Jüdisches Leben
in Bayern

Kirchschönbach Gemeinde

Mit "Jobst Jud" wird 1552 in einer Urkunde aus dem Fürstlich Castell'schen Archiv erstmals ein in Kirchschönbach ansässiger Jude erwähnt. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts fehlen urkundliche Nachweise für die Präsenz von Juden in dem Dorf. Danach wird die Präsenz von Juden in Kirchschönbach erwähnt, ohne dass die Namen einzelner Personen überliefert wären. Die 1817 angelegten bayerischen Matrikellisten führten für Kirchschönbach zwölf jüdische Familien mit 47 Personen auf. Genannt werden Fromm Seligmann Selig, Joseph Maier, Isaac Maier, Isaac Samuel Neu, Lippmann Haehnlein Dornheimer, Moses Abraham Brunn, Salomon David Hamburger, Seligmann Haehnlein Hahn, Seligmann Marx Straus, Gottlieb Fromm Wolf, Aron Hahn und Kusel Selig.

Die Kirchschönbacher Juden lebten vor allem vom Handel mit Vieh und Kleinwaren, dem „Schmusen“, das heißt dem Vermitteln von Handelsgeschäften, und der Anfertigung von Seilen. 1830 erreichte die jüdische Gemeinde den zahlenmäßigen Höchststand, als ihr 48 Personen angehörten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkte wahrscheinlich ein jüdischer Religionslehrer in Kirchschönbach, der auch als Vorsänger und Schächter tätig war. Die IKG Kirchschönbach gehörte zum Distriktsrabbinat Marktsteft, bis dieser nach Mainbernheim und 1871 nach Kitzingen verlegt wurde. Ihre Toten fanden in Gerolzhofen, teilweise auch in Rödelsee ihre letzte Ruhe.

Anfang der 1830er Jahre verfügten die jüdischen Gemeinden in Kirchschönbach und Prichsenstadt nicht über die finanziellen Ressourcen, allein einen Religionslehrer zu unterhalten. Deswegen schlug das Landgericht Gerolzhofen 1831 der Regierung in Würzburg vor, dass beide Kultusgemeinden einen gemeinsamen Religionslehrer und Vorsänger finanzieren sollten. Der Lehrer könne jeweils drei Tage in Prichsenstadt und in Kirchschönbach Religionsunterricht erteilen. 1832 stimmte die Regierung diesem Vorschlag zu.

Nach dem Tod des gemeinsamen Religionslehrers Löw Reichmann im Juni 1854 stellte sich für die beiden Gemeinde die Nachfolgefrage. Man traute Reichmanns Sohn Nathan wohl zu, das Amt als Vorsänger angemessen auszuüben, hielt ihn aber nicht für geeignet, selbstständigen Religionsunterricht zu erteilen. Deswegen sollte der Altenschönbacher Religionslehrer Samuel Kahn übergangsweise zweimal in der Woche Religionsunterricht in Prichsenstadt erteilen. Die Kirchschönbacher Kinder hingegen sollten den Religionsunterricht in Altenschönbach besuchen. Der Vertrag, der schließlich im September 1854 zwischen der jüdischen Gemeinde Prichsenstadt und Kahn geschlossen wurde, sah vor, dass der Altenschönbacher Religionslehrer die Aufsicht über Nathan Reichmanns Unterricht in Prichsenstadt übernehmen, dort einmal wöchentlich zwei oder drei Stunden Religionsunterricht und seinem Kollegen Weisungen für die restlichen Unterrichtsfächer erteilen sollte.

Nachdem die Casteller Distriktsschulinspektion und das Landgericht Gerolzhofen den Vertrag gebilligt hatten, genehmigte auch die Kreisregierung im Februar 1855 die Vereinbarung vorläufig, beschränkte sie aber einen Monat später vorerst auf ein Jahr.

1856 ergab eine Visitation der werktags- und feiertagsschulpflichtigen Kinder, dass sich das Provisorium bewährt hatte. Nachdem sich der Marktstefter Distriktsrabbiner Faust Löb Thalheimer und die Kultusgemeinden in Prichsenstadt und Kirchschönbach dafür ausgesprochen hatten, das Provisorium fortzusetzen, genehmigte die Kreisregierung dessen Fortsetzung erneut für ein weiteres Jahr bis Juli 1857. In den folgenden Jahren besuchten die Kirchschönbacher jüdischen Kinder den Religionsunterricht in Altenschönbach. Zu einer Neuregelung kam es bereits 1861, als sich die jüdischen Kultusgemeinden Prichsenstadt und Kirchschönbach bereit erklärten, einen gemeinsamen Lehrer anzustellen, der in Kirchschönbach wöchentlich an drei Wochentagen Religionsunterricht erteilen sollte. Beide Gemeinden sollten jeweils 100 Gulden für das Lehrergehalt und einen Klafter Holz aufbringen. Die Lehrerwohnung in Prichenstadt stand ihm mietfrei zu Verfügung. Außerdem konnte der Lehrer mit Einnahmen aus dem Dienst als Schächter in Höhe von circa 80 Gulden rechnen.

Ein knappes Dreivierteljahr nach der Bestätigung der Neuregelung durch die Kreisregierung übernahm der aus Geroda stammende Heinemann Mandelbaum Ende 1861 den Dienst als Religionslehrer, Schächter und Vorsänger.

