Jüdisches Leben
in Bayern

Höllrich Gemeinde

Das bedeutende Freiherrngeschlecht von Thüngen hatten im Laufe des 18. Jahrhunderts mehrere Schutzherren und ihre Familien in ihrem Dorf Höllrich aufgenommen. Aus dieser Zeit ist nichts über das jüdische Leben im Ort bekannt. 1814 fiel Höllrich mit den umliegenden Gebieten endgültig an das Königreich Bayern. 1817 wurden zunächst sieben Matrikelstellen vergeben: 1. Mardocheus/Isack Mathes Fichtenbaum (Lumpenhändler) 2. Aron Moses Schild (Warenhändler) 3. Michel Moses Schild (Makler, Schmuser) 4. Joseph Moses Schild (Kurzwarenhändler) 5. Schimon Mendel/Mendlein Strauss (Kurzwarenhändler) 6. Hayum Aron Hess (Ölhändler) 7. Nathan Baruch Baumann (Kurzwarenhändler). 1822 kamen noch David Baruch Baumann (Tuchwarenhandlung) und der Mehlhändler ("Melber") Baruch Goldschmied dazu.

1828 bestand die jüdische Gemeinschaft aus 36 Personen, wahrscheinlich kam ein Minjan zustande. Die jüdische Gemeinde von Höllrich benutzte anfangs die Heßdorfer Synagoge mit, plante aber schon seit 1816 den Bau eines eigenen jüdischen Gotteshauses. Dazu wurde das Grundstück Nr. 48a erworben (heute: Seifriedsburger Straße 2). Die Existenz eines darauf erbauten jüdischen Bethauses mit Kellermikwe ist ab 1833 urkundlich belegt. Dieses Bad scheint bei nachfolgenden staatlichen Kontrollen keine Beanstandung gefunden zu haben, jedenfalls fehlt es in entsprechenden Mängelberichten. Seit der Neuordnung des bayerischen Schulwesens gingen die jüdischen Kinder zusammen mit ihren christlichen Nachbarn in die örtliche Elementarschule. Religionsunterricht bekamen sie entweder in der Synagoge, oder in einem eigenen Schulraum. Wahrscheinlich ist dafür der Lehrer aus Heßdorf angereist. Aus Höllrich stammte der spätere Lehrer Simon Strauß (*1863), der zunächst in Kirrweiler und Germersheim, von 1902 bis 1935 in Erlenbach und Busenberg (Pfalz) unterrichtete. 1875 lebten noch 20 jüdische Männer, Frauen und Kinder im Ort. Der kontinuierliche Schrumpfungsprozess ab den 1830er Jahren hängt mit der allgemeinen Auswanderungswelle zusammen, die gerade kleine und wirtschaftlich schwierige Landgemeinden erfasste. Verstärkt wurde diese Tendenz mit der Erlangung der Freizügigkeit und freien Berufswahl im Jahr 1861, mit der gerade die Jugend ihr Glück in den industriellen Zentren suchte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren nur die Familien Baumann, Schild und Strauss im Ort geblieben. 1896 löste sich die kleine Kultusgemeinde endgültig auf, weil kein Minjan mehr zustande kam. Die jüdischen Einwohner wurden der IKG 1828 bestand die jüdische Gemeinschaft aus 36 Personen, wahrscheinlich kam ein Minjan zustande. Die verbliebenen Jüdinnen und Juden wurden der IKG Heßdorf zugeteilt und die Synagoge an den örtlichen Gutsbesitzer Wilhelm Schmitt verkauft. Es ist nicht bekannt, wann die letzten jüdischen Einwohner den Ort verlassen haben. Möglicherweise war es Kaufmann David Schild, der 1908 nach Würzburg zugezogen ist. Aus der ehemaligen Gemeinde Höllrich starben die Andernorts lebenden Simon (*1863) und Sophie Strauss (*1866) sowie Regine Weißmann, geb. Baumann in der Schoah. 

Bevölkerung 1875

Literatur

  • Hans Schlumberger / Hans-Christof Haas: Heßdorf mit Höllrich. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 179-191.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 73.
  • K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36), S. 202.