Jüdisches Leben
in Bayern

München 7, Villa Lauer (1946-ca. 1975) Synagoge

Ursprünglich stand auf dem Anwesen Neuberghauser Straße 11 die 1860 errichtete Gastwirtschaft "Neuberghausen" mit Kegelbahn und Biergarten (auf der Südseite ist noch der originale Baumbestand erhalten). Die Lage direkt neben dem Friedhof von St. Georg war jedoch ungünstig, daher verkaufte Löwenbräu das Grundstück an den Farbenfabrikanten und Maler Friedrich Lauer (1874-1935). Er ließ die Gaststätte im Frühjahr 1912 komplett abreißen und dafür eine 3000 qm große historistische Künstlervilla errichten. 1925 ging der Komplex in den Besitz des Studentencorps "Svuebia" über, der sich jedoch 1939 auflösen musste. Die Stadt München übernahm das Anwesen und plante darin den Sitz der Modeschule einzurichten.

Nach 1945 wurde ein Teil des Villenbestands in Bogenhausen von der US-Armee beschlagnahmt und Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt. Das "Zentralkomitee der befreiten Juden in Bayern" bemühte sich um eine Synagoge für die orthodoxen Mitglieder der jüdischen (DP-)Gemeinde) in München. Mit Hilfe des Kultusministeriums fand das Komitee Ende 1946 in der Lauer-Villa geeignete Räume. Ausschlaggebend war dabei auch die Nähe zur Gemeindeverwaltung, dem hebräischen Gymnasium und der jüdischen Volksschule. Der zwanzig Meter lange, acht Meter breite und nach Osten ausgerichteten Festsaal wurde zum Betsaal umfunktioniert: Ein breiter Verbindungsgang im südlichen Obergeschoss diente nun als Frauenabteilung. Er war separat zugänglich, außerdem öffneten sich breite Fenster mit ornamentalen Rahmen zum Festsaal. Der monumentale offene Kamin wurde abgedichtet und zum architektonischen Rahmen für den Toraschrein (Aron ha-Kodesch) umgebaut. Neue Wandmalereien zeigten hebräische Zitate aus den Psalmen, Musikinstrumente, ornamentale Ranken sowie (über dem Toraschrein) einen Doppeladler, der in den Klauen eine geöffnete Torarolle hielt. Im Keller baute das Zentralkomitee eine Mikwe sowie die Möglichkeit für rituelle Schlachtungen ein. Es konnten außerdem bis zu 250 Personen in der weitläufigen Villa unterkommen, wenn auch unter nur unter recht unwürdigen Umständen. Obwohl bereits 1947 die rekonstruierte Synagoge in der Reichenbachstraße eingeweiht wurde, versammelten sich die orthodoxen und streng konservativen Gemeindemitglieder auch in den kommenden Jahrzehnten in der Villa. Der Eröffnungsgottesdienst der orthodoxen Gemeinde wurde vom Profisportler und Journalisten Alexander Hochhäuser im Auftrag des AJDC dokumentiert.

Hanna Feiereisen, Jahrgang 1948, schildert ihre Eindrücke aus den späten 1950ern: "Synagogenbesuche in der Neuberghauser Straße gehörten einfach dazu. Die Synagoge entbehrte noch jeglichen Glanzes, es war alles andere als ein prächtiger Ort. Der Hinterhof war weder geteert noch gepflastert. Im Herbst, an den hohen jüdischen Feiertagen, stand im Hinterhof das Wasser in riesigen Pfützen. Wir haben als Kinder oft zwischen den Gebeten dort gespielt. [...] Wir Mädchen mussten hinauf auf die Empore [..]".

Die 1950 neu gegründete IKG München ließ die Synagoge noch einmal 1961/62 umfassen renovieren. Während sich die moderat-konservative IKG München in der Reichenbachstraße versammelte, beteten in der Villa Lauer die chassidischen Orthodoxen der kontemplativen Chabad-Ausrichtung. Das endgültige Aus kam jedoch in den 1970er Jahren, als in der Possartstraße 15 eine neue Synagoge öffnete. Die Synagoge in der Lauer-Villa wurde nach Übertragung der Torarollen profaniert, die Säulen der Heiligen Lade und diverse Schmuckelemente blieben jedoch hinter Rigips erhalten. Heute ist die Villa wieder im Besitz der Kommune München, die dort seit 1993 die städtische Sing- und Musikschule sowie einen Kindergarten untergebracht hat. Der profanierte Betsaal wird wieder als Konzert- und Festsaal genutzt und ist bei öffentlichen Veranstaltungen zugänglich.


(Patrick Charell)

Adresse / Wegbeschreibung

Neuberghauser Straße 11, 81675 München

Literatur

  • Landeshauptstadt München (Hg.) / Karin Pohl u.a.: KulturGeschichtspfad 13: Bogenhausen. 4. akt. u. erw. Auflage. München 2023, S. 44f.
  • Angela Hager / Frank Purrmann: München. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 360-385, hier: S. 377.
  • Grund- und Aufriss der Gaststätte "Neuberghausen", Genehmigungsverfahren zum Abbruch des Ensembles und Neubau der Villa Lauer. StadtAM, Lokalbaukommission 6791.