Jüdisches Leben
in Bayern

Gleusdorf Synagoge

Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert gab es in Gleusdorf wohl nur einen Betraum. Erst als die Zahl der jüdischen Bevölkerung stark angestiegen war, plante die Gemeinde in den 1850er-Jahren eine Synagoge. Zur Finanzierung organisierte sie eine Kollekte in den bayerischen jüdischen Gemeinden. König Maximilian II. stimmte im Juni 1855 zu, "dass zur Unterstützung der Israeliten zu Gleusdorf, Königlichen Landgerichts Baunach, bei dem Neubaue ihrer Synagoge, in allen Synagogen eine Sammlung frommer Gaben veranstaltet werden dürfe". Wohl um 1856/57 wurde das Gotteshaus im historisierenden Stil erbaut und eingeweiht. Trotz seiner bescheidenen Ausmaße (ca. 9,3 x 7 m) und der schlichten Fassadengestaltung strahlt der Sandsteinquaderbau bis heute eine repräsentative Würde aus.

Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde 1909 wurde das Synagogengebäude verkauft. Es kam in Privatbesitz und wurde später als Mehrzweckraum (Werkstatt, Abstellraum usw.) verwendet. Das Gebäude ist bis zur Gegenwart erhalten. Im Inneren ist noch der blaue Innenanstrich erkennbar, gleichfalls die Spuren des Aron-ha-Kodesch. 2016 wurde das Synagogengebäude von der Gemeinde Untermerzbach erworben und 2019/21 renoviert. Seit der Einweihung im Juni 2021 dient die ehemalige Synagoge mit dem Nebengebäude als Lernort und Dokumentationszentrum zur orts- und jüdischen Geschichte. Ein Geschichtspfad zum fränkischen Landjudentum verbindet die beiden Synagogen Gleusdorf und Memmelsdorf. Die Synagoge Gleusdorf kann mit einem 3D-Rundgang erkundet werden.


(Patrick Charell)

 

Adresse / Wegbeschreibung

Dorfstraße 3, 96190 Gleusdorf/Untermerzbach

Literatur

  • Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Memmelsdorf mit Gleusdorf. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 539-564.
  • Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 13), S. 136-137.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 65.