Rund zehn Jahre später besuchten nur vier schulpflichtige Kinder im Jahr 1869 den Kirchschönbacher Religionsunterricht. 1870 kam es zwischen den Gemeinden in Prichsenstadt und Kirchschönbach zum Konflikt, als sich der Kirchschönbacher Kultusvorsteher Nathan Blüthe bei dem Bezirksamt beschwerte, dass die Kosten für den gemeinsamen Schullehrer ungerecht verteilt seien: In Prichsenstadt lebten zwölf meist junge und wohlhabende jüdische Familien, während in Kirchschönbach nur noch sieben Familien wohnten. Deswegen sollten zukünftig die Prichsenstädter zwei Drittel und die Kirchschönbacher ein Drittel des Lehrergehalts übernehmen. Diesen Vorschlag lehnte die jüdische Gemeinde Prichsenstadt ab.

Nachdem Mandelbaum die Lehrerstelle in Prichsenstadt im selben Jahr gekündigt hatte, wurde die Stelle in der Zeitschrift „Der Israelit“ öffentlich ausgeschrieben und 1871 mit Lazarus Weinstock besetzt. Ein Jahr später beantragte der Kirchschönbacher Kultusvorsteher Löb Hahn erneut die Minderung des Kirchschönbacher Anteils an der Lehrerbesoldung auf ein Drittel. Als Alternative schlug er die Vereinigung seiner Gemeinde mit der jüdischen Kultusgemeinde Altenschönbach vor, die erklärte, mit diesem Vorschlag einverstanden zu sein. Widerstand gegen eine Vereinigung von Kirchschönbach und Altenschönbach kam vom Schweinfurter Distriktsrabbiner Mayer Leberecht. Der Gelehrte schlug alternativ die von Kirchschönbach gewünschte Reduzierung des Anteils am Lehrergehalt auf ein Drittel oder die Vereinigung der Kirchschönbacher und Prichsenstädter Kultusgemeinde vor.

1872 lebten nur noch zwei jüdische Familien mit vier Kindern in Kirchschönbach, die für ihren Anteil am Unterhalt des gemeinsam mit Prichsenstadt finanzierten Lehrers aufkommen mussten. Deswegen beantragten die Kirchschönbacher Juden die Auflösung der Schule in Kirchschönbach und die Umschulung der vier Kinder nach Altenschönbach.

In einem nächsten Schritt schlugen die Kirchschönbacher Juden außerdem die Vereinigung ihrer Gemeinde mit der Kultusgemeinde Altenschönbach vor. Dieses Vorhaben lehnten die Prichsenstädter Juden ab. Dafür war möglichweise die Überlegung ausschlaggebend, dass eine Vereinigung der Kirchschönbacher und Prichsenstädter Gemeinde die für den Gottesdienst in Prichsenstadt notwendige Zahl von zehn religionsmündigen Männer dauerhaft garantiert hätte. Außerdem hätte sich dadurch der Anteil der in Prichsenstadt lebenden Juden an den Unterhaltskosten für Synagoge und Religionslehrer reduziert.

Der Konflikt zwischen Kirchschönbach und Prichsenstadt schwelte die nächsten Jahre weiter: 1874 beschwerte sich der Kirchschönbacher Gemeindevorsteher Löb Hahn beim Bezirksamt, dass die Prichsenstädter Kultusgemeinde die vakante Religionslehrerstelle ausgeschrieben habe, ohne die laufenden Verhandlungen über die Auflösung des Schulverbands zwischen Prichsenstadt und Kirchschönbach zu erwähnen.

Gegen eine Vereinigung der Kultusgemeinden in Kirchschönbach und Altenschönbach sprach sich erneut der Schweinfurter Distriktsrabbiner aus. Er begründete seine Ablehnung mit der Zweckmäßigkeit, den jüdischen Religionsunterricht im Ort mit der besseren (Prichsenstädter) deutschen Elementarschule zu erteilen. Außerdem sei die jüdische Gemeinde in Altenschönbach doppelt so groß wie die Prichsenstädter Kultusgemeinde und könne deswegen auch ohne die Kirchschönbacher Juden den Religionslehrer leichter als die Prichsenstädter Juden finanzieren. Nachdem das Bezirksamt die Vereinigung der jüdischen Gemeinden von Prichsenstadt und Kirchschönbach entschieden hatten, protestierten die Kirchschönbache Juden bei der Kreisregierung, die den Protest im Mai 1874 zurückwies. Das Innenministerium wiederum kassierte die Entscheidung des Bezirksamts und verfügte am 1. August 1874 die Vereinigung der Gemeinden von Kirchschönbach und Altenschönbach. 1875 lebten noch 41 Juden in Kirchschönbach. In der Folgezeit verließen zahlreiche Juden das Dorf. 

1900 gehörten 15 Kirchschönbacher der jüdischen Kultusgemeinde an. Nachdem Aron Hahn und seine Frau Jenny, geborene Fleischhacker, 1914 Kirchschönbach verlassen hatten, lebten in dem Dorf keine Juden mehr.

Am 15. Juli 1941 konnte der 1876 in Kirchschönbach geborene Moritz Hahn quasi in letzter Minute noch in die USA emigrieren. Der Shoa fielen sieben überwiegend ältere Jüdinnen und Juden zum Opfer, die in Kirchschönbach wohnten oder längere Zeit im Ort gelebt hatten: Jakob Hahn, Josef Hahn, Oskar Hahn, Sofie Hahn, Paulina Hirsch, geborene Hahn, Malchen Neumann, geborene Hahn, und Nora Schapira, geborene Hahn.  


(Stefan W. Römmelt)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Johannes Sander / Hans Schlumberger: Prichsenstadt mit Kirchschönbach. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1259-1281.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 217.