten auf, bei denen Bürger aus Sulzfeld verschuldet waren. 20 Jahre später lebte in Kitzingen der Schutzjude Görz, der einen Kram- und Viehhandel betrieb. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wohnten, laut einem für die würzburgische Judenerhebung erstellten Bericht, insgesamt 64 Juden im Amt Kitzingen, von denen 34 in sechs Haushalten in Kitzingen selbst ansässig waren.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind für Kitzingen 19 jüdische Haushalte in den Judenschutzrechnungen des Hochstifts Würzburg erfasst. Vor der Ausweisung durch Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (1755-1779) im Jahr 1763 lebten 16 Schutzjuden mit ihren Familien in der Stadt. Den Anlass gaben laut einem späteren, jedoch voreingenommenen Bericht des Kitzinger katholischen Geistlichen Meyer die Konversion von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zum Christentum. Es sei zu offenen Konflikten zwischen Christen und Juden gekommen, woraufhin der Fürstbischof seinen Judenschutz aufhob. Die aus Kitzingen vertriebenen Juden ließen sich unter anderem in den zur Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach gehörenden Nachbarorten Marktsteft, Sickershausen und Hohenfeld nieder.
Da die 1813 erlassene bayerische Matrikelgesetzgebung das aus fürstbischöflicher Zeit stammende Zuzugsverbot für Juden beibehielt, konnten sich in der ersten jahrhunderthälfte weiterhin keine jüdischen Familien in der Mainstadt niederlassen. Jüdische Händler waren dort jedoch schon präsent und boten ihre Waren an, die sie teilweise über Nacht in einem Lager unterbrachten. Dass die nichtjüdischen Kitzinger Händler die jüdischen Kaufleute als unliebsame Konkurrenz wahrnahmen, verdeutlicht ein 1853 von dem Kitzinger Bürgermeister Hermann Müller verfasstes antisemitisches gefärbtes Gutachten, das auf die angeblich unlauteren jüdischen Geschäftsmethoden verwies und die noch ausstehende Emanzipation der Juden ablehnte.
Nachdem am 10. November 1861 der Matrikelparagraph des 1813 erlassenen Judenedikts aufgehoben worden war, ließen sich seit Anfang 1863 verstärkt Juden in der Stadt nieder, die 1865 an die Eisenbahnlinie zwischen Frankfurt am Main und Nürnberg angeschlossen wurde. Für die Niederlassung in der vom Weinhandel geprägten Stadt sprachen außer den günstigen Erwerbschancen auch die dort ansässigen weiterführenden Schulen und die vom Landgericht garantierte Rechtssicherheit.
Am 4. Dezember 1864 stimmte das bayerische Staatsministerium des Innern der Gründung der israelitischen Kultusgemeinde in Kitzingen zu, deren Statuten bereits am 1. Januar 1865 in Kraft traten. Für die Etablierung der Gemeinde, deren Mitglieder von unterschiedlichen religiösen Traditionen geprägt waren, sorgte seit 1867 Rabbiner Immanuel Adler, dessen Ehefrau Judith eine Tochter des bekannten Würzburger Rabbiners Seligmann Bär Bamberger war. Konflikte innerhalb der jüdischen Gemeinde führten zwischen 1871 und 1876 zu raschen Rücktritten der gewählten Gemeindevorstände und kulminierten 1875 und 1876 während der Planungsphase der Synagoge.
Die Bedeutung der Kitzinger Israelitischen Kultusgemeinde wurde 1871 deutlich, als das Distriktsrabbinat von Mainbernheim nach Kitzingen verlegt wurde. Die Verstorbenen wurden bis ins 20. Jahrhundert in Rödelsee beigesetzt. Für die Aufwertung der Gemeinde hatte sich vor allem der Kitzinger Bürgermeister Andreas Schmiedel eingesetzt, der auf die günstige Lage Kitzingens als Handelszentrum verwies und zugleich auf die zu erwartenden positiven Folgen aus dem Zuzug weiterer Juden nach Kitzingen verwies. Zeitweise gehörten 28 Kultusgemeinden zum neuen Distriktsrabbinat Kitzingen.
1887 entspann sich zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und der evangelischen Volksschule ein 27 Jahre dauernder Schulstreit, der schließlich 1914 zur Aufkündigung der Schulgemeinschaft und zur Gründung einer Israelitischen Elementarschule führte. Im September 1891 führte ein vom Evangelischen Arbeiterverein organisierter Vortrag des antisemitisch eingestellten ehemaligen Kaiserlichen Hofpredigers Adolf Stoecker zum Konflikt mit der jüdischen Gemeinde, die vergeblich versucht hatte, die Veranstaltung zu verhindern.
1906 gehörte über die Hälfte der Kitzinger Weinhändler der Israelitischen Kultusgemeinde an, obwohl deren Mitglieder nur rund fünf Prozent der Bevölkerung ausmachten, und zwei Drittel der jüdischen Kitzinger war im Weinhandel tätig. Ausschlaggebend für den Erfolg der jüdischen Weinhändler waren deren Fleiß und Selbstdisziplin, innovative Strategien, um neue Absatzmärkte zu erschließen und kreative Werbeideen. Zu den erfolgreichsten Kitzinger Weingroßhändlern gehörte der spätere Kommerzienrat Max Fromm, der 90 Angestellte beschäftigte und 1924 zum „Kommerzienrat“ ernannt wurde. Der Kaufmann unterstützte das Kitzinger Krankenhaus mit Spenden, setzte sich für den Wohnungsbau ein und sanierte die örtliche Volksbank.
