Eine "förmliche" oder "offene" Synagoge, das heißt einen eigenen Bau nach dem Vorbild der großen jüdischen Gemeinden, gab es am Ort nicht. In den schriftlichen Quellen ist die Rede von der "Schule" ("Judenschule") oder dem "Betraum", einem Raum in einem privaten Wohnhaus, in dem nicht nur Gottesdienst gefeiert und gemeinsam gebetet, sondern auch Versammlung und religiöse Unterrichtung gehalten wurde. Die erste "Schuhl", so heißt es 1773, bestand "schon von den Zeiten her, wo der erstere Jud die Stadt Rottenfels betretten". Sie befand sich im 18. Jahrhundert im Haus des Moyses (Moyses Lazarus) (1694/95-1775) in Rothenfels, der heutigen Hauptstraße 14, im ausgebauten Dach eines 1977 durch einen Neubau ersetzten Fachwerkhauses. Eine zugehörige Mikwe ist hier anzunehmen, aber nicht nachweisbar.
Nach den Ausweisungen aus der Stadt Rothenfels in das Dorf Bergrothenfels richteten die "Dorfjuden" 1750 einen eigenen Gemeinderaum ein, wogegen die "Stadtjuden" einen jahrelangen vergeblichen Rechtsstreit führten. Die "Schuhl" in Bergrothenfels befand sich im Wohnhaus der Familie Männlein (Freudenberger) "in einer kleinen Stube oder Ercker oben untern Dachstuhl". Es handelt sich um das inzwischen mehrmals modernisierte Haus Bergrothenfelser Straße 30. Nach einem Brand am 24. April 1772 wieder aufgebaut, war die Betstube laut einer Beschreibung des Amtskellers ausgestattet mit einem Almemor in der Raummitte, einem "Gestell" zum Auflegen der Schriftrollen und dem Hakodesch zur Aufbewahrung der heiligen Schriften. 1857 wird sie beschrieben als unscheinbarer "Erkervorsprung" im Satteldach des Hauses, zu dem eine steile hölzerne Stiege führte. Seit 1775 diente der Raum den Familien aus Stadt und Dorf als gemeinsames Zentrum ihres Gemeindelebens. Eine Mikwe im Untergeschoss des Hauses, als Keller in den Hang vertieft, war bei einem Umbau 1977/78 sichtbar, bevor sie ohne Dokumentation des Bestandes zugeschüttet und die hierher führende Wasserader in die Kanalisation abgeleitet wurde. Eine formelle Auflösung der Synagoge ist nicht nachweisbar; sie kam wohl stillschweigend mit dem Aussterben der Gemeinde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Persönlicher Dank geht an Dr. Winfried Mogge (Berlin) für seine freundliche Unterstützung
(Patrick Charell)
Bilder
Literatur
- Winfried Mogge, "Wir hingegen in gedachten städtlein gebohren und gezogen seyn...". Auf den Spuren der Juden von Rothenfels am Main. Würzburg 2015 (= Beiträge zur Geschichte von Rothenfels am Main 1).
- Winfried Mogge: Spuren einer Minderheit. Das Beispiel Rothenfels: Juden mussten stets um ihren Platz in der Gesellschaft bangen. In: Spessart. Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart, Jg. 111, Januar 2017, S. 16-21.