Haßfurt wurde im frühen 13. Jahrhundert vom Hochstift Würzburg gegründet und unterstand bis zur Säkularisation 1803 als Amtssitz direkt den Fürstbischöfen. Nur wenige Jahrzehnte nach der ersten urkundlichen Erwähnung der Siedlung im Jahr 1235 sind auch jüdische Bewohner nachweisbar; leider in dem traurigen Umstand, dass sie 1298 sowie 1348/49 Opfer der Rintfleisch- und Pestpogrome wurden. Es ist nicht bekannt, wann genau sich nach 1349 wieder Juden in Haßfurt niederlassen konnten. 1388 wird in Miltenberg der Jude "Calmannus de Hasefurte" aktenkundig, und möglicherweise handelt es sich bei ihm um jenen "Kalman Juden aus Haßfurt", der bereits 1377 eine Klage beim Landgericht Würzburg eingereicht hatte.
Spätestens seit 1414 lebten wieder Würzburger Schutzjuden in den Mauern von Haßfurt. 1425 ging das Judenschutzprivileg vom verschuldeten Bischof Johann II. von Brunn (reg. 1411-1440) auf dessen Amtman Weibrecht Kottner über. Von diesem erwarb 1431 der Haßfurter Stadtrat das Privileg. Zu jener Zeit lebten drei jüdische Familien am südlichen Stadtrand, nahe der alten Mainmühle (westlich der heutigen Brückenstraße) in einer "Judengasse". Durch eine fürstbischöflich angeordnete Schuldentilgung verlor die kleine Gemeinde zumindest teilweise ihre Lebensgrundlage, was zur Ausweisung der betroffenen Familien führte. Das ist vielleicht auch der Grund, wieso die Quellen im 16. Jahrhundert nur spärlich gesät sind. Im Zusammenhang mit dem Ausweisungsdekret Fürstbischof Friedrichs von Wirsberg (reg. 1585-1573) gelang es offensichtlich drei jüdischen Familie im Jahr 1560, im Freihof der Herren von Wetzhausen aufgenommen zu werden. Dieser unterlag nicht dem Würzburger Recht, und bot auch im 17. Jahrhundert einigen jüdischen Familien Schutz. 1640 lebten fünf jüdische Familien in der Stadt, wobei zwei nur als temporäre Kriegsflüchtlinge Aufnahme fanden. Dauerhaft waren im bischöflichen Bereich von Haßfurt, wie bereits im 14. Jahrhundert, nur drei Haushalte vorgesehen. Im Jahr 1699 bestand die kleine jüdische Gemeinde aus den untereinander verwandten Familien von Seeligman, Schlamb [sic] und Seligmann d.J. mit insgesamt 28 Personen, denen behördlich "[ein] guete[s] Vermögen" attestiert wurde. Zum Haushalt der beiden Seligmans gehörte jeweils ein Schulmeister zum Unterricht der Kinder. Ob die sieben mündigen Männer der Familien vielleicht mit denen in Nachbarorten einen Minjan bildeten, ist nicht bekannt. Ihre Toten begrub die jüdische Gemeinschaft allerdings auf dem Verbandsfriedhof in Kleinsteinach, auch erhielt die dortige Synagoge reiche Stiftungen aus Haßfurt, was auf eine gewisse Verbindung schließen lässt. Im 17. Jahrhundert übernahmen Juden aus Haßfurt eine führende Funktion in der Würzburger Landjudenschaft behielten sie bis ins ausgehende 18. Jahrhundert: Zuerst wird ein Jechiel als "Bezirksvorsteher und Schtadlan" genannt, letzteres bedeutete quasi das Botschafteramt zur christlichen Obrigkeit. Ihm folgte Jekev mit dem Ehrentitel "Gaon" (Genie), und danach sein Sohn Seligmann. Dieser gewährte 1682 ein Darlehen und ermöglichte so 1702 den Druck einer rabbinischen Sammlung von Sprüchen aus dem Midraschim in der Sulzbacher Druckerei.
