Jüdisches Leben
in Bayern

Hammelburg Gemeinde

In Hammelburg waren seit dem 13. Jahrhundert jüdische Familien ansässig. Demnach bestand hier eine der ältesten jüdischen Gemeinden in Unterfranken. Den ersten Nachweis über eine Jüdin aus dem Ort liefert ein Grabsteinfragment vom ehemaligen jüdischen Friedhof in Würzburg. Darauf wird der Tod einer jüdischen Frau aus "Hamelburk" betrauert, die im Juli/August 1287 verstorben ist. Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuchs verzeichnet jüdische Opfer aus der Stadt während des grausamen Rintfleisch-Pogroms im Jahr 1298. Die jüdischen Schutzgelder an Hammelburg wurden 1301 vom römisch-deutschen König Albrecht I. (1298-1308) an das Reichskloster Fulda verpfändet; 1310 überschrieb sie sein Nachfolger endgültig dem Fuldaer Abt Heinrich (reg. 1288-1313).

Juden aus Hammelburg starben in der Armleder-Verfolgung 1337 und den Pestpogromen 1348/49. Ein kostbares, mit vielen Miniaturen verziertes hebräisches Gebetbuch aus Hammelburg ("Hammelburger Machsor"), das der Schreiber Jakob ben Schneor 1349 vollendete, ist heute im Besitz der Universitätsbibliothek Darmstadt. Von Fürstabt Johann 1399 ausgestellte Schutzbriefe erlaubten wieder eine jüdische Ansiedlung in Hammelburg. Eine Schweinfurter Chronik aus dem 17. Jahrhundert berichtet, dass im Jahr 1451 die neu gewachsene jüdische Gemeinde eingesperrt und um 1000 Gulden Lösegeld erpresst wurde - von wem genau, wird im knappen Eintrag nicht berichtet. Als der Würzburger Fürstbischof Gottfried IV. Schenk von Limpurg im Jahr 1453 alle Juden aus dem Hochstift vertreiben ließ, konnten sich einige von ihnen in der Grenzstadt Hammelburg niederlassen. 1487 lebten dort neun jüdische Haushalte unter dem Schutz des Fuldaer Fürstabtes Johann von Henneberg-Schleusingen (reg. 1472-1513). Auch eine Synagoge soll damals errichtet worden sein. Zwei Jahre später kamen fünf weitere Familien dazu. Der Fürstabt genehmigte "seinen" Juden auch die Anstellung eines Schochet. Neben den Schutzgeldern an das Reichskloster Fulda mussten einige der Juden auch zusätzliche Steuern an die Stadtverwaltung bezahlen. Fürstabt Hartmann (reg. 1513-1521) gab 1514 eine "Judenordnung" für Hammelburg heraus, mit der vor allem der Geldverleih als Haupterwerb festgelegt wurde: Handel und Handwerk waren nun für Juden offiziell verboten. Außerdem bestand ein nächtliches Ausgangsverbot und die Pflicht, bestimmte Kleidungsstücke zu tragen, auf denen das Judenzeichen (der gelbe Ring) angebracht war.

Die trotz allem anwachsende jüdische Stadtbevölkerung und der von ihnen praktizierte Geldhandel erregten zunehmend den Unmut der christlichen Bürger. Sie beschwerten sich 1556 bei Fürstabt Wolfgang von Eusigheim (reg. 1550-1558) über den "vermassigen wucher". Die Beschwerden führten zu einer neuen, noch strengeren "Judenordnung" im Jahr 1560, die das Vereleihen von Geld an "Verschwender, Unsinnige, Unmündige und Frauen" verbot. Wolfgangs Nachfolger Balthasar von Dernbach (reg. 1570-1606) pflegte eine gemäßigte Judenpolitik. Bei seinem Amtsantritt umfasste die Kultusgemeinde rund hundert Mitglieder, die vor allem im Geld- und Warenhandel tätig waren. Auch ein jüdischer Arzt praktizierte damals in der Stadt. Der Fürstabt wies weitere Klagen der Stadt Hammelburg über die anwachsende jüdische Gemeinde zurück und erließ 1572 einen Schutz- und Schirmbrief für die gesamte Landjudenschaft in seinem Hochstift.

Trotzdem forderten die vier fuldischen Städte Fulda, Hammelburg, Geisa und Brückenau im Jahr 1582 vehement die Ausweisung der Juden. Auch Erzherzog Maximilian III. von Österreich (1558-1618), Administrator des Stifts Fulda, gab 1586 eine Judenordnung heraus, die es unter anderem untersagte, ortsfremde Juden länger als 14 Tage aufzunehmen.

