In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts versuchten die Gemeinde und der Ortspfarrer mehrfach, die örtliche Judenschaft und ihren Betraum abzuschaffen. Daraus darf man schließen, dass es spätestens seit jener Zeit eine jüdische Gemeinde und einen gemeinsamen Betsaal in Sommerhausen gab. Sein Standort ist jedoch nicht überliefert. 1749 genehmigte der damalige Grundherr Graf Johann Eberhard von Rechteren-Limpurg (1714–1754) die Errichtung einer Synagoge. Zu diesem Zweck erwarb die Kultusgemeinde das Anwesen des Schutzjuden Jakob Pollin (Hetschengasse 100, heute Casparigasse 2), das im Westteil des Dorfes lag.
Es bestand laut einer Beschreibung aus dem 19. Jahrhundert aus einem unterkellerten Wohnhaus, einer Halle, einem Abtritt und einem Hofraum. Die Gemeinde ließ das Anwesen zum Gemeindezentrum umbauen. Dazu gehörte eine vermutlich im Fachwerk ausgeführte Synagoge mit Pallisch zur Straße hin. Von dem Vorbau aus erreichte man über eine Treppe, die entlang der westlichen Giebelwand verlief, die Frauenempore. Winkelförmig dazu angeordnet, schloss sich im Osten ein zweigeschossiges Gemeindehaus an, in dem später ein Schulzimmer, die Lehrerwohnung, sowie eine Mikwe im Keller Platz fanden. Unbekannte beschädigten die neue Synagoge bereits im Jahr ihrer Errichtung. Daraufhin erfolgte die öffentliche Bekanntmachung, dass jeder, der das jüdische Gotteshaus demoliert, mit einer empfindlichen Strafe zu rechnen hätte.
1843 bis 1845 nahm man an der Synagoge und dem Gemeindehaus einen vollständigen Umbau vor und modernisierte die Keller-Mikwe im Gemeindehaus. Der Sakralbau war damals einsturzgefährdet. Durch die 1941 erfolgten Veränderungen der Bausubstanz und den späteren Umbau des Komplexes zur katholischen Kirche sind die damaligen baulichen Veränderungen nicht mehr vollständig erkennbar. Nachweislich steht aber fest, dass man damals eine Verlängerung der Synagoge nach Westen, eine Vereinheitlichung ihrer nördlichen Längsseite und die Zusammenlegung der beiden Häuser unter einem gemeinsamen Satteldach vornahm. Die neue Frauenempore an der Westseite ruhte auf drei außen angebrachten Stützen.
1841 erließ der Rabbinatsdistrikt Marktsteft eine Synagogenordnung. Der Sommerhausener Synagogenvorstand Adler musste in den Jahren 1847 und 1860 ausdrücklich auf die darin formulierten Vorschriften verweisen, um Missständen, die die Andacht der gemeinsamen Gebetsstunden empfindlich störten, entgegen zu wirken.
1929 erhielt die Synagoge noch einen neuen Kamin, wurde aber vermutlich seit dieser Zeit nicht mehr regelmäßig für Gottesdienste genutzt. Einrichtungsgegenstände und Ritualien hat man wohl im Jahr 1937 weggegeben. Bereits 1938 wurde das Gebäude von Christen und Juden gemeinsam als Getreidespeicher und Abstelllager verwendet. Trotzdem stürmten SA-Leute und einheimische Christen während des Novemberpogrom 1938 die Synagoge. Sie warfen alle Fenster ein, zerstörten das Hoftor, beschädigten die eingelagerte Ernte und zertrümmerten eine Steintafel mit hebräischer Inschrift. Danach eignete sich die Kommune das Gebäude an und und baute es 1941 zur Unterkunft für Landarbeiterinnen um.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente der einstige jüdische Kultbau zunächst als Möbellager; im jüdischen Gemeindehaus wohnten vier Familien. In den 1950er Jahren erwarb das Bischöfliche Ordinariat Würzburg von der JRSO die einstige Synagoge für die katholische Gemeinde in Sommerhausen. Ihr Betsaal wird seit 1953 als Marienkapelle der Pfarrei St. Nikolaus von Eibelstadt genutzt. Deren Innenraum wurde 1988 neu gestaltet. Eine Gedenktafel, angebracht an der Hausmauer zur Casparigasse, erinnert an die ehemalige Funktion des Gebäudes als jüdische Synagoge. Im Inneren der Marienkapelle informieren Plakate über die jüdische Vergangenheit des Hauses. Einige Teile der alten Synagoge sind bis heute erhalten, u.a. die Fenster und die steinerne Einfassung des früheren Toraschreins.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Casparigasse 4, 97286 Sommerhausen
Literatur
- Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Sommerhausen. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 793-805.
 - Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 706.
 
