Jüdisches Leben
in Bayern

Wilhermsdorf Gemeinde

Die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Wilhermsdorf liegen wahrscheinlich in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Nach einer Notiz von 1566/67 gab es zu dieser Zeit bereits eine Synagoge und den heute noch bestehenden Friedhof. Nach allerdings nicht mehr überprüfbaren Hinweisen soll ein Grabstein aus dem Jahr 1451/52 stammen, was auf eine wesentlich frühere Ansiedelung in Wilhermsdorf hindeuten würde. Überregional bekannt wurde Wilhermsdorf durch seine jüdischen Druckereien. Gegen die Verpflichtung zur Abnahme von Papier aus der gräflichen Papiermühle bot Graf Wolfgang Julius von Hohenlohe einem jüdischen Buchdrucker das Schutzrecht an: Der aus einer Prager Druckerfamilie stammende Isaak ben Jehuda Löb Kohn, meist Isaak Jüdels oder Isaak Kohen Jüdels genannt, war in Wilhermsdorf zwischen 1669 bis 1686 tätig. In diesen Zeitraum druckte er theologische Werke in hebräischer und jiddischer Sprache. Von diesen Werken haben sich nach dem Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts noch zehn Werke erhalten, die alle online verfügbar sind. Eines seiner letzten Druckwerke ist das 1686 erschienene Sēfer Šenē lûḥôt hab-berît des Rabbiners Yeshayah Horovits (1565-1630). Die Druckerei, die bis 1739 produzierte, veröffentlichte etwa 240 Werke von hoher drucktechnischer Qualität. In der Bayerischen Staatsbibliothek sind bis 1727 fast 50 Werke meist in hebräischer Sprache mit dem Druckort Wilhermsdorf nachgewiesen und zum großen Teil auch online verfügbar.

Im 18. Jahrhundert zog die Ortsherren, die Grafen von Hohenlohe, die jüdische Bevölkerung zu Straßenausbesserungsarbeiten und zu unentgeltlichen Transportleistungen heran. Außerdem mussten sie an Sonntagen und christlichen Feiertagen den bewaffneten Wachdienst übernehmen. 1811 waren die in Wilhermsdorf lebenden 49 Schutzfamilien als Händler oder Handelsvermittler tätig. Die freie Wahl des Wohnorts nach 1861 führte auch in Wilhermsdorf zu einem Wegzug eines großen Teils der jüdischen Gemeinde. Die Zahl sank von 169 Personen 1869 auf 47 im Jahr 1925. Auch die jüdische Schule war von diesem Rückgang betroffen. 1831 war ein neues Schulhaus mit einer Gemeindestube und einem Schulzimmer erbaut und 1887 erweitert worden. Jüdische Wohnhäuser konzentrierten sich vornehmlich in der Haupt- und Bahnhofstraße, sowie am Marktplatz. Der größte Arbeitsgeber in Wilhermsdorf war mit bis zu 120 Beschäftigten die 1881 von Jakob Michelsohn gegründete Pinselfabrik.

Von 1831 bis 1903 gehörte Wilhermsdorf zum Distriktsrabbinat Fürth.

Nachdem 1922 die Schülerzahl auf vier gesunken war, wurde der seit 1907 tätige Lehrer Louis Uhlfelder 1923 in den Ruhestand versetzt.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verschärfte sich die soziale und wirtschaftliche Lage. Aufgrund der bedrückenden Lebensverhältnissen verließen bis 1938 23 Mitglieder der IKG den Ort, so dass nur nach elf Jüdinnen und Juden in Wilhermsdorf lebten. Bereits einen Monat vor dem Novemberpogrom wurden ihre Häuser geplündert und die Einwohner misshandelt. Im Oktober 1938 erwarb die Kommune Wilhermsdorf von der IKG für den Spottpreis von 2000 Reichsmark die Synagoge und das Schulhaus, und verkaufte beides kurz darauf wesentlich teurer an Privatpersonen weiter. 1939 wurde auch die Firma Michelsohn zwangsweise "arisiert", womit die letzte Spur des jüdischen Lebens in Wilhermsdorf verschwand.

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas: Wilhermsdorf. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 724-735.
  • Moshe Nathan Rosenfeld: Jewish printing in Wilhermsdorf. A concise bibliography of Hebrew and Yiddish publications, printed in Wilhermsdorf between 1670 and 1739, showing aspects of Jewish life in Mittelfranken three centuries ago. Based on public & private collections and Genizah discoveries. London 1995.
  • "Wilhermsdorf bekennt sich zu seiner jüdischen Vergangenheit", in: Landkreismagazin Landkreis Fürth Nr. 21/18 (8.11.2018), S. 3.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 193.