In Thundorf waren bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg unter der Schaumberg´scher Herrschaft sechs jüdische Familien in dem Dorf ansässig. Sie wohnten in zwei Anwesen der Grundherren. Das Thundorfer Rittergut ging 1676 an die Freiherren von Rosenbach über, die damit auch zu Schutzherren der hier lebenden Juden wurden. Im Jahr 1683 wird ein Betraum erwähnt, den die kleine Gemeinde in der "Ritterschule" einrichten wollten und dafür der Herrschaft anboten, jährlich eine Zinszahlung zu leisten. Der Fachwerkbau der "Ritterschule" stammte aus dem 16. Jahrhundert und war einst als Erziehungsstätte des fränkischen Adels errichtet worden.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte im vorderen Hausteil (Nr. 63, An der Ritterschule 2) bis 1680 die Vogtei ihren Sitz, danach das evangelische Pfarrhaus. In dem rückwärtigen Hausteil (Am Kirchberg 2, An der Ritterschule 4) wohnten ab 1688/1691 jüdische Familien. 1789 wird ein jüdisches Ritualbad, das dem Anwesen vorgelagert war, erstmals erwähnt. Ein jüdischer Schulmeister ist erstmals 1715 genannt, da es wegen seiner Aufnahme Streit zwischen der Gemeinde und ihrem Vorstand gab. 1731 lebten im Dorf nachweislich zehn jüdische Haushalte mit 30 Personen. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Kleinbardorf beigesetzt, der dreieinhalb Wegstunden entfernt lag.
1816 fiel der Untermainkreis, und damit auch Thundorf, an das Königreich Bayern. Seitdem galt das bayerische Judenedikt. Die Kultusgemeinde Thundorf erhielt 1817 fünf Matrikelstellen; später kamen noch zwei dazu. In den folgenden Jahrzehnten bewegte sich der jüdische Bevölkerungsanteil im Ort stets bei rund 30 Personen. 1869 hatte die jüdische Gemeinde mit 34 Mitgliedern einen Höchststand erreicht. Die IKG Thundorf gehörte zum Landesrabbinat Würzburg 1840 wurde sie dem Distriktsrabbinat Bad Kissingen zugeteilt. Die jüdischen Haushalte hatten Anfang des 19. Jahrhunderts ihr Einkommen durch Handelstätigkeiten. Das Anwesen der "Ritterschule" kam in den 1740er Jahren vollständig in den Besitz der Kultusgemeinde. Sie ließ das Gebäude 1745/1846 zum jüdischen Gemeindezentrum mit Synagoge und Lehrerwohnung umbauen.
In der zweiten Jahrhunderthälfte verringerte sich nach und nach die Zahl der Juden im Dorf. Grund dafür war vor allem die Aufhebung des Matrikelparagraphen im Jahr 1861, denn von nun an durften die Juden ihren Aufenthaltsort frei wählen. Zehn Jahre später, 1871, trat die Verfassung des Deutschen Kaiserreiches in Kraft, die auch für Bayern gültig war und nun die vollständige rechtliche Gleichstellung mit sich brachte. Daraufhin setzte eine Landflucht ein; viele wanderten jetzt in die Städte oder in größere umliegende Orte ab, z.B. nach Maßbach oder Poppenlauer, wo sie sich bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen erhofften. Manche Juden aus der jüngeren Generation wagten auch die Emigration. 1887 endete die Existenz der kleinen jüdischen Gemeinde Thundorf. Ihr Kultusvermögen wurde auf die IKG Maßbach übertragen.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Bevölkerung 1875
Literatur
- Cornelia Berger-Dittscheid: Maßbach mit Thundorf. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 213-238.
- K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36). S. 197.