Passau war im Mittelalter ein Zentrum des internationalen Fernhandels. Bereits die Raffelstettener Zollordnung um 904, die den Warenverkehr im Donauraum regelte, erwähnt für den Sprengel der Passauer Diözese "mercatores, id est Iudei et ceteri mercatores, undecunque venerint de ista patria vel de aliis patriis" (dt. Kaufleute, das heißt Juden und andere Kaufleute, ganz gleich ob sie aus diesem Lande oder einem anderen kommen), die den nach gewohnheitsrecht üblichen Zoll zu entrichten hätten. Es ist einer der früheste Beleg für jüdisches Leben im heutigen Freistaat Bayern. In der Zeugenliste erscheinen mit "Yask" (Isaak) und "Salaman" (Salomon) zwei weitere jüdische Fernhändler. Weitere Spuren finden sich jedoch erst wieder an der Wende zum 13. Jahrhundert.
Das erste namentlich bekannte Opfer antisemitischer Gewalt im Hochstift Passau war der Jude Schlomo im Jahr 1196, ein österreichischer Münzmeister. Er steht sinnbildlich auch für den engen wirtschaftlichen und kulturellen Austausch im Passauer Land.1204 wird als einer der drei Mautner des Passauer Bischofs David Judaeus genannt. Es ist allerdings nicht bekannt, ob er in Passau lebte. Erst eine Urkunde von 1210 lässt die Anwesenheit von Juden in der Stadt vermuten. Damals kam es zu einem Vergleich zwischen dem Bischof und den Juden, die schweren Schaden erlitten hatten, nachdem ihr Besitz geraubt worden war. Eine Schadensersatzregelung wurde getroffen. 1260 zahlten die jüdischen Einwohner dem Passauer Bischof Otto eine größere Summe zum Rückkauf eines Zehnten. Die Juden der Stadt lebten überwiegend vom Geldhandel. Ihre Häuser lagen in der "Judenstraße" (heute Steiningergasse), die von der Donau zum damaligen Markplatz (heute Residenzplatz) führte. Die Synagoge befand sich am Innufer in der nach ihr genannten "Judenschulstraße" (1362 und 1388 genannt, heute "Zinngießergasse"). Sie wird erstmals 1314 erwähnt. Es wird vermutet, dass die Toten der Gemeinde trotz der großen Entfernung in Regensburg beigesetzt wurden. Bei dem vom niederbayerischen Herzog 1338/39 angezettelten Pogrom, der von Deggendorf ausging und zwanzig Orte in Niederbayern umfasste, wird zwar Passau nicht genannt. Dies kann aber auch an der mangelhaften Überlieferung liegen. Spätestens bei den Pestverfolgungen 1348/49 war gemäß einem in Buttenwiesen aufbewahrten Memorbuch auch Passau betroffen. Für eine Enteignung und Vertreibung spricht auch die Tatsache, dass die Häuser in der "Judengasse" (heute Steiningergasse) ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts christlichen Familien gehörten.
Ein neues jüdische Wohngebiet lag spätestens seit Anfang des 15. Jahrhunderts in einem "Judenstädtl" (lat. oppidulum Judaeorum) zu Füßen des Oberhauses (in der Ilzstadt), wo sich nach einer Überlieferung schon um 1100 vertriebene Juden aus Regensburg angesiedelt haben sollen. Auch in der zweiten Hälfte des 14. und im 15. Jahrhundert lebten die Juden vom Geld- und Pfandverleih; der Warenhandel lag damals weitgehend in den Händen der christlichen Bürger. Im Spätmittelalter war die jüdische Gemeinde, wie auch die anderen Gemeinden in Nieder- und Oberbayern immer mehr der Verfolgung ausgesetzt. 1390 wurden die männlichen Passauer Juden verhaftet und gezwungen, alle Schuldbriefe und Pfänder auszuliefern, dann ließ man sie wieder frei. Spätestens seit 1418 gab es einen jüdischen Friedhof nördlich des "Städtl". 1419 wurde eine Kleidervorschrift erneuert, wonach die jüdischen Männer einen spitzen Hut (den "Judenhut"), die Frauen eine klingende Schelle zu tragen hatten. Bis zu etwa 15 jüdische Familien dürften zu jener Zeit in der Ilzstadt gelebt haben.
1477 denunzierte ein christlicher Kirchendieb, der bei seiner Tat ergriffen wurde, die jüdische Gemeinde als Anstifter. Am 10. Februar 1478 ließ die Stadtobrigkeit alle erwachsenen jüdischen Männer wegen des Vorwurfs der blasphemischen Hostienschändung ergreifen. Auf Grund der durch die Folter erzwungenen Aussagen wurden am 10. März 1478 zehn Menschen hingerichtet, darunter zwei stadtfremde Juden auf Durchreise. Die übrigen wurden vertrieben, sofern sie sich nicht zur Taufe bereit erklärten. Angeblich sollen so 40 oder 46 Juden getauft worden sein. Im Zusammenhang mit dieser Judenverfolgung wurde nach einem üblichen Muster die Synagoge zerstört und, wohl auf dessen Grundmauern oder direkt daneben, als Sühnekirche von 1479 bis 1495 die Kirche St. Salvator erbaut. In historischen Abbildungen des 19. Jahrhunderts wird der gotische Bau als "ehemalige Synagoge" bezeichnet.
