Die frühe Kultusgemeinde besaß bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg eine „feine Juden Schul“, die durch eine brandschatzende Soldateska „allda ruinieret worden“ ist. Über den Standort oder das Aussehen dieser ersten Synagoge ist nichts bekannt, auch ist unklar ob sich die Gemeinde danach in einem halb zerstörtem Gebäude oder einem privatem Betraum versammelte. Für die verarmten Bechhofer Juden war es jedenfalls zunächst dringlicher, ihren Familien wieder ein Heim und Auskommen zu schaffen. Als sich die Lage langsam besserte und ihre Zahl beständig anwuchs – 1681 stellten Juden fast ein Drittel der 230 Einwohner – wandte sich der Vorstand mit einer Bittschrift an Markgraf Johann Friedrich III. von Brandenburg-Ansbach (reg. 1667-1686), um die Genehmigung für einen Synagogen-Neubau einzuholen.
Friedrich III. hatte sich bereits vorher für die Bechhofer Kultusgemeinde eingesetzt, indem er ihre Beteiligung an den Gemeinderechten einforderte. Am 10. Juli 1684 bewilligte er einen Neubau des jüdischen Gotteshauses im ehemaligen Gemüsegarten des Juden Koppel (heute: Alte Schulgasse) für jährlich „zwantzig bazen Schutzgeld“ (Batzen = kleinere Silbermünze im Süddeutschen Raum).
Die neue Synagoge in Bechhofen wird, gleich einigen anderen jüdischen Gebetshäusern, wegen ihres unscheinbaren Äußeren oft als „Scheunensynagoge“ bezeichnet. Die Schlichtheit war in dem Falle nicht beabsichtigt, sondern einer kostengünstigen Holz- und Fachwerkbauweise geschuldet. Die hohen Bogenfenster der Bechhofer Synagoge machten aber auf den ersten Blick deutlich, dass es sich nicht um ein landwirtschaftliches Nutzgebäude oder einen Bauernhof handelte. Der eigentliche Betsaal war durch eine hölzerne Gitterwand zweigeteilt: Im Ostenlag die Männersynagoge mit der heiligen Lade, die etwas versetzt in einem Vorbau untergebracht war. Diese Abteilung hatte verschalte Wände und ein Tonnengewölbe aus Holzlamellen. Im Westen befand sich der Frauensaal mit einem separatem Eingang an der Nordseite, einzig durch Fenster in der Trennwand zur Männerabteilung erleuchtet. Ganz im Süden der Westwand befand sich noch die sogenannte „Judsch Tür“, durch die neugeborene Jungen von der Frauenabteilung in den Männersaal zur Beschneidung gebracht wurden. Der Aufgang in das Obergeschoss lag gegenüber im Westen. Dort waren beheizbare Zimmer als Schulraum und Betsaal im Winter vorgesehen und standen ansonsten leer.
Ihre herausragende Bedeutung erlangte die Synagoge von Bechhofen erst 1732 durch die Ausgestaltung des Künstlers Eliezer Sussmann. Dieser war der Sohn des Vorsängers Schlomo Katz aus Brody in Galizien. Ob er eine künstlerische Ausbildung genossen hat, ist genauso unbekannt wie sein weiterer Werdegang. Jedenfalls malte Eliezer Sussmann als Wanderkünstler zwischen 1730 und 1740 mehrere Holzsynagogen im fränkisch-schwäbischen Raum, u.a. auch Colmberg und Georgensgmünd nach Art der barocken polnischen Volkskunst aus. Buchstäblich jede freie Fläche der Verschalung bedeckte er mit floralen Ornamenten, mythologischen Tieren, religiösen Symbolen des Judentums, Psalmen und Gebeten. Zeitzeugen erinnerten sich, dass sie als Kinder die Wandschriften während der Gottesdienste ablasen und dadurch auswendig lernten. Wahrscheinlich verwendete Sussmann ein Musterbuch mit Anregungen und Vorlagen – doch auch so ist sein Werk im deutschen Raum einzigartig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieß sein Werk in der kunsthistorischen Forschung auf großes Interesse und machte die Synagoge von Bechhofen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.
So wurde die „Scheunensynagoge“ für die Bechhofer Gemeinde gleichzeitig Fluch und Segen, denn die Instandhaltung der denkmalgeschützte Bausubstanz erwies sich als Fass ohne Boden. 1883 meldete der Kommandant der örtlichen Feuerwehr ans Bezirksamt Feuchtwangen, dass „das hiesige israelitische Cultusgebäude ganz baufällig ist, die westliche Giebelseite derselben hat sich nemlich schon gesenkt und bildet sich in der Mitte eine starke Wölbung, welche hervor zu fallen droht“. Erste, provisorische Gebäudesicherungen seien unzulänglich, zumal die Synagoge an einem häufig frequentierten Platz läge. Als sich die Befürchtungen bei einem Lokaltermin bewahrheiteten, ordnete das Bezirksamt eine umgehende Sanierung an. Nicht nur der Giebel, sondern auch die gesamte Westseite des Gebäudes wurde in der ersten Hälfte des Jahres 1884 in Massivbauweise neu errichtet.
