Jüdisches Leben
in Bayern

Homburg am Main Gemeinde

In Homburg, das zum Hochstift Würzburg gehörte, lebten bereits im 13. und 14. Jahrhundert jüdische Familien. Mehrere Gedenkbücher verzeichnen Tote aus dem Ort, die dem Rintfleischpogrom 1298 und dem Armlederpogrom 1336/37 zum Opfer fielen. Im Jahr 1404 ist die Aufnahme eines Schutzjuden durch Graf Johann I. von Wertheim bezeugt, an den Homburg verpfändet war. 1654 wandten sich Bürgermeister und Rat an das Hochstift Würzburg mit der Bitte, die Gemeinde vor dem Zuzug weiterer Juden zu verschonen, da bereits drei Familien mit 25 Personen hier wohnten. Offensichtlich wollte man nach dem Niedergang durch den Dreißigjährigen Krieg keine zusätzliche Konkurrenz dulden. Dem Gesuch wurde stattgegeben.

Ein jüdischer Friedhof befand sich im Mittelalter vermutlich in Trennfeld auf der anderen Mainseite, wo ein Flurname die Erinnerung wach hält. Die neuzeitliche Gemeinde nahm die Beisetzungen in Külsheim (Baden-Württemberg), seit 1852 in Karbach vor. Laut einer Judenerhebung der Ämter Homburg und Remlingen aus dem Jahr 1655 gab es in Erlenbach einen, und in Homburg drei jüdische Haushalte. Sie lebten damals vom Handel mit Vieh, Tuch- und Kleinwaren, hatten einen Schulmeister, der die jüdischen Kinder von Homburg und Erlenbach unterrichtete, und feierten gemeinsam Gottesdienst. Bis zur Jahrhundertwende verdoppelte sich die Anzahl der jüdischen Einwohner in Homburg und Erlenbach und wuchs im Laufe des 18. Jahrhunderts auf rund 15 Familien an. Das Zusammenleben mit den christlichen Familien wurde damals immer wieder getrübt durch Auseinandersetzungen über den Standort der jüdischen Schule, über das Weiderecht und die Frondienste der Israeliten. Die fürstbischöfliche Regierung genehmigte der Homburger Judenschaft 1783 eine Synagoge an der Hauptstraße in der Unterstadt nahe dem Bettinger Tor (Wertheimer Straße, heute: Maintalstraße 26). In ihrem Keller befand sich vermutlich eine Mikwe. Dabei bleibt unklar, ob dieses jüdische Gotteshaus damals bereits bestand und erst zu diesem Zeitpunkt genehmigt wurde, oder damals neu erbaut worden war. Ihren traditionellen Bestattungsort hatte die Homburger jüdische Gemeinde auf dem Verbandsfriedhof in Külsheim.

Durch das bayerische Judenedikt wurden 1817 für Homburg 14 und für Erlenbach 6 jüdische Haushalte festgeschrieben. Als Erwerbsquellen dienten den Israeliten zu jener Zeit der Vieh- und Warenhandel, das Metzger-, Schuhmacher- und Schneiderhandwerk. Die jüdischen Kinder erhielten bis 1860 ihren Elementarunterricht in der katholischen Volksschule und den israelitischen Religionslehre durch einen von der jüdischen Gemeinde angestellten Religionslehrer. Da das jüdische Ritualbad, das sich vermutlich im Keller der Synagoge befand, nicht den Hygienevorschriften entsprach, ordnete das Landgericht 1827 dessen Verfüllung an. Die Kultusgemeinde ließ noch im selben Jahr eine neue Mikwe im Garten des Nachbargrundstücks (Haus-Nr. 119, heute: im Bereich Maintalstr. 26/28) erbauen. In dem darauf befindlichen, direkt an die Synagoge anschließenden Haus, das einem jüdischen Privatmann gehörte, hat man 1859 ein jüdisches Gemeindezentrum mit Unterrichtsraum und Lehrerwohnung eingerichtet. Ab 1860 konnten die jüdischen Kinder hier ihren Elementar- und Religionsunterricht, den ein neu eingestellter jüdischer Elementarlehrer führte, besuchen. Da der bislang genutzte Friedhof in Külsheim seit dem Ende des Alten Reiches zum Großherzogtum Baden gehörte, wurde die Bestattung der Toten aufgrund zunehmend verschärfter Vorschriften immer schwieriger. Die Kultusgemeinde schloss sich deshalb 1858 dem Friedhofsverband Karbach an und führte die Beerdigungen künftig dort durch. Die Erlenbacher Judenschaft begrub ihre Toten traditionell in Laudenbach. Die IKG war dem Distriktsrabbinat Würzburg zugeteilt, ab April 1937 dem Distrikt Aschaffenburg.  