Obwohl seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder einige wenige jüdische Familien in Passau lebten, kam es zu keiner Neugründung einer jüdischen Gemeinde. Ab 1903 betreute die IKG Straubing gläubige Juden in Passau. Trotz der großen Entfernung nutzten sie wohl zumindest bei hohen Fest- und Feiertagen die Einrichtungen in Straubing, auch den Friedhof.
Im Jahr der NS-Machtübernahme 1933 lebten 40 jüdische Einwohner in Passau. Sie waren im Handel mit Textilien, Schuhen und Holz tätig. Der wirtschaftliche Boykott traf die zwölf jüdischen Geschäfte schwer. Als das jüdische Warenhaus "Merkur" im August 1935 seinen Ausverkauf abhalten wollte, verwehrten Posten der NSDAP den Käufern den Zutritt in das Geschäft. Als die Übergriffe andauerten, schloss die Polizei das Warenhaus. Am 31. August 1935 fand in Passau eine stark besuchte antisemitische Kundgebung statt. Noch in der Nacht und an den folgenden Tagen wurden auf die Schaufenster der jüdischen Läden Plakate mit antijüdischen Parolen geklebt und antisemitische Handzettel verteilt. In kurzer Zeit gingen nun sämtliche jüdischen Geschäfte in "arischen Besitz" über. Fast alle jüdischen Einwohner Passau hatten die Stadt verlassen und waren in Großstädte umgezogen, daher blieb während des Novemberpogroms 1938 in Passau ruhig.
Von den in Passau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen: Johanna Maurus geb. Bechert (geb. 1896 in Passau, später in München wohnhaft), gest. im November 1941 an Suizid, Aloisia (Luise) Schwarzschild geb. Klein (geb. 1909 in Passau, später in Kaiserslautern wohnhaft, 1940 in das südfranzösische KZ Gurs deportiert und umgekommen), Robert Weilheimer (1900).
Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte die US-Armee in Passau befreite Häftlinge aus den Arbeits- und Todeslagern in Passau unter, die meisten von ihnen Juden. Sie erhielten beschlagnahmten Wohnraum im Stadtgebiet zugeteilt und gründeten im Januar 1946 eine Gemeinde; der Verwaltungssitz und das kulturelle Zentrum war das Hotel Deutscher Kaiser (Bahnhofstraße 30). Hier lag auch ein provisorischer Betraum, vielleicht auch das in den Quellen belegte Ritualbad. Die DP-Gemeinde verwaltete sich größtenteils selbst und wählte sich als dreiköpfigen Vorstand für Leitung, Finanz- sowie Religiöser Verwaltung die Herren Josef Holländer, Joachim Wolf und Leon Wrobel. Diese gründeten zur körperlichen Erholung und Genesung den "Jidize[n] Sport Klub Passau". Weil das Ziel der allermeisten DPs die Ausreise in ihr Gelobtes Land (hebr. Erez Israel) blieb, konnten sie sich in einer eigenen Berufsschule die dringend benötigten technischen oder handwerklichen Fähigkeiten erlernen. Dazu gehörte auch ein Rehabilitationszentrum im Gebäude des Gymnasiums Leopoldinum (Michaeligasse 15), in dem rund ein Jahr lang (Juli 1948 bis Juli 1949) an tuberkulosekranke DPs wieder zu Kräften kommen und unter besonderer Pflege einen Beruf erlernen konnten. Auf dem Trainings-Kibbuz "Hachschara Nocham" am Söldenpeterweg 18 übten sich die DPs in der modernen Agrarwirtschaft. Im Januar 1948 erreichte die DP-Gemeinde mit 311 Personen ihre höchste Mitgliederzahl. Nach Gründung des Staates Israel emigrierten fast alle DPs, die Gemeinde schrumpfte und löste sich im Laufe des Jahres 1949 stillschweigend auf. Die verbliebenen DPs hatten in Bayern eine neue Heimat gefunden und schlossen sich, so sie denn überhaupt religiös waren, der IKG Straubing an.
Im Jahr 1961 wurden noch 35 jüdische Einwohner in Passau gezählt. Erst seit den 1990er-Jahren erfolgte wieder ein etwas stärkerer Zuzug von jüdischen Personen und Familien aus den osteuropäischen GUS-Staaten, sogenannten "Kontingentflüchtlinge". Sie belebten die Gemeinde neu und bereicherten das jüdische Leben mit dem Brauchtum ihrer alten Heimat. An der Innpromenade steht seit 1996 das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Auch auf dem Innstadtfriedhof erinnert ein Denkmal an alle Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Im März 2005 wurde an der St. Salvatorkirche eine kommunale Gedenktafel angebracht, mit der an die mittelalterliche Synagoge und das Pogrom von 1478 erinnert wird.
(Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Herbert W. Wurster: Jüdisches Leben in Passau - zwischen Verfolgung und (Über)Leben. In: Passauer Almanach. Chronik des Jahres 2021 über Kunst und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, Natur, Kirche und Universität sowie Geschichte 17. Regensburg 2021, S. 32-41.
- Herbert W. Wurster: Die jüdische Bevölkerung. In: Verein für Ostbairische Heimatforschung e.V. (Hg.) / Egon Boshof u.a.: Geschichte der Stadt Passau. 2. Aufl. Regensburg 2003, S. 385-392.
- Herbert W. Wurster: Das Bistum Passau und seine Geschichte, Bd. 2: Das Bistum im Hohen und späten Mittelalter. Straßburg 1996, S. 24.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 43.