Bis ins 16. Jahrhundert gab es im Hochstift nur einen einzigen jüdischen Friedhof, der in Fulda lag. Erst in der Judenordnung aus dem Jahr 1586 wird erstmals ein jüdischer Friedhof genannt, den die Kultusgemeinde Hammelburg rund drei Kilometer von der Stadt entfernt "Am Neuenberg" bei Hammelburg errichten ließ. Von da an (bis Juni 1938) bestattete die IKG ihre Verstorbenen auf diesem Friedhof. In der Folgezeit erlangte diese Begräbnisstätte ein immer größeres Einzugsgebiet und diente schließlich als Verbandsfriedhof für die jüdischen Gemeinden von Bonnland, Brückenau, Dittlofsroda, Euerdorf, Geroda, Hammelburg, Heßdorf, Kissingen, Oberthulba, Platz, (Unter-)Riedenberg, Schondra, Untererthal, Unterleichtersbach, Völkersleier, Weickersgrüben und Westheim. Jede dieser Gemeinden hatte einen eigenen Ortspfleger; der Oberpfleger wohnte in Hammelburg.

1605 sind 23 jüdische Familienväter als Steuerzahler in der Stadt nachgewiesen; fünf von ihnen, darunter auch der Rabbiner, besaßen eigene Häuser. Als Erwerbszweig kam nun unter ihnen vermehrt der Viehhandel auf. Ihre Waren lieferten sie damals bis nach Frankfurt am Main, kauften dort Wein und Getreide ein und verkauften diese Produkte dann auf Jahrmärkten in der Region. Die Kultusgemeinde besaß damals eine Synagoge, eine Jeschiwa und eine 1604 erwähnte Mikwe ("Kaltbad") im Zwinger beim Niedertor. Die Gemeinde beschäftigte einen Rabbiner/Vorsänger und einen Totengräber. 1623 wurde vom Reichsstift Fulda abermals eine neue Judenordnung herausgegeben, die den erlaubten Zinssatz für entliehenes Geld erheblich absenkte und den Warenhandel einschränkte. Später durften die Juden Wein nur noch für den Eigenbedarf besitzen. Im Dreißigjährigen Krieg flohen einige jüdische Familien aus den umliegenden Dörfern in die ummauerte Stadt, die etwas mehr Schutz bot. Deshalb gab es 1645 in Hammelburg 42 jüdische Haushalte, 16 von ihnen lebten in einer eigenen "Behausung", sechs hatten keinen Schutzstatus. Acht Jahre später wohnten in der Stadt 49 jüdische Familien, die insgesamt 46 Häuser und fünf Scheunen besaßen. Die meisten von ihnen gehörten dem Mittelstand an.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts griff die antisemitische Haltung der christlichen Bewohner von Hammelburg immer mehr um sich und es kam zu tätlichen Übergriffen. Auch Fürstabt Bernhard Gustav von Baden-Durlach (1673-1677) machte aus seiner judenfeindlichen Einstellung kein Geheimnis. Kurz nach seinem Amtsantritt 1671 befahl er die Ausweisung aller Juden aus dem Fuldaer Land. Viele von ihnen flüchteten daraufhin in die Freihöfe der reichsritterschaftlichen Güter oder in das Hochstift Würzburg. Schon bald nach dem Tod des Fürstabtes kamen jüdische Händler aus Westheim wieder in die Stadt, um hier ihre Geschäfte abzuwickeln. Nach Ansicht der Stadtoberen brauchte man einige Geldverleiher; sie sollten aber unter der Kontrolle der Obrigkeit stehen. So plante man, drei bis vier wohlhabende jüdische Familien aufzunehmen.

