1591 taucht erstmals im Salbuch der Stadt Dettelbach die Bezeichnung "Jüden Kirchhoff" für ein außerhalb der Stadtmauern gelegenes Kelterhaus mit Kelter auf, die auch 1717 in den Rentamtsbüchern und 1777 im Güterbelagsbuch genannt wird. Nachweisbar ist an dieser Stelle ein jüdischer Friedhof bisher allerdings bisher nicht. Dies gilt auch für ein anderes, rund einen Kilometer nordwestlich von Dettelbach gelegenes Grundstück, das im Urkataster von 1832 als "Judenfriedhof" bezeichnet wird. Auf die Präsenz von Juden in Dettelbach lässt erstmals ein Brief vom 8. Februar 1647 schließen, in dem der Rechtsgelehrte Franz Schildt dem Amtskeller, Bürgermeister und Rat mitteilte, dass dort lebende besitzlose Juden nur das Schutzgeld und außerordentliche Anlagen entrichten sollten.
Acht Jahre später werden in einem Verzeichnis des würzburgischen Amts Prosselsheim unter anderem die drei in Dettelbach lebenden Juden Salomon, genannt Langenfelder, Lazarus, auch der Großschlapper genannt, und Abraham Wolf als Darlehensgeber aufgeführt. 1675 lebten laut einer Mitteilung des Amts Dettelbach im Rahmen der vom Hochstift Würzburg durchgeführten Judenerhebung sieben jüdische Ehepaare mit 24 Kindern, ein Lehrer, eine Witwe, drei Knechte und vier Mägde im Ort. Rund 25 Jahre später, im Jahr 1699, war die jüdische Gemeinde in Dettelbach auf drei hochstift'ische Ehepaare, zwei ledige Männer, elf Kinder und vier Dienstboten geschrumpft. Bis auf den Lehrer und Vorsänger, für dessen Unterhalt alle Juden gemeinsam aufkamen, entrichteten alle Haushalte an die Stadt Dettelbach je sechs Reichstaler an Wacht-, Fron- und Brunngeld. In der Mitte des 18. Jahrhunderts war die Zahl der Dettelbacher Schutzjuden, die an die fürstbischöfliche Hofkammer Schutzgeld entrichteten, auf vierzehn Haushaltsvorstände gestiegen. Bis um 1800 besaß diese kleine Gemeinde eine eigene Begräbnisstätte, anschließend nutzte sie den Verbandsfriedhof in Schwanfeld.
Als Dettelbach 1803 an Kurbayern fiel, wohnten dort in 15 Haushalten 13 verheiratete Haushaltsvorstände, eine Witwe und ein lediger Haushaltsvorstand mit 14 Söhnen und 24 Töchtern, einem Knecht fünf Mägden. Die Dettelbacher Juden betrieben zu dieser Zeit nur Waren- und Viehhandel und mussten jährlich zwölf Gulden Schutzgeld entrichten. 1822 wurde die in der Judenmatrikel vorgeschriebene Zahl von 21 Familien auf 24 erweitert, stieg 1834 auf 25 und lag 1843 bei wiederum 24 Familien. Die Gemeinde gehörte nach der Neuordnung der bayerischen Rabbinate zum großen Distriktsrabbinat Würzburg.
Als 1817 die bayerische Judengesetzgebung eingeführt wurde, konnten die drei Brüder Abraham David, Beritz David und Löb David nicht ahnen, dass ihre Familie 1903 mit Theodor W. Adorno einen bedeutenden Philosophen, Musikkritiker und Soziologen hervorbringen sollte. Sie nahmen den Nachnamen "Wiesengrund" an, den Beritz` Urenkel Theodor als Mittelinitiale in seinem Namen führte. Damit wollte er seine Verbundenheit mit der aus Dettelbach stammenden Familie seines Vaters ausdrücken.
Bernhard Wiesengrund, Adornos Großvater, führte die kaufmännische Tradition seines als Immobilien- und Viehhändlers tätigen Vaters Beritz weiter, verlegte sich aber auf den Weinhandel und verließ um 1865 Dettelbach, um sich in Frankfurt am Main niederzulassen. Dort starb er 1870.
Erfolgreich in einer anderen Handelsbranche war auch Abraham David Wiesengrund, der Bruder von Adornos Urgroßvater Beritz David Wiesengrund: 1830 wechselte er vom Güter- zum Immobilienhandel und gründete in Dettelbach die heute in sechster Generation bestehende Nürnberger Immobilienfirma Wiesengrund & Co. Die ersten drei Nachfolger des Firmengründers – sein Sohn Moses, Enkel Salomon und Urenkel Moritz Karl – wurden noch in Dettelbach geboren. 1905 übersiedelte Salomon Wiesengrund mit seiner Firma, die heute zu den erfolgreichsten Unternehmen der Immobilienbranche in Franken gehört, nach Nürnberg.
