Maroldsweisach wird 1118 das erste Mal urkundlich erwähnt und gehörte bis 1803 zum Hochstift Würzburg. Ab dem frühen 15. Jahrhundert hatten die Steiner zu Altenstein die Ortsherrschaft inne und übersiedelten nach der Zerstörung ihres Stammsitzes im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) in das Rittergut. Einzelne Grabsteine Maroldsweisacher Jüdinnen und Juden auf dem Friedhof in Ebern stammen aus der Zeit um 1700. Die Altensteiner förderten (vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts) in ihrer Domäne gezielt die Ansiedelungen von Schutzjuden. Auch in Maroldsweisach verzehnfachte sich zwischen 1720 und 1740 die Zahl jüdischer Haushalte auf zwanzig.
Weil im Jahr 1762 die erste Synagoge eingerichtet wurde (heute Vorstadtstraße 16), gab es zumindest ab dieser Zeit eine aktive Kehillah. Ihr Zentrum lag in einer historischen Ortserweiterung südlich des alten Siedlungskerns. 1768 erwarb Freiherr Anton Joseph Horneck von Weinheim die Herrschaft, Das Dorf und den Schutz über 16 jüdische Haushalte. In der Folgezeit baute er Maroldsweisach zum Marktflecken mit drei Jahrmärkten, einem Krämer- und einem Viehmarkt aus. Die ökonomische Bedeutung als regionales Handelszentrum lockte weitere jüdische Geschäftsleute an, bis ins frühe 19. Jahrhundert wuchs die Gemeinde stetig.
1814 kam der Ort zum Königreich Bayern. Mit der Durchsetzung des bayerischen Judenedikts wurden insgesamt 24 Matrikelstellen vergeben, die jüdische Gemeinde bestand aus 107 Personen und stellte rund 26 Prozent der Gesamtbevölkerung. Neben Viehhändlern, Kaufleuten, Krämern, Schmusern und Lederwarenhändlern gab es nicht weniger als vier jüdische Optiker (Elias Hirsch Fleißig, Graun Samuel Kirschbaum, Hesekiel Zinnsheimer). Lederhändler Amschel Eisig Hecht war der Stammvater einer Familie, die bis ins 20. Jahrhundert sowohl ihre Gemeinde und den Markt Maroldsweisach prägte. Zuletzt betrieb Jacob Hecht ein großes Manufaktur- und Kolonialwarengeschäft, das sogar auf Postkarten für Touristen abgedruckt wurde, und war bis zu seinem Tod 1929 Kultusvorstand. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden zunächst in Ebern, nach der Anlage des zwischen Ermershausen und Maroldsweisach gelegenen jüdischen Friedhofes (auf Gemarkung Ermershausen) auf diesem beigesetzt. Die jüdische Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Burgpreppach und besaß neben der Synagoge eine zwar kleine, doch gut gebaute neue Mikwe (spätestens ab 1829) und eine Schule mit Lehrerwohnung direkt neben der Synagoge (ab 1830, heute Vorstadtstraße 14). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Mit der großen Aus- und Abwanderungswelle begann für die Kultusgemeinde ab den 1840er Jahren ein anhaltender Schrumpfungsprozess, der sich ab 1861 mit der neu gewonnenen Freizügigkeit nochmals verschärfte. Zunehmend geriet die Gemeinde in finanzielle Bedrängnis und plante die Gründung eines gemeinsamen Schulsprengels mit Altenstein, was jedoch von der Regierung von Unterfranken wegen der großen Entfernung abgelehnt wurde. 1875 lebten nur noch 51 Jüdinnen und Juden in Maroldsweisach, die auch nicht alle ihren Teil zu den Gemeindelasten beitragen konnten. Etwa ab 1886 übernahmen auswärtige Lehrer den Unterricht. Trotzdem stemmte die kleine Gemeinde vor der Jahrhundertwende einige ehrgeizige Bauvorhaben: 1877 kaufte die Gemeinde die zweite Hälfte des Hauses an, wo sich die Schule befand, und richtete ein Gemeindezentrum ein.1890 wurde die Synagoge kernsaniert,1899 ein neues Ritualbad errichtet und das alte 1903 abgerissen.
Im Jahr 1909 verfügte das Bezirksamt Ebern formal die Fusion der Kultusgemeinden Altenstein und Maroldsweisach. Faktisch existierte Erstere zwar schon lange nicht mehr, vielmehr ging es um den Übergang eines Legats in Höhe von 680 Mark, der nun Maroldsweisach zugutekam. Im Ersten Weltkrieg fiel Max Hecht (1898-1918). Sein Name steht auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Kriege in der Ortsmitte an der Herrenstraße vor der Evangelischen Kirche. Im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 lebten noch 22 jüdische Personen in Maroldsweisach (2,9 % von insgesamt 758 Einwohnern).
Die verbliebenen Geschäftsleute litten unter der zunehmenden Drangsalierung und Entrechtung, Boykottaufrufe legten die Axt an ihre Existenzgrundlage. Weitere jüdische Familien verließen in der Folge ihre Heimat, emigrierten oder zogen in die vermeintliche Sicherheit der größeren Städte. Ende 1938 löste sich die Gemeinde vollends auf. Im Mai 1939 lebten keine Juden mehr am Ort. Bis 1939 hatten zehn Jüdinnen und Juden auswandern können (fünf in die USA, drei nach Palästina und zwei nach Kuba). Neun weitere verloren in der Shoah ihr Leben. Heute erinnert nur eine Gedenktafel auf dem Friedhof in Ermershausen an die Existenz jüdischen Lebens in Maroldsweisach.
(Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Maroldsweisach: In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 528-538.
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 97.
- Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.) / Isolde Maierhöfer (Bearb.), Historischer Atlas von Bayern, Teil II, Heft 15: Ebern. München 1964, S. 137.
- Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt a.M. 1937, S. 157-163.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 212.