In Weisendorf, dem heutigen Markt Weisendorf, bestand seit dem Ende der 17. Jahrhunderts bis um etwa 1900 eine jüdische Gemeinde. Der Ort unterstand in der Frühen Neuzeit der Grundherrschaft der Freiherren von Lauter und später den Freiherren von Guttenberg. Der erste namentlich bekannte Jude, Chaim, dürfte unter dem Schutz dieser Familie in Weisendorf gelebt haben.
Die Matrikelaufzeichnungen für Mittelfranken aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts weisen zwanzig Stellen für den Ort aus. Die jüdische Gemeinde dürfte deshalb weit über fünfzig Personen gezählt haben. Der 1773 geborene Simon Meier Rosenthal, seit 1801 im Schutzstatus, handelte mit Spezereiwaren. Der 1790 geborene Abraham Moises Adler war Taglöhner. Der 1762 geborene Abraham Samuel Lieber, seit 1799 im Schutzstatus, handelte mit Schnittwaren. Löw Jacob Ordenstein, 1776 geboren und seit 1798 Inhaber eines Schutzbriefs, handelte mit Eisen und Leder. Der 1786 geborene Moises Selig Wohl handelte mit optischen Gläsern Seine Matrikelstelle konnte nach dessen Tod der 1797 geborene Schuhmacher Seligmann Krauß einnehmen, der bis dahin ohne Matrikelstelle am Ort gelebt hatte.Der Metzger Hirsch Isaac Steinhauer war 1758 geboren und hatte seit 1789 einen Schutzbrief.
Der 1789 in Weisendorf geborene Samuel Salomon Marx Tailor besaß seit 1805 den Schutzstatus und betrieb einen "Handel mit optischen Waren im offenen Laden". Er konnte mit behördlicher Erlaubis 1832 nach Fürth übersiedeln. Weitere jüdische Familienoberhäupter und Inhaber einer Matrikelstelle waren Joseph Miechael Freundlich, Moises Seckel Lindo, Löw Seligmann Lindo,Salomon Veiß Clemino, Zacharias Meier Waldstein, David Haas, Jesaias Lieber,Joseph Ordenstein, Marx Kaufmann, David Marx Kaufmann, Seckel Hänlein Batscher, Seligmann Bär Krauß, Joseph Nathan Gräfenberg, Isaac Hirsch Goldberg, Isaac Ordenstein und David Herz Silberstein. Ihre Erwerbstätigkeit wird mit Schmuser, Viehhändler, Handel mit Leder, Handel mit Hopfen, Handel mit Spitzen und alten Kleidern, Weber angegeben.
Auch der 1779 im Elsaß geborene Wolfgang Haas, seit 1804 als Schutzjude in Weißendorf und Inhaber der Matrikelstelle Nr. 20, handelte mit optischen Waren, Spezerei- und Schnittwaren und betrieb einen offenen Laden. Einen Einblick in seine bayernweit tätige Geschäftspraxis bietet ein Inserat, das er 1812 in der Münchner Politischen Zeitung veröffentlicht hatte. Seine Zielgruppe war der hohe Adel und das zahlungskräftige Bürgertum, denen er seine "Conservationebrillen von Kron- und Flintglas" offerierte. Seine temporäre "Boutique" war an der Nobeladresse neben dem Palais von Minister Mongelas Eine ähnliche Anzeige des "Opticus" Haas findet sich im Nördlingischen Intelligenz- und Wochenblatt von 1813. Ein Mitglied der Familie Ordenstein war im Hopfenhandel tätig und hielt sich 1833 geschäftlich in München auf, wie den Fremdenanzeigen zu entnehmen war.
Da man 1820 im Adreß- und statistisches Handbuch für den Rezatkreis im Königreich Baiern für Weisendorf 94 Feuerstellen zählte, dürfte die jüdische Gemeinde fast ein Viertel der Ortsbevölkerung umfaßt haben. Wie aus der überregionalen Tätigkeit von Haas und Ordenstein und dem Umzug von Samuel Tailor zu schließen ist, bot Weisendorf in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu wenig Möglichkeiten für diese agilen Geschäftsleute. So wird für 1866 die Zahl der jüdischen Einwohner mit 66 Personen angegeben und bis 1890 sank sie auf 19 Personen.
In Weisendorf gab es eine Synagoge, eine Religionsschule und eine Mikwe. Der von 1844 bis 1860 tätige Lehrer Jonathan Uffenheimer betreute aber schon die Kinder aus Kairlindach mit, ein Zeichen für die rückläufigen Zahlen. Weisendorf wird 1895 im Statistischen Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes noch als Gemeinde aufgeführt. Vorstand war L. Freundlich und der Lehrer der Religionsschule war J. Wormser. Das Jahrbuch von 1903 nennt noch 21 Mitglieder und den Vorstand A. Freundlich und einem privat erteilten Releigionsunterricht für vier Kinder, während des Jahrbuch 1905 keinen Eintrag mehr hat.
Von den in Weisendorf geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen: Paula Adler geb. Lindo (1882), Heinrich Freundlich (1863), Johanna (Hanna) Lehmann geb. Uffenheimer (1848), Heinrich Lindo (1875), Julie (Julchen) Uhlfelder geb. Uhlfelder (1884), Clara Wormser geb. Rothschild (1860).
Bilder
Bevölkerung 1875
Literatur
- Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Nürnberg - Die Judenmatrikel 1813-1861 für Mittelfranken (gff digital, Reihe A: Digitalisierte Quellen, 1 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien, 1), Nürnberg 2003
- Lothar Lehmann: Zur jüdischen Geschichte Weisendorfs. In: Johann Fleischmann (Hg.): Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach. Mühlhausen 2000 (= Mesusa 2), S. 117-128.
- Christiane Kolbet: Memorbuch - Zum Gedenken an die von den Nazis ermordeten Juden von Adelsdorf und Weisendorf. S.L. 1998.
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 198.
- K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36), S. 137.