1808 unterrichtete laut einem Bericht des Landgerichts Kitzingen der Dettelbacher Lehrer bei sich in der Lehrerwohnung 15 jüdische Schulkinder in Religion und im Lesen und Schreiben der hebräischen und deutschen Sprache. Zu seinem Schulsprengel auch die Weiler Bibergau und Mainsondheim, heute Ortsteile von Dettelbach. Jeweils die Hälfte des Lehrergehalts in Höhe von rund 120 Gulden wurden von der Gemeinde und den Eltern der Kinder bezahlt. Um den Nachwuchs an qualifizierten Lehrern zu sichern, empfahl das Landgericht, begabte junge Männer aus Dettelbach, Bibergau und Mainsondheim in das Würzburger Lehrerseminar zu schicken. Diese sollten nach dem Abschluss der Ausbildung in ihren Herkunftsorten als Lehrer eingesetzt werden. Rund zehn Jahre später unterrichtete der vom Oberrabbinat geprüfte Jakob Wassermann, der in der Gemeinde auch als Vorsänger und Schächter fungierte, acht Jungen und acht Mädchen. 1833 war die Zahl der in Dettelbach wohnenden jüdischen Familien auf 28 Familien angewachsen, von denen 16 ein Handwerk oder ein Gewerbe betrieben. Drei Familien betrieben Landwirtschaft, und zwei lebten von Handel und Buchführung, während sechs "Nothandel" (Kleinhandel ohne Buchführung) betrieben. Als 1861 die Dettelbacher Lehrerstelle neu besetzt werden musste, fasste die Kultusgemeinde in einer Übersicht die verschiedenen Einzelposten des Lehrer- und Vorsängergehalts zusammen. Zu den Aufgaben des neuen, aus Mainbernheim nach Dettelbach wechselnden Lehrers Jakob Kahn gehörten unter anderem die Aufrufe zur Tora an den besonderen Sabbat- und Feiertagsgottesdiensten und das Honorar für religiöse Lehrvorträge, die der Religionslehrer in der Gemeinde zu halten hatte. Kahns Nachfolge trat wahrscheinlich 1891 Hermann Weichselbaum an, der bis 1898 in Dettelbach unterrichtete.
Am 30. Dezember 1900 bestimmte die Gemeindeversammlung den aus Okriftel im damals preußischen Nassau stammenden Abraham Mannheimer zum Nachfolger Weichselbaums. Der Lehrer entstammte väterlicher- und mütterlicherseits gebildeten Familien: Während sein Vater Emmanuel Mannheimer mehr als 50 Jahre als Lehrer in den Kultusgemeinden Okriftel, Hattersheim und Hofheim tätig war, gehörte seine Mutter Rosa zur Familie Rabbiner Elieser Ottensoosers, des Leiters der Israelitischen Präparandenschule Höchberg. Abrahams Frau Berta wiederum war die Enkelin des Rabbiners Mosche Sonn aus Schweinshaupten und eine Verwandte des in Mainstockheim und Theilheim tätigen Lehrers Jakob Sonn.
Mannheimer war in Dettelbach eine angesehene Persönlichkeit und unterhielt zu seinen nichtjüdischen Mitbürgern, darunter dem katholischen Dekan Konrad Lippert, gute Kontakte. Großen Wert legte der Lehrer auf lokales und überregionales publizistisches Engagement: Er veröffentlichte nicht nur im „Fränkischen Anzeiger“ Beiträge zu heimatkundlichen Themen, sondern verfasste zahlreiche Artikel für jüdische Zeitschriften wie "Der Israelit", die „Bayerische israelitische Gemeindezeitung“ und das „Frankfurter Israelitische Familienblatt“. Nachdem die Kultusgemeinde bereits 1903 erwogen hatte, eine jüdische Elementarschule einzurichten, verfasste Mannheimer vier Jahre später eine Denkschrift, in der er sich für die Umwandlung der Religionsschule in eine Elementarschule aussprach. Dadurch sollte Mannheimer auch mit den christlichen Kollegen gleichgestellt werden, die ihn nicht als gleichwertig akzeptierten.
Da die jüdische Gemeinde nachweisen konnte, dass in den vergangenen und kommenden fünf Jahren rund 18 Kinder die Religionsschule besucht hatten oder besuchen würden, erhoben die Stadt Dettelbach und die Distriktsschulinspektion keine Einwände gegen die Umwandlung der Religionsschule in eine jüdische Elementarschule. 1909 genehmigte die Kreisregierung schließlich den Betrieb der Elementarschule, die am 28. April 1910 eröffnet wurde.
Das Verhältnis Mannheimers zu den katholischen Ordensfrauen, die in der Volksschule unterrichteten, war zu dieser Zeit sehr gut. Dies zeigte sich am 18. Oktober 1908, als Mannheimer beim zehnjährigen "Schul-Jubiläum" der Nonnen den in den katholischen Schulen Dettelbachs herrschenden "Geist der Liebe und Milde" lobte.
