Jüdisches Leben
in Bayern

Oberaltertheim Synagoge

Vermutlich trafen sich in der ersten Hälfte des 18. Jh. die jüdischen Bewohner von Oberaltertheim mit den Israeliten im ein Kilometer entfernten Unteraltertheim zum gemeinsamen Gebet. Wo sich damals ihr Betsaal befand, ist nicht bekannt. Seit spätestens 1775 verfügte die Oberaltertheimer Judenschaft über eine eigene Kultusgemeinde, ihr Vorsitzender Mosche spendete damals einen Toramantel. Die jüdische Gemeinde erwarb 1785 von Hans Häuslein ein Wohnhaus, in dem seit 1750 Moses Simon wohnte, um darin eine Synagoge einzurichten. Dafür mussten sie an die Herrschaft die hohe Summe von 300 Gulden bezahlen und künftig an die Gemeindeverwaltung jährlich eine Abgabe von 1 Kreuzer und 1 1/2 Pfennig leisten.

1825 vernichtete ein Großfeuer die Synagoge. Die Kultusgemeinde suchte sich danach einen neuen Bauplatz. Ab 1827 entstand am östlichen Dorfende eine freistehende zweigeschossige Synagoge (Nr. 102, später Zaunlücke 2). Es handelte sich um eine einfache, im Massivbau errichtete Landsynagoge mit Halbwalmdach. Der quadratische Betsaal verfügte über 48 Männersitze; auf der Frauenempore gab es 22 Plätze. Da das Bauprojekt die finanziellen Mittel der Kultusgemeinde überstieg, wurde bei der Regierung des Untermainkreises die Erlaubnis zur Abhaltung einer Kollekte beantragt, was man jedoch nicht genehmigte. Einen Höhepunkt im Gemeindeleben bedeutete die Stiftung und Indienstnahme einer neuen Torarolle. Sie wurde am 10. Juni 1882 mit großen Feierlichkeiten und vielen Gästen in der Synagoge vollzogen. Der Kunsthistoriker Theodor Harburger inventarisierte den Sakralbau in den 1920er Jahren. Als wertvollstes Ausstattungsstück bezeichnete er den 1775 gestifteten Toramantel aus gelber Seide, der u.a. mit Silber-, Bunt- und Paillettenstickereien geschmückt war. Daneben bemerkte er jedoch besorgt, dass der Verputz der Synagoge ausgebessert werden müsste, eine Reparatur, die von der sehr verarmten Gemeinde offenbar nicht mehr geleistet werden konnte.

Beim Novemberpogrom 1938 bewaffneten sich die örtlichen SA-Leute und einige Bürger, die sich ihnen angeschlossen hatten, mit Beilen, Pickel, Hacken und Knüppeln. Anschließend brachen sie in die Synagoge auf, plünderten sie, zerstörten die Inneneinrichtung und die gesamte Ausstattung, darunter auch zwei Torarollen. Am 22. August 1939 erwarb die Gemeinde die Synagoge weit unter Wert und ließ sie zum Feuerwehrhaus umbauen.

In den 1950er Jahren leistete die Kommune der Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) eine Ausgleichszahlung für die als Feuerwehrgerätehaus genutzte ehemalige Synagoge. Das Gebäude wurde bis 1990 zu diesem Zweck genutzt und dann abgerissen und durch einen Feuerwehrhaus-Neubau ersetzt.


(Christine Riedl-Valder)

Literatur

  • Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Oberaltertheim und Unteraltertheim. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 750-762.