Jüdisches Leben
in Bayern

Reyersbach Gemeinde

Reyersbach, heute ein Ortsteil von Bastheim im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld, hatte seit dem 17. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde. 1673 wurde in den Rechnungen der Ortsverwaltung Reyersbach ein Jude Mayer genannt, der für die Nutzung von Gemeindeeigentum wie Brunnen, Back- und Brauhaus gesondert zahlen musste, da er kein Bürgerrecht besaß. Auch 1699 wird für die Gemarkung Reyersbach die Anwesenheit einer jüdischen Familie überliefert. Sie wohnte in einem Gebäudes des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Wechterswinkel und zahlte dem Würzburger Fürstbischof Schutzgeld.

Unter dem Schutz der Freiherren von Bastheim als Ortsherren von Reyersbach befanden sich 1740 fünf jüdische Familien, die erst vor wenigen Jahr hier hergezogen waren. Sie wohnten in dem aus mehreren Häusern bestehenden Lehens- und Freihof, dem sogenannten Judenhof (heute Wassertor 21). Hier stand ein größerer Gebäudekomplex mit mehreren Hausnummern (69, 70, 701/2, 71), in dem sich auch ein Gebetsraum befand. Die Verstorbenen der kleinen Gemeinde wurde auf dem jüdischen Friedhof in Kleinbardorf beigesetzt, da 1766 ein Rabbi Wolf aus Reyersbach die Statuten des Friedhofsverbands unterzeichnete. 1803 lebten im Reyersbacher Judenhof sechs jüdische Familien, Feibel Katz, Nathan Joseph, Jacob Gump, Majer Wolf, Moises Majer und Majer Katz. Sie zahlten Miete, lebten von der Warenvermittlung, dem "Schmusen", und dem Häutehandel. Ein mit einem Vermögen von 1500 Gulden wohlhabender Jude war der Vieh- und Warenhändler Koppel Löw. Er war Hausbesitzer (Nr. 33, heute Wassertor 17).

1808 gab es in Reyersbach einen eigenen Religionslehrer, der sieben Kinder unterrichtete. Der Lehrer war auch Vorsänger und Schächter. Allerdings war es der Gemeinde aufgrund fehlender Finanzmittel nicht möglich, geeignete Räumlichkeiten für den Unterricht und eine Wohnung für den Lehrer bereit zu stellen. Der Lehrer erhielt von den Familien Kost und Logis und würde dafür im Wohnzimmer unterrichten, so ein Bericht von 1908.

Die Matrikelaufstellung von 1817 weist fünf Stellen für den Ort aus. Eine "unmittelbare" als ehemals fürstbischöflicher Schutzjude hatte Koppel Löw, der sich jetzt Tannenbaum nannte. Seine Erwerbtätigkeit wurde als "Viehhandel, Schacherhandel, kleiner Kapitalist" beschrieben. Als ehemals Freiherrlich von Bastheimsche Schutzbefohlene wurden Feibel Katz Kahnlein. Nathan Joseph Blatt, Jacob Gump Taub und Wolf Mayer Stiefel genannt.

Bereits um 1835 gab es aber bereits keinen eigenen Religionslehrer und keinen Vorsänger mehr in Reyersbach. 1835 kam dazu Gerson Seifensieder aus Eichenhausen in die Gemeinde. 1869 wohnten aber in Reyersbach nur mehr drei jüdische Familien. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine schulpflichtigen Kinder. Später wurde der Schulunterricht von Oberwaldbehrungen aus erteilt.

Die Gemeinde Reyersbach gehörte seit 1840 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld (Hessen). Ein Vorschlag der bayerischen Regierung zur Vereinigung der Kultusgemeinde Reyersbach mit Bastheim wurde 1897 von Reyersbach abgelehnt, da man selbständig bleiben wollte. Laut Aufstellung im Statistischen Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes gehörten 1888 noch die Kultusgemeinden Bastheim, Bad Brückenau, Geroda, Mellrichstadt, Nordheim, Oberwaldbehrungen, Platz, Reyersbach, Willmars und Zeitlofs zum Rabbinatsbezirk Gersfeld. Dieser wurde 1892 nach dem Tod des Rabbiners neu organisiert, wobei die noch bestehenden bayerischen Kultusgemeinden zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen kamen. Reyersbach erscheint aber nach 1889 nicht mehr in der Aufstellung der israelitischen Kultusgemeinden. Erst 1903 wurde der Ort mit damals 12 jüdischen Einwohnern wieder als selbständige Kultusgemeinde geführt. Aber bereits 1905 zählte die Gemeinde mit ihren verbliebenen drei Steuerzahlern als Filialgemeinde von Bastheim. 1911 ist die Kultusgemeinde nicht mehr im Handbuch aufgeführt.

Bereits 1909 war der gesamte Baukomplex des Judenhofes mit der Synagoge an den Metzgermeister Feibel Kahnlein verkauft worden. Dessen Erbe Moritz Kahnlein war um 1930 noch der einzige stimmberechtigte Jude einer längst nicht mehr existierenden Gemeinde. Als Kahnlein zu dieser Zeit den Judenhof mit der ehemaligen Synagoge weiterverkaufen wollte, versuchte der Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden, auf eine würdige Verwendung der Ritualien Einfluss zu nehmen. Diese kamen dann nach Bastheim. Der Gebäudekomplex wurde nach 1930 abgerissen.

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gerhard Gronauer / Cornelia Berger-Dittscheid: Bastheim mit Reyersbach. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 671-683.
  • Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikel von 1817. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 13), S. 217.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 115.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 234.