Jüdisches Leben
in Bayern

Trimberg Gemeinde

Über dem kleinen Kirchdorf Trimberg an der Fränkischen Saale erhebt sich die Trimburg, einst der Stammsitz eines gleichnamigen Adelsgeschlechts. Von 1279 bis 1803 war die Burg im Besitz der Würzburger Fürstbischöfe, die dort ein Oberamt einrichteten. Seit dem Jahr 1971 ist Trimberg ein Gemeindeteil des Marktes Elfershausen. An sich kann der Ort in seiner Geschichte kein jüdisches Leben vorweisen. Es ist nicht bekannt, ob die Herren von Trimburg ein Judenregal ausgeübt haben, auch in der Würzburger Herrschaft haben sich – soweit bekannt – keine Schutzjuden niedergelassen. Bei der Vergabe der Judenmatrikel ab 1813 und in den diversen Volkszählungen bis 1910 sind keine jüdischen Häuser erfasst.

Allerdings nennt die Manessische Liederhandschrift, eines der bedeutendsten literarischen Werke des Hohen Mittelalters, Trimberg als Geburts- und Wohnort des fahrenden Sängers Süßkind (Wirkungszeit um 1250).

Der Codex Manesse enthält zwölf Gedichte des "Juden von Trimberg", der unter den zumeist adeligen Minnesängern eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Über sein Leben und seine Reisen ist fast nichts bekannt. Womöglich hielt sich Süßkind zeitweise in Würzburg und Fulda auf. Paul Arnsberg berichtet von einem Memorbuch aus Schlüchtern (Hessen), das Süßkind als häufigen Gast der Gemeinde erwähnt. Er soll dort auch hochbetagt gestorben sein. Tatsächlich gab es in der Epoche von Süßkind direkte Bezüge von Trimberg nach Schlüchtern: So war Albrecht I. von Trimberg († 1261) dort der Gerichtsherr und Klostervogt. Um 1900 präsentierte man noch das historische Anwesen Nr. 52 (heute Hugo-von-Trimberg-Straße 27) als ehemaliges Haus des Minnesängers. Es war hier wohl der Wunsch Vater des Gedankens, aber bis heute ist der Ort stolz auf seine Verbindung zum "ältesten jüdischen Dichter deutscher Sprache".

Klagelied des Süßkind von Trimberg im Codex Manesse (fol. 356r.), um 1250


Ich var ûf der tôren vart

mit mîner künste zwâre –

daz mir die hêrren nicht went geben,

des ich ir hof wil fliehen

und wil mir einen langen bart

lân wachsen grîser hâre:

ich wil in alter juden leben

mich hinnan fürwert ziehen.

Mîn mantel, der sol wesen lang,

tief under einem huote

dêmüeteclich sol sîn mîn gang –

und selten mê gesingen hovelîchen sang,

sîd mich die hêrren

scheident von ir guote.


Freie Nachdichtung von Patrick Charell:


Ich war auf einer Narrenfahrt,

von meinen Künsten zehrend –

da mir die Herren nichts geben,

will ich fortan der Höfe fliehen

und wachsen lassen mir 'nen Bart

aus langen grauen Haaren.

Will nach alt' jüdisch Leben

fortan nur vorwärts ziehen.

Mein Mantel, der wird lang,

tief gebeugt unter einem Hute,

demütig sei mein Gang –

und nie mehr mach ich Minnesang,

denn die Herren, sie geben

mir nichts von ihrem Gute.

Minnelied des Süßkind von Trimberg im Codex Manesse (fol. 355v.), um 1250


Irs mannes krôn ist daz vil reine wîp

iemer in wol êret ir vil werder lîp.

er sælig man, dem diu guote sî beschert!

Der mag ân zwîvel mit ir sîniu jâr

willeclîch vertrîben stille und offenbâr –

er sich mit ir sünden unde schanden wert.

Mit hôher stæt ist sî bedacht,

ir liecht fiur löschet nicht in nacht,

ir hôhez lop mit der meisten menge vert.


Freie Nachdichtung von Patrick Charell:


Jed's Mannes Kron' ist die reinste Frau,

noch mehr ehrt ihn wohl ihr edler Bau.

Ein seliger Mann, dem die Gute sich beschert!

Verbringt gern mit ihr so manches Jahr‘

in Zweisamkeit, ganz offenbar.

der Sünd‘ und Schand‘ mit ihr erwehrt.

Mit Beständigkeit ist sie bedacht,

ihr Licht verlischt auch nicht zur Nacht,

in aller Munde ist ihr hohes Lob.

Gesang "Der Gedanke" des Süßkind von Trimberg im Codex Manesse (fol. 355v. f.), um 1250


Gedenke nieman kan erwern den tôren noch den wîsen;

dar umbe sint gedenke frî ûf aller hande sache.

herz unde sinne dur gemach

dem menschen sint gegeben.

gedenke sliefen dur den stein, dur stahel und durch îsen.

gedanc klein achtet wie diu hant diz unde daz gemache.

swie man gedenke nie gesach,

si doch nâch horte streben.

gedanc ist sneller über velt

denn der blic eines ougen.

gedanc glust bringt nâch minne gelt,

nâch der gesichte tougen.

gedanc kan wol ob allen arn

hôch in dien lüften sweben.


Freie Nachdichtung von Patrick Charell:


Gedanken haben alle, die Narren und die Weisen;

darum sind Gedanken frei von allen irdisch‘ Sachen.

Herz und Geist, sie sind dem Mensch

zu seinem Glück gegeben.

Gedanken dringen durch Stein, durch Stahl und Eisen.

Gedanke kümmert wenig die Frage nach dem Machen.

Obwohl man Gedanken niemals sah,

sie doch nach Schätzen streben.

Gedanke reist schneller durch die Welt

als als ein Augenblick.

Gedanke weckt Lust nach Minnegeld

nach tieferem Geschick.

Gedanke vermag wohl über allen Adlern

hoch in den Lüften schweben.

Literatur

  • Klaus Wolf: Bayerische Literaturgeschichte. Von Tassilo bis Gerhard Polt. München 2018.
  • Martin Przybilski: Kulturtransfer zwischen Juden und Christen in der deutschen Literatur des Mittelalters. Berlin / New York 2010.
  • Maria Stürzebecher: Erfurter Schatz. Jena u. a. 2009 (= Jüdisches Leben Erfurt).