Zu Beginn der 1920er Jahre waren die Dettelbacher Juden gut in die Stadtgesellschaft integriert. Dazu trug nicht nur die Persönlichkeit Mannheimers, sondern auch der gute Ruf der jüdischen Weinhändler, der Einfluss der Bayerischen Volkspartei und das "Fränkische Volksblatt" mit dem Würzburger Domkapitular Heinrich Leier als Hauptschriftleiter maßgeblich bei. Deswegen blieben antisemitische Ausschreitungen, die in den 1920er Jahren im südlichen Maindreieck zunahmen, in Dettelbach die Ausnahme. Eine Hetzveranstaltung blieb ohne weitere Folgen: Am 1. Oktober 1922 fand in der Gaststätte "Schießhaus" eine antisemitische Kundgebung des "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes" mit der Hetzrednerin Andrea Ellendt statt. Das gegen Ellendt nach dem Republikschutzgesetz angestrengtes Strafverfahren endete allerdings mit einem Freispruch.
Da im Schuljahr 1921/1922 keine Vorbereitungs- und Unterklasse mehr zustande gekommen waren und die Mittelklasse nur noch aus fünf und die Oberklasse aus sieben Schülern bestand, wurde die jüdische Volksschule 1923 aufgelöst. Mannheimer, der am 1. Dezember 1923 in den vorzeitigen Ruhestand ging, erteilte allerdings den jüdischen Kindern aus Dettelbach bis 1937 noch Religionsunterricht: In der Gemeinde war er als Vorsänger und Schächter tätig. Trotz des weitgehend unproblematischen Zusammenlebens zwischen Juden und Nichtjuden in Dettelbach wies Mannheimer seit Mitte der 1920er Jahre auf Phänomene wie die Schändung jüdischer Friedhöfe durch die Nationalsozialisten, deren Kriegshetze und die Einführung völkischer Schulgebete in Thüringen hin. Auch für nicht aus der Region stammende Juden war Dettelbach als Urlaubsziel interessant. In den Jahren 1924, 1931 und 1932 veranstalteten aus Fürth und Frankfurt am Main stammende "Esra-Gruppen", Mitglieder des orthodoxen Flügels der jüdischen Jugendbewegung, in Dettelbach Jugendfreizeiten. Zum Programm gehörten das Studium der Tora und des Talmud, aber auch Vorträge, Diskussionen und Spiele gehörten. Untergebracht waren die Jugendlichen zuerst im Gasthaus Zum Löwen, zu Beginn der 1930er Jahre dann in der "Steigmühle". Möglicherweise kamen die Jugendlichen auf Mannheimers Vermittlung nach Dettelbach, der in "Der Israelit" begeistert von den Jugendfreizeiten berichtete.
In der Zeit von 1933 bis 1939 hatten bereits 13 von damals 39 jüdischen Dettelbachern die drohende Gefahr erkannt. Sie emigrierten wie Dr. Sieghart Weichselbaum und seine Schwester Hermine in die USA oder wie Max Weichselbaum und Anni Laubheim nach Palästina. 1939 lebten noch 26 Juden in der Stadt.
Aus der NS-Zeit sind antisemitische Ausschreitungen gegen Juden in Dettelbach bisher nicht bekannt geworden. Damit unterscheidet sich der Ort von allen anderen Gemeinden des Landkreises Kitzingen. Dies gilt auch für das Novemberpogrom von 1938, bei dem auf Gewaltanwendung gegen Juden wohl weitestgehend verzichtet wurde. Einige Dettelbacher Juden wurden aber verhaftet und im Gefängnis des Kitzinger Amtsgerichts inhaftiert. In den Jahren 1939 und 1940 wurden die Dettelbacher Juden in einigen "Judenhäusern" zwangsweise einquartiert. Auch Abraham Mannheimer und seine drei Töchter Frieda, Lea und Sara mussten ihr Haus verlassen und in das Haus der ebenfalls jüdischen Familie Laubheimer einziehen.
Nachdem Mannheimers Töchter bereits am 25. April 1942 von Würzburg nach Krasniczyn deportiert worden waren, wurde auch ihr Vater am 23. September 1942 nach Theresienstadt verschleppt. Insgesamt fielen der Shoa 41 Juden zum Opfer, die entweder zum Zeitpunkt der Deportation in Dettelbach wohnten oder die Stadt wie Ludwig Kronthal, der in die Niederlande emigriert war, und der in Frankreich aufgegriffene Edmund Steinberger zuvor verlassen hatten.
Jüdisches Leben kehrte nicht mehr nach Dettelbach zurück. Die Kommune beteiligt sich am Projekt DenkOrt Deportationen mit zwei Gepäckstücken: Eines erweitert das zentrale Mahnmal auf dem Würzburger Bahnhofsplatz, das Gegenstück erinnert vor Ort an die deportierten Opfer der Shoah.
(Stefan W. Römmelt)
Bevölkerung 1910
Literatur
- Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Dettelbach mit Bibergau. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 955-976.