Im 18. Jahrhundert blieb die Zahl Haßfurter Juden auf kleinem Niveau stabil, sie pendelte von 1731 bis 1797 zwischen drei bis fünf Familien. In Konflikt mit der christlichen Bevölkerung kamen vor allem stadtfremde jüdische Händler aus der näheren Umgebung, die als unliebsame Konkurrenz die Haßfurter Märkte besuchten. Die Haßfurter Bezirksvorstände, insbesondere die Familie Seligmann zählten zur Oberschicht im Hochstift Würzburg. Das belegt ein Patent von 1726, welches dem Parnass (Vorstand) Seligman Jakob, Enkel des Bezirksvorstands Seligmann ben Jekev, und dem Heidingsfelder Israel Seligmann als fürstbischöfliche Hoffaktoren mit Freibriefen und Passierscheinen ausstattete. Die damals übliche Praxis der Weitergabe des Amtes von Parnass und Schtadlan innerhalb der Familie lässt sich in Haßfurt weiterverfolgen: Nach Seligman Jakob übernahm Moses Seligmann von 1728/29 bis 1772, ihm folgte sein Schwiegersohn Hertz Coppel. Dieser blieb bis 1799 im Amt und stiftete das besonders reich verzierte Memorbuch der Gemeinde Haßfurt, welches der Schreiber Chaim (Fanbach?) im Jahr 1775 erstellt hatte.
1814 war Haßfurt endgültig an das Königreich Bayern gefallen. Bei der Durchsetzung des Judenedikts von 1813 vergaben die Beamten sechs Matrikelstellen für insgesamt 25 jüdische Frauen, Männer und Kinder. Nicht aufgenommen wurde der Privatlehrer (Salomon Lonnerstädter), dafür jedoch sein Sohn Moses, der 1811 einen Schutzbrief erworben, eine Vieh- und Weinhandlung gegründet und in die angesehene Haßfurter Familie von Israel Heßlein eingeheiratet hatte. Neben den Brüdern Israel und Seligmann Heßlein, die beide jeweils eine Spezereien- und Weinhandlung betrieben, gab es noch die Familien von Joseph Neubauer, Seligmann Dessauer und Jakob Friedmann. Sie lebten vom Handel mit Tuch und Schnittwaren, dem Viehhandel und Handel mit anderen, in den Matrikeln nicht näher definierten Waren. Weil die Söhne noch nicht alle über 13 Jahre alt und damit Religionsmündig waren, konnte wohl kein Minjan zustande kommen. Vielleicht erreichten sie aber das Quorum doch mit dem nicht erfassten Dienstpersonal, jedenfalls besaß die Gemeinschaft einen Betraum im Privathaus des Heßlein Lonnerstädter. Die Kinder besuchten seit 1819 die christliche Elementarschule.
Bis 1833 war die Zahl der jüdischen Bevölkerung Haßfurts auf 43 Personen in neun Haushalten angewachsen. Nach dem Tod des Religionslehrers Abraham Heßlein, der trotz seines hohen Alters zum Sprecher aller israelitischen Religionslehrer im Bezirk Haßfurt gewählt wurde, übernahm interimsweise der Westheimer Religionslehrer den Unterricht und kam zweimal wöchentlich in die Stadt. Weil die Gemeinde weiter anwuchs, unterrichtete ab 1866 eine neue, staatlich geprüfte Lehrkraft die Kinder und übernahm zudem das Amt des Vorsängers (Kantors) und Schächters. Mit dem Dienstantritt von Moritz Hammelburger begann 1886 gleichsam eine Ära, denn er wirkte 41 Jahre lang bis zu seinem Tod 1927. Hammelburger prägte nicht nur die Entwicklung der Haßfurter Gemeinde, sondern betreute im Lauf der Jahre auch die umliegenden, schrumpfenden Landgemeinden in Ebelsbach, Obereuerheim, Schonungen, Wonfurt und Zeil. Außerdem unterrichtete er in der Haßburger Realschule und engagierte sich im Gesangsverein als Kassier.
