Jüdisches Leben
in Bayern

Wilhermsdorf Synagoge

Die erste gesicherte Synagoge in Wilhermsdorf wurde 1735/36 erbaut, das Datum stand auf dem später wiederverwendeten Chuppastein. Nach lokaler Überlieferung habe der Gottesdienst zuvor in Privatwohnungen stattgefunden. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Markt Erlbach besuchten bis zum 18. Jahrhundert die Synagoge in Wilhermsdorf, dann errichteten sie ein eigenes Gotteshaus. Ein Abriss des bestehenden Gebäudes und ein Neubau der Synagoge wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Auge gefasst. 1893 lagen die ersten Pläne für eine Bebauung eines neuen Grundstücks vor (Hauptstraße 3).

Der Grundriss des neuen Gotteshauses betrug ca. 11 x 8 Meter. Das Gebäude war durch einen Turmaufsatz mit Zwiebelkuppel, und durch die langen Fensterbahnen an den Längsseiten deutlich als Sakralbau zu erkennen. Der Innenraum besaß ein Holzgewölbe, die Frauenempore verlief über drei Seiten. Nach der Konstruktionszeichnung stand die Bima unmittelbar vor dem Toraschrein, was auf die reformierte Liturgie der liberalen Gemeinde hinwies. In der Südwand wurde der barocke Hochzeitsstein des Vorgängerbaus eingelassen. Er zeigte einen sechsstrahligen Stern in einem Kreis. In den freien Feldern stand in hebräischen Buchstaben der Anfang der bei Hochzeitssteinen üblichen Inschrift: "Stimme der Wonne und Stimme der Freude..." (hebr. kol sachon wekol simche). In der Mitte des Sterns befand sich die Jahreszahl 1735/36 in hebräischen Lettern. Die Kultusgemeinde musste das Synagogengebäude zusammen mit dem Schulhaus im Oktober 1938 für einen Spottpreis von nur 2000 Reichsmark an die Kommune Wilhermsdorf verkaufen. Diese veräußerte das Synagogengrundstück bereits am 1. November 1938 an eine Privatperson, für 2500 Reichsmark. Der neue Eigentümer nutzte das ehemalige Gotteshaus als Werkstatt für seine Pinselfabrikation. Zwischenzeitlich wurde das Gebäude als Lager benutzt und dann in den 1990er Jahren zum Wohnhaus umgebaut. Trotz vieler Veränderungen hat die Fassade noch ihren Charakter bewahrt, auch der vermauerte Haupteingang an der Westseite ist noch offensichtlich.


(Patrick Charell)

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Hauptstraße 3, 91452 Wilhermsdorf

Literatur

  • Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas: Wilhermsdorf. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 724-735.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 1. Fürth 1998, S. 782-784.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 199f.