Jüdisches Leben
in Bayern

Pürten/Waldkraiburg Gemeinde

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs richtete die US-Armee gemeinsam mit der UNRRA ein Kinderlager für unbegleitete minderjährige DPs (Displaced Persons) im Pürten ein, einem Dorf nahe dem Sprengstoffwerk Kraiburg der "Deutschen Sprengchemie". Seit 1940 waren im sog. Holzlager des weitläufigen Werksgeländes Zwangsarbeiter in standardisierten RAD-Baracken (Reichs-Arbeits-Dienst-Baracken) untergebracht. Auf dem Gelände kamen vom November 1946 bis August 1947 bis zu 283 Kinder unter, außerdem nahm dort eine Israelitische Lehrerfortbildungsstätte ihren Betrieb auf.

Das jüdische DP-Kinderlager konnte sich natürlich nicht selbst verwalten, sondern wurde vom eingesetzten Direktor Josef Burstein verwaltet. Die UNRRA versorgte das Lager mit Lebensmitteln, stellte auch die Betreuerinnen und das Lehrpersonal für eine Israelitische Volksschule auf dem Barackengelände. Im April 1947 lebten 283 Im Fußballclub "Nordija Pürten" konnten sich die traumatisierten Kinder sportlich betätigen und zu einer Normalität zurückfinden. Eine Besonderheit des DP-Lagers Pürten war eine Israelitische Lehrerfortbildungsstätte bzw. Lehrerseminar (engl. "teacher's seminary"), in denen sich angehende und bereits aktive Lehrerinnen und Lehrer für ihren Einsatz in DP-Einrichtungen, aber auch für eine spätere Berufstätigkeit in Israel vorbereiteten. Im Gegensatz zu anderen Lagern oder DP-Gemeinden gab es in Pürten keine eigens koschere Küche und keine Religionsschule. Vielleicht hätte es sie später noch gegeben, wenn das Lager in Pürten länger Bestand gehabt hätte. Jedoch wurden schon im August 1947 alle 269 Kinder und Jugendliche in andere UNRRA-Einrichtungen verlegt, wo eine bessere Versorgung möglich war. Anschließend zogen deutsche Heimatvertriebene in die Barackensiedlung.


(Patrick Charell)

Literatur

  • Jim G. Tobias / Nicola Schlichting: Heimat auf Zeit. Jüdische Kinder in Rosenheim 1946-47. Zur Geschichte des "Transient Children's Center" in Rosenheim und der jüdischen DP-Kinderlager in Aschau, Bayerisch Gmain, Indersdorf, Prien und Pürten. Nürnberg 2006.
  • Jim G. Tobias: Die jüdischen DP-Lager Pürten (Waldkraiburg) und das Kinderlager Aschau. In: Ders. / Peter Zinke (Hg.): NurInst 2 (2004), S. 129-147.