Entgegen der allgemeinen Tendenz verlor Haßfurt durch die große Auswanderungswelle des 19. Jahrhunderts keine Gemeindemitglieder. Trotz nicht zu leugnender Reibungen mit der christlichen Mehrheit in den 1830er und 1840er Jahren etablierten sich jüdische Familien als bedeutende Arbeitgeber. Insbesondere die Konfektions-Versandgeschäfte Adler, Baum, Neuberger beschäftigten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zahlreiche Angestellte. Das Wachstum setzte sich auch nach 1861 mit dem Wegfall der alten Judenparagraphen fort: 1869 lebten elf Familien im verkehrstechnisch günstigen, prosperierenden Städtchen. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 war mit Emanuel Kohnstamm auch ein Haßfurter jüdischen Glaubens gefallen. 1887/1888 konnte die Kultusgemeinde in der Nordöstlichen Altstadt einen neuen Gebäudekomplex für die Synagoge mit Schulhaus und Lehrerwohnung errichten (Schlesingerstraße 9).
Im Jahr 1909/1910 errichtete die Kultusgemeinde im Hüf südlich der Synagoge, in der Südostecke des Grundstücks eine neue Mikwe. Es handelte sich dabei um einen Anbau mit Pultdach an die Scheune des östlich angrenzenden Nachbarn (Schlesingerstraße 7). Das Ritualbad wurde über einen Vorraum betreten, in dem sich auch der Kessel zur Beheizung des Wassers befand, und den eigentlichen Baderaum mit Umkleide.
In der politischen Gemeindeversammlung gestaltete Hermann Adler die Geschicke Haßfurts mit, im Jahr 1911 erhielt er bei der Wahl des Gemeindekollegiums die meisten Stimmen, erhielt den Titel „Kommerzienrat“ und war mehr als 25 Jahre lang Kultusvorstand. Das stetige Wachstum der jüdischen Gemeinde beruhte nicht nur auf der wirtschaftlichen Anziehungskraft, sie wurde auch durch den Auflösungsprozess der umliegenden Landgemeinden begünstigt. So schlossen sich 1910 die letzten jüdischen Familien aus dem südwestlich gelegenen Wonfurt und 1920 jene aus Zeil a. Main der Haßfurter Gemeinde an. Im Ersten Weltkrieg fielen die Haßfurter Juden Luitpold Frank (1914), Louis Frank (1916) und Julius Silbermann (1916).
Während der 1920er Jahre erstarkte auch in Haßfurt das völkisch-antisemitische Gedankengut. Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten 72 Jüdinnen und Juden in Haßfurt. Im September 1935 erließ die Stadtverwaltung verschiedene diskriminierende Maßnahmen. Darunter war die Anweisung, keine Handelsabkommen mit den örtlichen Firmen mehr abzuschließen, die noch zu Juden Geschäftsbeziehungen hatten. Bedürftige der Stadt, die noch gesellschaftlich mit Juden Kontakt hielten, sollten nicht mehr finanziell unterstützt werden. Die jüdischen Einwohner durften u.a. keine städtischen Parkbänke mehr benutzen, auch nicht die öffentlichen Badeanstalten betreten. Jüdischen Kindern war der Zugang zu den Spielplätzen und Jugendzentren verboten. Bedingt durch die staatlich legitimierte Diskriminierung, Geschäftsboykotte und Drangsalierung sank ihre Zahl bis 1939 auf 33. Das Novemberpogrom 1938 erfasste Haßfurt mit voller Wucht. Die Synagoge wurde gestürmt, die Ritualien und die Inneneinrichtung vor dem Eingang öffentlich verbrannt. Im ganzen Gebäudekomplex gingen die Fensterscheiben zu Bruch. Jüdische Geschäfte und Wohnhäuser wurden geplündert und demoliert, die Männer verprügelt, verhaftet und im Gefängnis festgesetzt. Wie im Bezirk Hofheim wurden die jüdischen Männer in den Folgetagen unter dem erniedrigenden Banner "Kolonne Grünspan lernt arbeiten" zur