Anfang des 18. Jahrhunderts ließen sich die jüdischen Bierbrauer Manuel und Lämmel in Hammelburg nieder. Ihr Handwerk wurde ihnen jedoch 1724 wieder verboten. Im Laufe des Jahrhunderts stieg die Anzahl der Israeliten langsam an, so dass sich bald wieder eine Kultusgemeinde bildete. 1762 gehörten ihr zehn Familien an, und 1797 wurden 66 jüdische Einwohner gezählt. Im Jahr 1737 gab Fürstabt Adolf von Dalberg den Juden ihre alte, nun halb verfallene Synagoge zurück. Er erlaubte deren Wiederherstellung und Benutzung. Für das Grundstück fielen eine einmalige Gebühr und eine jährliche Zinszahlung an. Die jüdische Gemeinde ließen über den Grundmauern des alten Gotteshauses einen Neubau errichten und diesen 1762 vollständig umbauen (Haus-Nr. 315, heute Dalbergstraße 57a). 1765 erwarb die Kultusgemeinde ein zwischen der Synagoge und der Stadtmauer gelegenes Haus (vermutlich Haus-Nr. 313), das in der Folgezeit als Religionsschule und Rabbinerwohnung diente. Damit verfügte die IKG Hammelburg über ein jüdisches Gemeindezentrum.

Nach der Aufhebung der Reichsabtei Fulda 1803 gehörte Hammelburg bis 1806 zum Fürstentum Nassau-Oranien-Fulda, ab 1810 bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt, fiel 1815 an Österreich und ein Jahr später an das Königreich Bayern. 1811 lebten in der Stadt 24 jüdische Familien, die bereits während der Zugehörigkeit zum Großherzogtum Frankfurt Familiennamen zugesprochen bekamen. Von 1816 an war das bayerische Judenedikt in Hammelburg gültig, die Matrikelgesetzgebung ein Jahr später eingeführt. Damals erhielten 19 jüdische Haushaltsvorstände einen Matrikelplatz; 1817 und 1825 gab es nachträglich je noch eine Stelle für den Vorsänger Joseph Benjamin Preiß und den Schneider Israel Nußbaum. Die zulässige Anzahl jüdischer Familien in der Stadt war damit im Prinzip festgelegt. Die IKG Hammelburg wurde dem Oberrabbinat Würzburg zugeteilt. 1840 kam sie an das neu gegründete Distriktsrabbinat Bad Kissingen. Abgesehen von drei Metzgern und zwei Viehhändlern verdienten sich die meisten der jüdischen Männer in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts den Lebensunterhalt noch durch den Handel mit verschiedensten Waren. 1839 umfasste die Gemeinde 28 Familien mit insgesamt 145 Personen. Fünf der Haushaltsvorstände gingen nun bereits einem Gewerbe oder Handwerk nach. Die strenge Matrikelgesetzgebung hatte zur Folge, dass vor allem junge Generationen die Auswanderung nach Amerika wagten, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Daher sank bis 1848 der jüdische Bevölkerungsanteil in der Stadt auf 122 Personen.

Nachdem der Stadtmagistrat im Jahr 1826 die Benutzung des alten Ritualbades im Zwinger am Niedertor untersagt hatte, da dessen Abwasser angeblich die städtischen Brunnen verschmutzte, genehmigte die Regierung trotz erheblichen Widerstands der christlichen Bevölkerung den Bau einer neuen, nun beheizbaren Mikwe. Der rechteckige Massivbau entstand wiederum im Zwinger vor der Stadtmauer am Niedertor (heute Bahnhofsstraße). Im Jahr 1859 erhielt das Bad ein neues Becken und eine Zinkwanne. In Verbindung mit dem Abriss des Torturms und der Erweiterung des Fahrweges 1863 verlegte die jüdische Gemeinde die Treppe und den Eingang zum Bad. 1871 war die Mikwe jedoch so baufällig, dass man sich entschloss, sie an der gleichen Stelle auf dem aufgeschütteten Zwinger neu zu errichten. Es entstand ein eingeschossiges Fachwerkhäuschen mit Satteldach, das über drei Räume verfügte: einen Vorplatz, einen Baderaum und ein größeres Zimmer, das vermutlich als Wohnung genutzt wurde. 1820 lebten in Hammelburg 16 schulpflichtige jüdische Kinder. Sie erhielten von verschiedenen Privatlehrern Elementar- und Religionsunterricht. Wenig später wurden sie den städtischen Volksschulen zugeteilt. Den Religionsunterricht, der wohl im Rabbinerhaus an der Stadtmauer (Haus-Nr. 315) stattfand, übernahm vorerst der betagte Lehrer Jehuda Mußliener aus Westheim. 1830 folgte die Gründung einer Religionsschule, die nun auch von den Kindern aus Untererthal besucht wurde. Zur Besorgung religiöser Aufgaben in der Gemeinde wurde ein staatlich geprüfter Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter, teilweise auch als Schochet tätig war. Seit 1830 bis 1845 wirkte in Hammelburg Leon Blümlein aus Reckendorf. Sein Nachfolger, der aus Westheim stammende Jonas Goldschmidt, erteilte auch Nachhilfeunterricht in Deutsch und den Elementarfächern und übte das Amt des Vorsängers und Gemeindeschreibers aus. Im Jahr 1858 wanderte er mit seiner Frau nach Amerika aus. In die Dienstzeit des nächsten Religionslehrers Karl Blümlein fiel 1860 die Anmietung eines zweigeschossigen Wohnhauses (Nr. 305) für Schulraum und Lehrerwohnung sowie 1861 die Gründung eines gemeinsamen Schulsprengels mit der IKG Untererthal (1869 wieder aufgelöst). 1869 besuchten 24 schulpflichtige jüdische Kinder den Religionsunterricht. 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Mitgliederzahl der IKG Hammelburg wieder an und erreichte 1895 mit 165 Mitgliedern ihren Höchststand. Grund dafür war die Aufhebung des Matrikelparagraphen im Jahr 1861, und die zehn Jahre später in Kraft getretene Verfassung des Deutschen Kaiserreiches, die auch für Bayern gültig war und nun die vollständige rechtliche Gleichstellung mit sich brachte. Eine Reihe von jüdischen Kaufleuten aus der Region ließen sich in der Stadt nieder. Zahlreiche Handelsgeschäfte und Gewerbebetriebe waren damals in jüdischer Hand und trugen zum wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt bei. 1854 wurde Hammelburg jedoch von einem verheerenden Stadtbrand heimgesucht, der die meisten öffentlichen Gebäude, sowie über 300 Privathäuser und 370 Nebengebäude in Schutt und Asche legte. Dabei verloren auch viele jüdische Familien ihre Wohnungen. Die Synagoge blieb hingegen unversehrt.

