In Erlenbach, etwa eine Gehstunde von Homburg (am Main) entfernt, lebten seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts jüdische Familien. Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs teilte sich die Erlenbacher Gemeinde einen Schullehrer mit Homburg a.Main. Gemäß der würzburgischen Judenerhebung des Jahres 1655 lebte in Erlenbach der Viehhändler Nathan mit seiner Frau und drei Kindern. Sein Vermögen wurde mit 95 Gulden angegeben, davon 30 Gulden Außenstände bei zehn Personen. Die Kosten für einen Lehrer teilten sich zu dieser Zeit immer noch Homburg und Erlenbach, was auf eine durchgehend bestehende kleine Gemeinde schließen lässt. 1685 waren zwei Juden, Salomon und Mayer, mit je drei Gulden dem Hochstift Würzburg schutzgeldpflichtig. Die Toten der Gemeinde wurde traditionell in Laudenbach bestattet, obwohl der Karbacher Friedhof näher lag. Die Gemeinde besaß ab 1767 eine Synagoge und ein bis 1827 nachweisbares Ritualbad.
Bis Mitte des 18. Jahrhunderts lebten kontinuierlich drei jüdische Familien in Erlenbach.1788 wird von Spannungen mit dem katholischen Ortspfarrer berichtet. Dieser wollte den Schabbatdienst von nichtjüdischen Mägden an Samstagen, die auf einen christlichen Feiertag fielen, verbieten lassen, ebenso den Gang zur Mikwe an Sonntagen. Bei einer Überprüfung der Schulverhältnisse wurden für Erlenbach 1809 drei schulpflichtige jüdische Kinder erfasst. Ihr Schullehrer, Emanuel Josef Befels, erhielt frei Kost und 66 Gulden Jahresgehalt. Die Matrikelverzeichnisse von 1817 und 1826 überliefern konstante Zahlen. 1817 waren gemeldet:
Samuel Aron Freudenreich (Vieh- und Pferdehandel; mit Frau und zwei Töchtern, Schutzbrief seit 1805)
Aron Löw Braunold (Warenhandel, Witwer mit einem Sohn und zwei Töchtern, Schutzbrief seit 1774)
Ephraim Löw Steudeler (Schmuserei, mit Frau und zwei Töchtern, Schutzbrief seit 1779)
Samuel Moses Mannheimer (Viehhändler mit Frau, einem Sohn und zwei Töchtern, Schutzbrief seit 1807)
Jacob Seligmann Reusenberger (Warenhändler, mit Frau und drei Töchtern, Schutzbrief seit 1798) und sein Bruder
Michael Seligmann Reusenberger (Schmuserei, mit Frau und einer Tochter, Schutzbrief seit 1807).
Im Jahr 1825 nahm die Stelle des vermutlich verstorbenen Aron Braunold Marx Freudenreich ein. Im Jahr 1833 erreichte die jüdische Gemeinde mit 8 Familien und 44 Seelen ihren Höchststand. Durch die allgemeine Aus- und Abwanderungsbewegung schrumpfte sie in den folgenden drei Jahrzehnten rapide. Der Schulunterricht wurde in Erlenbach bis 1864 aufrechterhalten, dann folgte die Eingliederung in die Homburger Schule. 1866 berichtete der Lokalschulinspektor, dass schon lange kein Minjan mehr zusammenkomme und die Erlenbacher inzwischen zum Gottesdienst die Homberger Synagoge besuchten. 1872 schlossen sich die verbliebenen Gemeindemitglieder der IKG Homburg am Main an. Im Jahr 1875 lebten nur noch vier Personen jüdischen Glaubens im Ort, 1910 gar keine mehr. Allerdings hielt die 1879 errichtete "Reis'sche Stiftung von Erlenbach" zur Armenunterstützung, mit der Verpflichtung des Kaddisch für das Stifterehepaar, zumindest noch den Namen der ehemaligen Gemeinde lebendig.
Bevölkerung 1875
Literatur
- Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Homburg mit Erlenbach. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Lisa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 197f.
- Dirk Rosenstock (Bearb.): Die Unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 19), S. 161.
- Historischer Verein Marktheidenfeld und Umgebung e.V. (Hg.) / Leonhard Scherg / Martin Harth: Juden im Landkreis Marktheidenfeld. Marktheidenfeld 1993 (= Publikationen des Historischen Vereins Marktheidenfeld und Umgebung e.V. 13).
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 54.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 231.
- K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36), S. 203.