Eine Zäsur im Leben der Gemeinde stellte 1917 der Rücktritt des langjährigen Gemeindevorstehers Benjamin Stern dar, in dessen Amtszeit die Erbauung der Synagoge, der Erwerb des Gemeindehauses und die Gründung der Volksschule erfolgten. Seine Verdienste würdigte die Israelitische Kultusgemeinde mit der Ernennung zum Ehrenvorsitzenden.
Sterns Nachfolge trat Isidor Ullmann an, der sein Amt bis 1937 ausübte. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag auf der Lösung der finanziellen Probleme der Kultusgemeinde und der Abwehr des wachsenden Antisemitismus, für die sich auch die Anfang der 1920er Jahren entstandenen Ortsgruppen des "Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" und des "Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten" engagierten.
Die Bemühungen der jüdischen Gemeinde, den Kitzinger Stadtrat zu bewege, antisemitische Veranstaltungen zu verbieten, blieben allerdings ohne Erfolg. Bereits 1922 bezeichnete der Mainbernheimer protestantische Pfarrer Hermann Wagner bei einer in Kitzingen abgehaltenen Pfarrkonferenz den Antisemitismus als "erste (…) Pflicht eines vaterlandsliebenden Deutschen". Ohne Konsequenzen blieb beispielsweise 1927 ein antisemitischer Aufruf des Kitzinger Bauamtsleiters Willi Baumeister im Hetzblatt "Der Stürmer", in dem dieser zur Beendigung der angeblichen Weltherrschaft der Juden aufrief.
Bereits kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begann in Kitzingen die Diskriminierung und Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden. Nachdem Rabbiner und Schulleiter schon im Frühjahr 1933 vom Landratsamt aufgefordert worden waren, dafür zu sorgen, dass sich die Kitzinger Juden in der Öffentlichkeit möglichst unauffällig verhielten, untersagte der Stadtrat Juden beispielsweise am 4. August 1933 der Besuch des städtischen Mainbads.
In Kitzingen begann das Novemberpogrom am Morgen des 10. November 1938, an dem sich auch mehrere hundert Zivilisten als Sympathisanten der Straftaten beteiligten. SA- und SS-Männer drangen in die Wohnungen der Kitzinger Juden ein, demolierten die Einrichtung und bedrohten bzw. verletzten die Bewohner. 59 Kitzinger Jüdinnen und Juden wurden festgenommen. Nach dem Novemberpogrom wurde der Großteil der Kitzinger Juden im als "Judenhaus" genutzten Gemeindehaus untergebracht.
Trotz angedrohter Repressalien hielten die Fischer im Kitzinger Ortsteil Etwashausen die Geschäftsbeziehungen zu ihren jüdischen Kunden aufrecht und ließen sich davon auch nicht von einem am 21. Juli 1941 getroffenen Beschluss des Kitzinger Stadtrats abbringen, der jüdischen Kitzingern das Betreten Etwashausens untersagte.
Nachdem bereits am 21. März 1942 im Hotel Fränkischer Hof die "polizeiliche Vorbereitung" der Deportation begonnen hatte, wurden am 24. März 1942 75 Kitzinger Juden im Alter zwischen vier und 67 Jahren mit dem einzigen unterfränkischen Transport, der nicht in Würzburg begann, von Kitzingen nach Izbica deportiert. Knapp ein halbes Jahr später, am 23. September 1943, wurden auch die in Kitzingen verbliebenen 14 Jüdinnen und fünf Juden im Alter zwischen 40 und 82 Jahren über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von denen Bertha Gerst, Sophie Kahner und Regina Schönfärber überlebten.
Im Februar/März 1949 fand vor dem Landgericht Würzburg ein Prozess gegen 27 der an dem Novemberpogrom 1938 in Kitzingen Beteiligten statt. 22 Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen von vier Monaten bis zu drei Jahren und zwei Monaten verurteilt, die übrigen fünf wurden freigesprochen. 1967 wurde eine erste Gedenktafel am Synagogengebäude angebracht, 1982 gründete sich der Förderverein ehemalige Synagoge Kitzingen e.V. mit dem Ziel, die Synagoge mit einem angemessenen Nutzungskonzept zu bewahren. Bis 1993 wurde die Synagoge aufwendig restauriert und als Kulturstätte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In Kooperation mit der Initiative "DenkOrt Deportationen Würzburg" wurde am 19. Juli 2018 das erste Mahnmal in Form eines Gepäckstücks eingeweiht. Das Koffer-Denkmal erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden der Stadt und der Region, der zweite unterfränkische Transport startete sogar in Kitzingen. Ein identisches Gegenstück steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den "DenkOrt Deportationen" vor dem Hauptbahnhof. Der Künstler Gunter Demnig (*1947) verlegte bis 2021 achtzig (!) Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer der Shoah.
(Stefan W. Römmelt)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg in Kooperation mit dem Team des Synagogen-Gedenkbands Bayern und dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen 68), S. 24-26.
- Elmar Schwinger / Hans-Christoph Dittscheid / Hans Schlumberger: Kitzingen mit Hohenfeld und Sickershausen. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1039-1040, 1044-1049, 1051-1065, 1066-1076.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 207.