Die Judenschaft von Hammelburg entschied sich 1874 angesichts ihrer steigenden Mitgliederzahl für den Kauf des "Kaiser´schen Hauses" in der damaligen "Judengasse" (Haus-Nr. 301, heute Dalbergstraße 57), in dem nun die Religionsschule und Lehrerwohnung dauerhaft eingerichtet wurden. Der Hinterhof des Gebäudes grenzte an das Synagogengrundstück. So besaß die jüdische Gemeinde nun eine schmale Parzelle zwischen Oberer Stadtmauer und Judengasse/Dalbergstraße. Von 1875 bis 1906 arbeitete Jakob Geßner aus Völkersleier als jüdischer Religionslehrer, Vorsänger und Schochet in der Stadt. Er war 1879 Mitbegründer des "Israelitischen Lehrervereins für das Königreich Bayern". Mehrere jüdische Wohltätigkeitsstiftungen trugen im 19. und 20. Jahrhundert zur Versorgung Notleidender bei, so die 1861 gegründete Stiftung des Bonem Katz und die Peretz Heizfelder´sche Stiftung für die Armen der Gemeinde und der 1870 gegründete Beerdigungs- und Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa, der auf den Gebieten der Krankenpflege, Unterstützung Hilfsbedürftiger und Bestattungen tätig war. Im Jahr 1900 wurde eine "Armenkasse der Israelitischen Kultusgemeinde" gegründet, die sich auch der Wanderfürsorge annahm. 

Ab der Wende zum 20. Jahrhundert setzte auch in Hammelburg eine kontinuierliche Schrumpfung des jüdischen Bevölkerungsanteils ein. 1910 gehörten der IKG nur noch 116 Mitglieder an. Ein Grund dafür lag im Geburtenrückgang jener Jahre, der in ganz Bayern zu verzeichnen war. 1925 lebten noch 95 Jüdinnen und Juden in Hammelburg. Viele von ihnen waren in den örtlichen Vereinen aktiv und nahmen dort auch zum Teil Leitungspositionen ein. Mitglieder im Stadtrat waren 1912 der Kaufmann Bernhard Stühler und 1919 der Weinhändler Markus Katz. Insgesamt gestaltete sich das Zusammenleben zwischen Juden und Christen in der Stadt vor der NS-Zeit ohne größere Probleme.