Zwangsarbeit gezwungen. Zu den Inhaftierten gehörte auch Lothar Stein, der 1928 dem langjährigen Religionslehrer Moritz Hammelburger nachgefolgt war. Er hatte nicht nur in der jüdischen Religionsschule unterrichtet, sondern auch an der Privaten (christlichen) Mittelschule in den Fächern Erd- und Naturkunde, Zeichnen, Schönschreiben und Violinenspiel. Die verbliebenen Mitglieder der Kultusgemeinde hielten auch nach dem Novemberpogrom das Gemeindeleben so gut es ging aufrecht, unterstützte die Winterhilfe und organisierte einen Unterricht für die Kinder, denen der Zugang zur Schule verwehrt blieb. Von den 68 jüdischen Einwohnern, die bis 1941 die Stadt verließen, konnten 34 emigrieren (zwölf in die USA, elf nach Palästina, sieben nach England, drei nach Südafrika, einer in die Schweiz), 34 sind in andere deutsche Orte verzogen (Bamberg, Würzburg, Frankfurt). Am 22. April 1942 wurden 16 jüdische Einwohner über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert. Die beiden letzten Gemeindemitglieder kamen im September 1942 über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt. Insgesamt vierzig Jüdinnen und Juden, die in Haßfurt geboren oder dort registriert waren, verloren in der Schoah ihr Leben.
1952 ging das Synagogen- und Schulgebäude an die JRSO als Rechtsnachfolgerin der Kultusgemeinde zurück. Ein Bombentreffer hatte im II. Weltkrieg das anliegende Mikwengebäude zerstört, das Hauptgebäude überstand die Fliegerangriffe mit kleineren Schäden. 2011 wurde eine Informationstafel an der ehemaligen Synagoge angebracht. Bereits Anfang der 1980er Jahre begann die damalige Leiterin des Haßfurter Bibliotheks- und Informationszentrums, Cordula Kappner (1941-2017), sich mit der jüdischen Vergangenheit des Landkreises zu beschäftigen. Sie knüpfte Kontakte zu Überlebenden der Schoah und deren Nachfahren, hielt mündliche Erinnerungen fest und recherchierte in Archiven. Ihre Forschungsergebnisse sind nicht nur in viele Publikationen eingeflossen, sondern dienten auch jahrzehntelang als Grundlage für Schulprojekte, die Kappner initiierte und betreute. Ihr umfangreiches Privatarchiv soll im Museum Jüdische Lebenswege Kleinsteinach der öffentlichen Nutzung zugänglich gemacht werden. Derzeit lagert es noch auf Schloss Ebelsbach, jedoch wurde bereits eine Findliste erstellt.
Zum 50. Jahrestag des Novemberpogroms stiftete die deutsch-israelische Künstlerin Chana Pines (1930 als Hannelore Heimann in Haßfurt geboren) ein Denkmal, das in der Promenade nahe des Bahnhofs aufgestellt wurde. Seit 2015 befindet sich am Sockel eine zusätzliche Gedenktafel mit den Namen von 24 Haßfurter Opfern der Shoah.
(Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Haßfurt. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 485-497.
- Aubrey Pomerance: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Franken. In: Michael Brenner / Daniela F. Eisenstein (Hg.): Die Juden in Franken. München 2012, S. 95-113.
- Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt a.M. 1937, S. 132-137.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 219.
Weiterführende Links
- Gemeinde Haßfurt (Alemannia Judaica)
- Gemeinde Haßfurt (Alicke - Jüdische Gemeinden)
- Weinberg, Magnus, Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, 2 Bde., Frankfurt/Main 1937 u. 1938
- Privatarchiv Cordula Kappner (Museum Jüdische Lebenswege Kleinsteinach)
- Bericht zur 2015 angebrachten Namenstafel (haGalil.com)