Codex Maximilianeus. Landrecht / Policey: Gerichts- Malefitz- und andere Ordnungen der Fürstenthumben Obern und Nidern Bayrn, 6. Teil (Polizey-Ordnung), Buch V Titel 1: Von den Juden. München 1616, S. 671-674. Stadtarchiv Traunstein.
Vorbemerkung
Als Herzog Maximilian I. (reg. 1597-1651) den Thron bestieg, stand er vor großen Herausforderungen. Das Land war durch durch die streng katholische Politik seiner Vorgänger zwar innerlich gefestigt, aber die bayerischen Wittelsbacher hatten dabei über ihre Verhältnisse gelebt und die Verwaltung des Landes vernachlässigt. Durch verschiedene proto-absolutistische Reformen baute Maximilian binnen kurzer Zeit eine effiziente Bürokratie auf, förderte die Wirtschaft und sanierte den Staatshaushalt. Durch eine Heeresreform wurde Bayern schließlich zur führenden katholischen Macht im Reich. Dadurch konnte Maximilian I. dem Habsburger Kaiser Ferdinand II. die Bedingungen für seine Unterstützung im Dreißigjährigen Krieg 1618-1636 diktieren: Maximilian sicherte sich und seinen Nachfahren die Oberpfalz sowie 1623 die Kurwürde.
Nach jahrelanger Vorbereitung wurde 1616 in München der nach ihm benannte "Codex Maximilianeus" von den Landständen verabschiedet. Der Kodex stellte erstmals eine Rechtseinheit im Herzogtum Bayern her, wobei Ober- und Niederbayern zumindest im Fließtext formal getrennte Einheiten ("Fürstentümer") blieben. Das 5. Buch "Von den Juden" übernimmt in weiten Teilen den Wortlaut der bestehenden Landordnung (siehe z.B. die Landordnung 1553). Auffällig ist jedoch, dass Kapitel 5 und 6 zusammengelegt und deutlich verschärft wurden. Jetzt standen nicht nur "wucherische" Kredite, sondern jegliche Art von Geschäftstätigkeit mit bayerischen Staatsangehörigen im Ausland unter Strafe, damit "kein Jude zu handeln Ursache habe oder gewänne". Das monumentale juristische Standardwerk wurde 1756 durch den modernisierten Codex Maximilianeus Bavaricus abgelöst. Unabhängig davon blieb das allgemeine Aufenthalts- und Handelsverbot für Juden bis zum Bayerischen Judenedikt 1813 in Kraft.
Quellentext
Der erste Artikel
Dass die Juden mit ihren Personen in den Fürstentümern Bayern keine Wohnstatt mehr haben / noch auch sonst darin Handel treiben ["handthieren"] sollen.
Nachdem Unsere geehrten Vorfahren ["Voreltern"] und regierende Fürsten / mit der gnädigsten Bewilligung der Römischen Kaiserlichen Majestät / und mit Rat Unserer Landschaft [= Landstände: Klerus, Adel, Bürger] die Juden mitsamt ihren Weibern und Kindern / auch allen ihren haushaltlichem Wesen [Personal] und Handel aus unseren Fürstentümern [Ober- und Niederbayern] geschafft haben: So wollen wir und gebieten ernstlich, dass hinfort an kein Jude / noch Jüdin in unseren Fürstentümern / weder mit häuslicher Wohnung noch Gewerbe / oder auf Handlungsreise mehr kommen [dürfen] / noch darin von jemandem geduldet oder aufgenommen werden mögen / sondern sich aller Handelstätigkeit mit Leihen [Kredithandel] / Versatzungen [Pfandleihe] / Einkauf / Verkauf / und allgemein allen Hantierungen / wie sie Namen haben oder genannt werden mögen / im erwähnten Unseren Fürstentümern / dergleichen auch mit Unseren Landsassen / und Unserer Länder Einwohner / Untertanen / und Zugehörigen / ganz und gar enthalten / und Unser Land gänzlich meiden.
Der zweite ["ander"] Artikel
Wie die Juden ihre Schulden und andere Forderungen bei den Einwohnern der Fürstentümer einbringen und heischen [fordern] sollen.
Gesetzt den Fall, dass einer oder mehrere der Juden mit jemanden / ehe derselbe in Unsere Fürstentümer mit häuslicher Wohnung gezogen ist / aufrechte und redliche Verträge und Handlungen gepflegt, / und deshalb an einem solchen / der jetzt in Unserem Land wohnt / redliche Ansprüche und Forderungen hätte: / der oder dieselben [Juden] sollen diese durch einen Gewalthaber (doch dass er kein Jude sei!) wie es sich gebührt / in der Güte ersuchen und einbringen, / oder wo die Güte nicht verfänglich sein wollte / vor der ordentlichen Obrigkeit mit rechtlicher oder gütlicher Klage darum anhalten lassen [d.h. einen Gerichtsprozess anstrengen].
Der dritte Artikel
Wie sich die Juden im Durchzug durch die Länder zu Bayern durch den Erwerb eines Geleitbriefs ["Glait" = Passierschein] und sonst halten sollen.
So es sich denn ergibt, dass es eines Juden oder einer Jüdin Notdurft erfordern würde [= das es zwingend notwendig ist], / durch Unsere erwähnten Fürstentümer zu ziehen, / so sollen sie ohne einen Geleitbrief nicht über die Grenze dürfen, / sondern denselben Geleitbrief bei einer unserer Maut- oder Zollstationen, / welche an den Grenzen / da sie Unser Fürstentum antreffen / die erste und nächste ist / ersuchen / und auf ihrer des Juden oder der Jüdin Kosten annehmen [sprich: erwerben] / auch mit demselben Geleit / den nächsten geraden Weg ["gestrackten Weeg"] / durch Unser Fürstentum ziehen: Also das sie keine Nacht zweimal am selben Ort bleiben ["da sie die vorder gewest seind"] / bis sie mit gewöhnlichen Tagesreisen daraus kommen / es sei denn / dass sie ihren Sabbath unterwegs feiern ["das sie ihr Sabath ungefehrlich underwegen betreffen wurde"].