Seit 1859 planten die Behörden die Zusammenlegung der Kultusgemeinden Homburg und Erlenbach. Laut einem Bericht des Schulinspektors an das Bezirksamt Marktheidenfeld 1866 war in Erlenbach schon lange kein Minjan mehr zusammengekommen. 1872 wurde diese Vereinigung zwischen der Homburger Judenschaft, die rund 90 Personen umfasste, und mit den sieben Juden, die damals noch in Erlenbach b.Marktheidenfeld lebten, vollzogen. Im Jahr 1878 war das in Fachwerk gebaute, neben der Synagoge befindliche Schulgebäude 1878 stark renovierungsbedürftig geworden. Die Kultusgemeinde standen aber nicht die finanziellen Mittel für die Sanierung zur Verfügung. Daher musste die israelitische Elementarschule schließen. Die jüdischen Kinder besuchten in der Folgezeit wieder die christliche Volksschule und erhielten separat jüdischen Religionsunterricht, der ab 1885 nach dem Abriss des ruinösen Schulhauses in der Synagoge stattfand. Später musste man dafür einen eigenen Raum anmieten.

1880 wurde die Höchstzahl von 100 jüdischen Gemeindegliedern ‒ das waren rund 13 Prozent der Bevölkerung ‒ erreicht. Danach verringerte sich ihre Anzahl durch Aus- und Abwanderungen kontinuierlich. 1886 erfolgte eine überfällige Renovierung der Keller-Mikwe; nach dem Mainhochwasser 1910 ordnete die Behörde ihre endgültige Schließung an. In der Folgezeit durfte die Homburger IKG das Ritualbad in Wertheim (Baden-Württemberg) mitbenutzen.

1912 musste der Kultusvorsteher eine Unterstützung aus den Staatsleistungen für leistungsschwache Kultusgemeinden beantragen. Die Gemeinde zählte damals nur noch zwölf, größtenteils minderbemittelte Mitglieder und hatte noch immer einen großen Schuldenberg aus dem Synagogenbau abzutragen. Außerdem war für das Schullokal Miete zu bezahlen. 1913 fielen weitere Kosten für dringende Renovierungsarbeiten in der Synagoge an. Die Homburger Kultusgemeinde erhielt daher in den Jahren 1914 und 1916 finanzielle Zuschüsse von der Verteilungskommission. Zur Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 lebten noch 38 Jüdinnen und Juden in Homburg und Erlenbach. Sie wurden zunehmend die Zielscheibe von Anfeindungen. Ab 1934 fanden wiederholt durch SA-Leute und anonyme Täter Sachbeschädigungen an jüdischem Eigentum statt, die von den Behörden aber nicht weiter verfolgt wurden. Um wirkungsvoll gegen die jüdische Gemeinde auftreten zu können, übte der damalige Hauptlehrer bereits vor dem Novemberpogrom 1938 mit den Volksschulkindern Sprechchöre ein. Am Abend des 10. November 1938 zogen die Klassen mit ihren Lehrern, Parteimitgliedern und weiteren Einwohnern vor die jüdischen Häuser, um die Hassbotschaften zu skandieren. Danach drang der Pöbel aus SA-Leuten und Zivilisten in die Gebäude ein, zertrümmerte die Einrichtungen und warf den Hausrat auf die Straßen. Alle jüdischen Männer wurden festgenommen und abtransportiert. Am selben Abend brachen Mitglieder der NSDAP auch die Synagoge auf und zerstörten ihre Ausstattung. Wenige Wochen später, am zweiten Weihnachtsfeiertag 1938, ging das Anwesen durch eine Brandstiftung in Flammen auf.

Nach diesen schrecklichen Ereignissen verließen über zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung Homburg; zum Teil flüchteten sie sich in die Anonymität der Großstädte, v.a. nach Frankfurt a.M., zum Teil wanderten sie nach Nordamerika und Bolivien aus. Einige der noch in der Stadt verbliebenen Juden mussten ab 1940 im Portland-Zementwerk Lengfurt Zwangsarbeit leisten. 1941 wurden sie in "Judenhäuser" zwangsumgesiedelt, im April und Juni 1942 in Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Insgesamt fielen 17 Jüdinnen und Juden aus Homburg und Erlenbach der Shoah zum Opfer.

An die einstigen jüdischen Mitbürger von Homburg und Erlenbach erinnert lediglich eine Synagogen-Gedenktafel. Sie ist an dem Gebäude (Maintalstr. 26), das heute auf dem Grundstück des ehemaligen jüdischen Gotteshauses steht, angebracht. Die Kommune beteiligt sich an der Initiative DenkOrt Deportationen in Würzburg und hat in der Maintalstraße 26, in der Nähe der ehemaligen Synagoge ein Gepäckstück zum gedenken an die deportierten Opfer der Shoah aufgestellt. Ein Gegenstück erweitert das zentrale Mahnmal am Würzburger Bahnhofsplatz.

 

(Christine Riedl-Valder)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Homburg mit Erlenbach. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 192-206.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 232.