Die Ortsherren von Rottenbauer, heute ein Stadtteil von Würzburg, waren bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Freiherren und Grafen Wolffskeel. Die erste Notiz stammt von 1682, als anlässlich einer Erhebung der Vermögenswerte des verstorbenen Jakob Ernst von Wolffskeel von dem hier wohnenden "under Jacob Ernsten schutz gesessenen Juden Joseph" die Rede war. Mit Zustimmung der Ortsherren lebten bis Ende des 18. Jahrhunderts bis zu zwanzig jüdische Familien in Rottenbauer. Sie hatten neben den Gebühren für den Schutzbrief das jährliche Schutzgeld und ein Jagdgeld zu entrichten. Weitere Abgaben waren an die Geistlichkeit abzuführen.
Nach einer Aufstellung von 1796/97 lebten in Rottenbauer 22 jüdische Haushalte. Sie verteilten sich auf wenige Wohnhäuser mit jeweils mehreren Familien. Die Häuser lagen in der Schulzen- und Wolffskeelgasse, später in der Zehntgasse, der Schmiedgasse und am Unteren Kirchplatz.
Diese Aufstellung nennt auch den Schulmeister Wolf Jonas und die Witwe des früheren Schulmeisters. Die Räume für die jüdische Schule dürften sich in der 1764 erbauten Synagoge befunden haben.
Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Rottenbauer auch eine Tora-Schreiber, dessen Name mit Salomon Ascher (Auscher) angegeben wird. Als Gemeindevorsteher war Samuel Behr tätig, 1817 der Kleinhändler Isaak Samuel Rosenheimer.
Im April 1812 wurde eine Namensliste von Soldaten veröffentlicht, die sich zum Militärdienst im Großherzogtum Würzburg melden sollten, aber nicht im Land anwesend seien. Aus Rottenbauer wurden fünf Personen genannt, Samson Joseph, Judas Marx, Faust Joseph, Sondel Löw und Bär Hirsch, bei denen es sich um jüdische Rottenbauer handeln könnte. 1814 wurde der flüchtige Sonelel Löw zur Gestellung gesucht. Die Namen der Väter der Gestellungsflüchtigen sind in der Aufstellung von 1796/1797 zu finden.
1814 zählte die jüdische Gemeinde von Rottenbauer mit 19 Familien und 74 Mitgliedern zu den größeren Gemeinden im Umkreis. In der Matrikelaufstellung von 1817 sind siebzehn jüdische Familienväter aufgeführt. Die meisten gaben als Erwerbstätigkeit den Kleinhandel an, dazu kamen Viehhändler und ein Metzger. Bereits 1796/1797 ist mit Wolf Jonas der Name eines Lehrers überliefert, der auch die Funktionen eines Vorbeters und Schächters ausgeübt haben dürfte. Zu dieser Zeit lebte auch die Witwe eines früheren Schulmeisters. Bei der Matrikelerstellung 1817 wurde dem Lehrer keine eigene Stelle zugewiesen, da er möglicherweise als Angestellter der jüdischen Gemeinde galt.
1823 hatte der auf der Plassenburg in Kulmbach tätige Polizeikommissar Karl Stuhlmüller seine antijüdische Schrift Vollständige Nachrichten über eine polizeyliche Ermittlung gegen jüdische ... Gaunerbanden veröffentlicht. Für Rottenbauer werden bei einem "Itzig" und einem "Maierle" Unterschlupfmöglichkeiten genannt. Ereignisse in Rottenbauer fanden 1828 und 1845 überregionales Interesse: 1828 berichtete die Regensburger Zeitung: "Zu Rottenbauer, Landgerichts Würzburg I. d. M., starb dieser Tage ein Israelit, Namens Benjamin Simson, welcher ein Alter von 100 Jahren 8 Monaten erreicht hat." Es könnte sich dabei um Benjamin Samson Steinhardt aus der Matrikelliste von 1817 handeln. Auch bei dem 1845 bei starkem Schneefall auf dem Weg von Heidingsfeld nach Rottenbauer erfroren aufgefundenen 78jährigen Salomon Strauß wird in einem Zeitungsbericht seine israelitische Kultuszugehörigkeit genannt (Bayerische Landbötin, Neue Würzburger Zeitung)
1830 wohnten laut dem Statistisch-topographischen Handbuch in Rottenbauer 461 Einwohner davon 57 Juden, Die jüdische Gemeinde hatte eine 1811 erweitere Synagoge mit Schulräumen und Lehrerwohnung sowie ein Ritualbad (Wolfskeelstraße 8). Die Toten der Gemeinde wurde auf dem jüdischen Friedhof Allersheim beigesetzt. Durch Wegzug und Auswanderung hatte sich die Zahl der Gemeindemitglieder stark reduziert, und 1874 wurde bereits das Synagogengebäude an einen christlichen Privatmann verkauft. Das Statistische Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes listete 1888 die jüdische Gemeinde Rottenbauer noch auf, in der Ausgabe von 1889 fehlt sie. Von den in Rottenbauer geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind später in der NS-Zeit umgekommen: Fanny Bach geb. Reiss (geb. 1870 in Rottenbauer, wohnhaft in Unsleben und Reichenberg, umgekommen April 1943 in Theresienstadt), Seligmann Bach (geb. 1865 in Rottenbauer, wohnhaft in Würzburg umgekommen April 1943 in Theresienstadt).
Bevölkerung 1875
Literatur
- Joachim Braun: Die jüdische Gemeinde in Rottenbauer und ihre wechselvolle Geschichte. In: Ulrich Wagner (Hg.): "Denn das Sterben des Menschen hört nie auf...". Aspekte jüdischen Lebens in Vergangenheit und Gegenwart. Würzburg 1997 (= Schriften des Stadtarchivs Würzburg 11), S. 91-99.
- Dirk Rosenstock (Bearb.): Die Unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 19), S. 272.
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 145.
- K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36), S. 213.