Weitere Arbeiten standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts an. Ihre Finanzierung überstieg die Kräfte der Gemeinde bei weitem, und nach einem jahrelangen Kampf um staatliche Unterstützung stand sogar ein Verkauf der kompletten Synagoge an die „Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Denkmäler e.V.“ in Frankfurt a.M. zur ernsthaften Debatte. Aufgeschreckt vom vehementen Protest des Ansbacher Distriktsrabbiners Dr. Pinchas Kohn und des bayerischen Generalkonservators übernahm nun der Staat die Kosten der Sanierungsarbeiten. 1926 machten Holzfäule und Schädlingsbefall erneut dringend notwendige konservatorische Maßnahmen nötig. 1927/28 wurde das gesamte Dachgestühl erneuert, die innere Verschalung gereinigt und alle Fundamente aufwendig trockengelegt. Weitere Schritte waren bereits geplant, ob sie ausgeführt wurden ist jedoch unklar. Bereits vor 1930 wurden zu Dokumentationszwecken eine Reihe von Fotografien des Innenraums und der Ausstattung angefertigt. Einer der Fotografen war der Münchner Konservator Dr. Josef Maria Ritz, dessen Aufnahmen Theodor Harburger 1930 zur Bebilderung eines Beitrags benutzen konnte.
Nach 1933 begann sich das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege um den Erhalt der einzigartigen Synagoge zu sorgen. Wider besseren Wissens ordnete es die Wandmalereien als „nordische Kunst“ ein, um die Machthaber von der Notwendigkeit eines Erhalts zu überzeugen. Gleichzeitig drängte es die Kultusgemeinde und das Distriktsrabbinat auf eine kostenlose Übereignung des Bauwerks. Eine Garantie für die Unversehrtheit konnte das Amt natürlich nicht geben, außerdem blieb unklar ob die Synagoge in ein Museum verbracht oder vor Ort bleiben sollte.
Trotz aller Bemühungen des Denkmal- und Bezirksamts wurde die einzigartige Synagoge in der Pogromnacht auf den 10. November 1938 mit Benzin begossen und niedergebrannt. Das Grundstück erwarb die Marktgemeinde Bechhofen und verkaufte es 1941 an den Pinselfabrikanten Johann Stadlinger, der dort einen Gemüsegarten anlegte.
Das Synagogengrundstück kam nach Abschluss der Restitution in den frühen 1950er Jahren wieder in den Besitz der Marktgemeinde, weil der Privatverkauf nie Eingang ins Grundbuch gefunden hatte. Es blieb unbebaut und wurde 1988 als Gedenkstätte umgestaltet. Das Denkmal am Synagogenplatz, errichtet 1988 durch die Marktgemeinde Bechhofen zum 50. Jahrestag der Vernichtung, symbolisiert den „brennenden Dornbusch“ und erinnert an das verlorengegangene Gotteshaus. Der Stein ist mit einem Zitat aus Psalm 42,5 versehen: „Ihrer will ich gedenken und mein Herz will ich ausschütten für jene, welche einst in dichten Scharen zum Haus des Ewigen dahinzogen.“ Einige Meter davon entfernt erinnert eine Bodenplatte mit der Inschrift: „Zum Gedenken an die jüdische Gemeinde von Bechhofen. Hier stand ihre Synagoge.“ Der Synagogenplatz selbst ist heute eine Grünfläche, umrahmt von einer Hecke, die den Grundriss der Synagoge aufzeigt. Im Foyer des Rathauses befindet sich ein Modell der Scheunensynagoge von Bechhofen im Maßstab 1:10, geschaffen durch Schüler der Berufsschule Rothenburg o. d. Tauber im Jahr 2001. Eine Visualisierung der Scheunensynagoge Bechhofen mit eine Reihe von Innenansichten hat das Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts e.V. 2007 produziert.
09.2007
Bechhofen, Bethaus und Big Apple - Die Wiedergeburt einer fränkischen Synagoge
Autor: Jim G. Tobias
Länge: 12 Minuten
© Medienwerkstatt Franken
In der Pogromnacht von 1938 steckten die Nationalsozialisten die weltbekannte Bechhofer Scheuensynagoge in Brand - ein einzigartiges Zeugnis des fränkischen Landjudentums wurde für immer vernichtet. Bereits im Oktober 1938 waren die letzten Juden aus Bechhofen vertrieben worden. Einige konnten sich in die Emigration retten: darunter Jerry, Senta und Gunther Bechhofer. Seitdem leben die Drei in New York City. Anhand ihrer Erinnerungen und einer Rekonstruktion der Synagoge ist es möglich, das jüdische Gotteshaus rund 70 Jahre nach der Zerstörung wieder entstehen zu lassen - zumindest virtuell.
Zum Film Bechhofen, Bethaus und Big Apple.
Eine vollständige Transkription des Films finden Sie hier: Bechhofen_Bethaus_und_Big_Apple.pdf
Bilder
Literatur
- Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas: Bechhofen. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg i. Allgäu 2010, S. 29-38.
- Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 2. Fürth 1998, S. 92-107.
Weiterführende Links
- Visualisierung der Synagoge Bechhofen (Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts
- Bechhofen, Bethaus und Big Apple – Die Wiedergeburt einer fränkischen Synagoge
- Synagoge Bechhofen (Alemannia Judaica)
- Synagoge Bechhofen (worksheets.de)
- Panter, Armin. "Sussmann, Eliezer". Allgemeines Künstlerlexikon - Internationale Künstlerdatenbank - Online