Jüdisches Leben
in Bayern

Nürnberg 4, Hans-Sachs-Platz (1874-1938) Synagoge

Am 4. März 1867 erwarb die Kultusgemeinde für 46.000 Gulden den Kleining’schen Gebäudekomplex am Spitalplatz, der aus den Häusern Nr. S 1169 und S 1178 (heute Hans-Sachs-Platz 4 und Neue Gasse 12) bestand und im Volksmund auch als Harsdörferhof bekannt war. Nach einem Architekturwettbewerb entschied sich ein fünfköpfiges Gremium (auch aus Kostengründen) für den Entwurf von Christoph Adolf Wolff (1832-1885) aus Stuttgart. Nach einer Überarbeitung der Pläne durch den königlichen Baukunstausschuss begannen im Frühjahr 1869 die Arbeiten mit dem Abbruch des alten Anwesens. Die Kosten für das Gotteshaus überstiegen alle Kalkulationen, vor allem die Konsolidierung des direkt an der Pegnitz gelegenen Baugrundes erwies sich als kostspielig und zeitintensiv.

Am 4. März 1867 erwarb die Kultusgemeinde für 46.000 Gulden den Kleining’schen Gebäudekomplex am Spitalplatz, der aus den Häusern Nr. S 1169 und S 1178 (heute Hans-Sachs-Platz 4 und Neue Gasse 12) bestand und im Volksmund auch als Harsdörferhof bekannt war. Nach einem Architekturwettbewerb entschied sich ein fünfköpfiges Gremium (auch aus Kostengründen) für den Entwurf von Christoph Adolf Wolff (1832-1885) aus Stuttgart. Nach einer Überarbeitung der Pläne durch den königlichen Baukunstausschuss begannen im Frühjahr 1869 die Arbeiten mit dem Abbruch des alten Anwesens. Die Kosten für das Gotteshaus überstiegen alle Kalkulationen, vor allem die Konsolidierung des direkt an der Pegnitz gelegenen Baugrundes erwies sich als kostspielig und zeitintensiv. Dafür schuf Wolff bis 1874 eine der bedeutendsten Synagogen im Deutschsprachigen Raum, für die er sich an der älteren Synagoge seines Lehrmeisters Gustav Adolf Breymann in Stuttgart orientierte und die wiederum Wolffs weitere Synagogenbauten in Heilbronn (1877), Karlsbad (1878) und Łódź (1887) inspirierte. Rundbogenstil und spätromanischer Vierungsturm knüpften an die mittelalterliche Vergangenheit der Juden in Deutschland an und ließen damit auch den christlichen Sakralbau in die Architektur einfließen. Das mächtige jüdische Gotteshaus stellte sich so in eine direkte, selbstbewusste Konkurrenz zu den Doppeltürmen von St. Sebald und St. Lorenz. Eine reiche maurische Dekoration betonte vor allem im Innenraum die orientalischen Wurzeln des Judentums, weckt aber gleichzeitig auch Reminiszenzen an die byzantinische Palastkapelle von Palermo und ihr modernes Ebenbild, die 1826 bis 1837 erbaute Allerheiligen-Hofkirche in München.

Die Frauenempore umspannte die dreischiffige Männerabteilung im Norden, Westen und Süden. Mit der feierlichen Einweihung am 8. September 1874 waren die Bauarbeiten an der Synagoge noch lange nicht beendet. Bis 1875 wurde noch an der Einfriedung des Synagogengrundstücks gearbeitet und eine Warmluftheizung eingebaut, die jedoch nur mangelhaft funktionierte und in den kommenden Jahren immer wieder kostspielige Reparaturen benötigte. Aus dem Jahr 1883 sind Baupläne für zwei Treppenhausanbauten an der nördlichen und südlichen Fassade zur Binsengasse erhalten – ob sie je zur Ausführung kamen, ist nicht bekannt. 1895 wurde elektrisches Licht in der Synagoge installiert. Hoher Besuch kam in Person des bayerischen Prinzregenten Luitpold (1886 und 1896), Prinz Ludwig von Bayern (1895), des preußischen Kronprinzen Friedrich (vor 1887) und Kaiser Wilhelms II mit seiner Gemahlin Auguste Viktoria (1897).

Bestürzend schnell zeigten sich am jüdischen Gotteshaus schwere statische Mängel: Die 1899 überarbeitete Kuppel zeigte kurz darauf wieder tiefe Risse und musste 1902 noch einmal grundlegend renoviert werden, wobei man wegen der akuten Einsturzgefahr Tambour und Kuppel vollständig entfernte und auf einer aufgesetzten Eisenkonstruktion installierte. 1913 fielen noch einmal Arbeiten an der Freitreppe zum Hauptportal an. Auch die Akustik des Gebäudes lies zu wünschen übrig, daher wurde 1918 auf Wunsch von Rabbiner Freudenthal vor dem Toraschrein eine zweite Kanzel errichtet. 1921 erwarb die Nürnberger Kultusgemeinde aus dem Bestand der aufgelösten Synagoge Redwitz einige Ritualien und Synagogenbänke.

Bereits 1924 musste die gesamte Synagoge erneut vollständig renoviert werden. Die Arbeiten zogen sich über dreieinhalb Jahre hin und kosteten 130.000 Reichsmark. Bei dieser Gelegenheit ließ die Kultusgemeinde den gesamten Innenputz erneuern und die Ornamente mit Blattgold überziehen. Außerdem kam ein symbolkräftiges Relikt aus der jüdischen Geschichte Nürnbergs in die Synagoge: Der "Judenstein" aus dem 15. Jahrhundert, der vom gotischen Toraschrein der zweiten Synagoge stammte und sich seit 1909 im Besitz der Kultusgemeinde befunden hatte. Jetzt wurde er an der Westwand eingebracht und mit einer Gedenktafel versehen. Die Synagoge wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1938 vollständig abgerissen und der heutige Hans-Sachs-Platz angelegt. Die TU Darmstadt erstellte in den 2000er-Jahren als Forschungsarbeit ein 3D-Modell der Hauptsynagoge.

Die 546 Männer- und 389 Frauensitzplätze der neuen Synagoge boten bei weitem nicht genug Platz für alle Nürnberger Juden, daher fanden bis 1933 im Gemeindehaus Filialgottesdienste statt. Dafür richtete der Vorstand einen Betsaal mit 200 Plätzen ein, in dem auch die weniger besuchten Werktagsgottesdienste stattfanden. Weitere Gottesdienste wurden in angemieteten Räumen gefeiert, etwa dem Herkulessaal in der Treustraße 9 (heute Nürnberger Schauspielhaus) und im Saal des Industrie- und Kulturvereins am Frauentorgraben 49. 


(Patrick Charell)

Adresse / Wegbeschreibung

Hans-Sachs-Platz an der Spitalbrücke (Gedenkstein), 90403 Nürnberg

Literatur

  • Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas / Cornelia Berger-Dittscheid: Nürnberg. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßlerm Lindenberg im Allgäu 2010, S. 466-505.
  • Technische Universität Darmstadt, Fachgebiet CAD in der Architektur / Manfred Koob (Hg.): Synagogen in Deutschland. Eine virtuelle Rekonstruktion. Basel / Boston / Berlin 2004, S. 50-57.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 627-632.
  • Michael Eissenhauer: Die Nürnberger Synagoge von 1874. Zwischen Emanzipation und Assimilation. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 353-368.