Und damit in solchem [Falle] kein Missbrauch geschehe ["kein gefehrde gebraucht werde"] / soll in dem Geleitbrief die Zeit desselben gegebenen Geleits / dergleichen auch der Ort / dahin der Jude oder Jüdin (welchen der Geleitbrief ausgestellt wird) ihren Weg nehmen / bestimmt sein / damit man wissen und sehen könne / ob sie den geraden Weg / unverzüglich durchreisen: Doch sollen sie sich mit solchem Geleit / bei allen und jedem Unseren Maut- und Zollstationen / die sie an ihrem Durchzug unterwegs haben / melden / und daselbst das gebührende Geleitgeld / wie von Alters her / bezahlen: Wo sie auch mautpflichtige oder zollpflichtige Güter mit sich durchführen / die gebührende Maut und Zoll dafür geben / Und ein jeder Mautner oder Zöllner / soll sich mit eigener Hand / auch die Zeit / da sich der Jude oder Jüdin angesagt hat / auf das betroffene [„berürt“] Geleit unterschreiben / damit ein jeder Mautner oder Zöllner sehen möge / ob sich der Jude an der vorderen Maut- oder Zollstation angesagt / und daselbst was sich gebührt / bezahlt habe. Sie die Mautner und Zöllner / sollen auch die Juden oder Jüdin mit dem Geleitgeld / auch Maut und Zoll / nicht der alten Gewohnheit zuwiderhandeln und die Gebühr [zusätzlich] erhöhen / und in solchem Durchzug sollen die Juden oder Jüdin / mit niemanden ganz einerlei was für ein Gewerbe oder Handel treiben.
Der vierte Artikel.
Von der Bestrafung der Juden, wenn sie dieses Gebot übertreten.
Wo aber unsere Amtsleute und andere Obrigkeiten / gedachte Juden oder Jüdin, [wenn sie] ohne Geleitbrief in Unseren Fürstentum betreten / oder ob sie gleich einen haben / aber sich [an] denselben mit [dem] geraden Durchzug / durch eine andere als die festgelegte Streckenführung ["in anderer Weg als obsteet"] / nicht gemäß halten / so ist Unser ernstlicher Befehl und Meinung / das sie dann dieselben / mit ihrem Leib und Gütern aufhalten / ins Gefängnis nehmen / Und Uns oder Unsere Regierung ["Regiment"] / in deren Verwaltung es sich begibt / das berichten, / auch sie bis auf Unseren / oder Unserer Regierung Bescheid wohlverwahrt behalten ["enthalten"].
Fünfter Artikel
So ein Jude mit einem Einwohner außer[halb] der Fürstentümer einen Vertrag schließt ["contrahirt"].
Ob auch sie die Juden oder Jüdin außer Landes / mit Unseren Untertanen / mit Leihen / Kaufen oder Verkaufen / wissentlich irgendeinen ["ichts"] Handel treiben / dadurch dieselben Unsere Untertanen und Weggezogene ["Verwohnte"] zu ihren Schuldnern wurden / derselben Schulden soll den Juden oder Jüdin nicht verholfen werden / sondern Uns die verfallen sein / die Wir auch zu einer Strafe einziehen mögen.
Damit aber auch kein Jude oder Jüdin / wider dieses Unseres Verbot / hinfort an mehr in Unseren Fürstentümern / oder mit den Unseren [Untertanen] zu handeln / Ursache habe oder gewänne: So wollen hiermit allen und jeden Unseren Amtsleuten, / auch den erwähnten von der Landschaft / und im allgemeinen allen und jeden Unserer Untertanen / und Unserer Fürstentümer Einwohnern / gleich welchen ["was wirden"] / Standes oder Wesens sie sein [mögen] / hiermit in allem Ernst / und unter Androhung Unserer schweren Strafe ["bey vermeydung unser schweren straff gebotten haben"] / das sie sich gegen keinem Juden oder Jüdin / weder im Inland noch im Ausland ["inner noch ausser Lands"] / in einen gemeinsamen Vertrag oder eine Handelsschaft einlassen sollen / noch dieselben heimlich oder öffentlich behausen / beherbergen / oder ihnen Unterschlupf ["underschlaiff"] geben / sondern der gänzlich Müßig stehen / und nichts mit Ihnen zu tun haben.
Der sechste Artikel.
Von der Form des Judengeleits
Es sollen auch Unsere Mautner und Zöllner / bei denen die Juden oder Jüdin / zu ihrem Durchzug / in Unseren Fürstentümern / um Geleit anfragen ["anhalten"] / ihnen keinen anderen Geleitbrief oder Urkunde ausstellen, / denn auf diese Form und Inhalt: / Nämlich dass der Tag und Mahlstatt [altdeutsch: Gerichtsstand] / in dessen Zuständigkeitsbereich ihnen solches Geleit ausgestellt wird: Dergleichen auch / wohin sie ihren geraden Weg / durch Unsere Fürstentümer zu nehmen / sie bei derselben Unserer Maut- und Zollstation angesagt haben, / darin deutlich benannt sei / auf dass ein jeder, / dem solches Geleit vorgezeigt wird / daraus verstehen und abnehmen kann, / ob sich der oder die mit dem Geleitbrief ausgestatteten ["verglaiten"] Juden oder Jüdin / solchen ihrem Geleitbrief mit dem Durchzug gemäß einhalten.
(Edition von Patrick Charell)