Die jüdische Religionsschule hatte um 1892/1893 noch 37 Schülerinnen und Schüler; 1903 waren es noch 22 Kinder. 1908 übernahm Moses Rosenberger aus Oberaltertheim den israelitischen Religionsunterricht in Hammelburg und blieb hier bis zu seiner Pensionierung 1932. Im Schuljahr 1929/1930 besuchten neun Volksschulkinder und vier Jugendliche weiterführender Schulen seinen Unterricht. Rosenberger gab auch jüdische Religion am Progymnasium, unterrichtete die Kinder der Nachbargemeinden Untererthal, Oberthulba und Westheim und war dort für das Schächten zuständig. Auf ihn folgte von 1932 bis 1935 der Lehrer Karl Adler und ab 1935 Lehrer Hermann Mahlermann. Das bisherige jüdische Ritualbad (heute: Bahnhofsstraße) wurde 1911 verkauft und dafür der Neubau einer Mikwe – wiederum ein eingeschossiges Häuschen mit Satteldach - im Synagogenhof (Haus-Nr. 300) erstellt. Eine Zisterne versorgte das Tauchbecken mit Wasser.

Im Ersten Weltkrieg kämpften 23 jüdische Bürger aus Hammelburg auf den Schlachtfeldern. Etliche von ihnen wurden für ihre Tapferkeit ausgezeichnet. Vier junge Männer bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben. Für sie ließ die jüdische Gemeinde 1920 eine Gedenktafel in der Synagoge anbringen. 

Bereits 1922 wurde in Hammelburg eine Ortsgruppe der NSDAP mit 60 Mitgliedern gegründet, im April 1923 beschmierten unbekannte Täter jüdische Häuser mit Hakenkreuzen. Sozialneid und wirtschaftliche Konkurrenz führten schon vor der Machtergreifung Adolf Hitlers zu antisemitischen Umtrieben. So ließ der SA-Sturmführer vor den jüdischen Geschäften Posten aufstellen, die die Kunden fotografierten und am Betreten der Läden hinderten. Der Propagandafeldzug der NSDAP agierte in Hammelburg bereits 1931 äußerst erfolgreich. Ab April 1933 erschienen hasserfüllte Boykottaufrufe in der "Hammelburger Zeitung". Damals lebten in der Stadt noch 77 jüdische Mitbürger, die nach der NS-Machtübernahme zunehmenden Repressalien, Ausgrenzung und Entrechtung ausgeliefert waren. Zum Beispiel wurde ihnen die Nutzung des Städtischen Freibades im Juli 1933 auf eine Stunde zwischen 8 und neun Uhr morgens begrenzt und im Mai 1936 ganz verboten. Der jüdische Warenhausbesitzer Karl Nussbaum kam 1934 wegen angeblicher Preisfälschungen in "Schutzhaft" und wurde anschließend über ein Jahr im Konzentrationslager Dachau festgehalten; sein Kaufhaus musste er wegen "Wuchers und Volksausbeutung" schließen. 1938 verkaufte er sein Warenhaus und zwei weitere Anwesen zu einem Spottpreis. Anschließend emigrierte er mit seiner Frau nach England. Der jüdische Metzger Simon Adler erhielt im Juni 1934 wegen angeblicher Verstöße gegen Hygienevorschriften Berufsverbot. 1935 wurde sein Wohnhaus (Viehmarkt 6) beschlagnahmt. Eine ganze Reihe weiterer jüdischer Bürger fielen in "Schutzhaft" und mussten ihre Immobilen zwangsweise weit unter Wert verkaufen. Einigen von ihnen gelang anschließend die Auswanderung nach Amerika, Südafrika, England oder Palästina.

1935 besuchten noch sieben jüdische Kinder die Volksschule in der Stadt. Sie wurden auf ihrem Schulweg häufig beschimpft und bedroht. Vereinzelt kamen aber auch christliche Bürger heimlich zu Hilfe, weil sie Mitleid mit deren Schicksal hatten. Der damalige Stadtpfarrer Johannes Martin bezog offen gegen die NS-Propaganda Stellung und konnte sich nur durch kluge Argumentation einer Verhaftung entziehen. Als letzter Religionslehrer, Kantor und Schächter wirkte in Hammelburg von 1934 bis 1938 Hermann Max Mahlermann. Er verwaltete auch den Bezirksfriedhof in Pfaffenhausen, half unentgeltlich in Finanz- und Auswanderungsfragen, gab Englischunterricht und unterstützte notleidende Familien. Anfang Oktober 1936 bestand die jüdische Stadtgemeinde noch aus 52 Personen. Über die Hälfte von ihnen emigrierte in den beiden folgenden Jahren ebenfalls ins Ausland. Die Hausbesitzer unter ihnen wurden ab Sommer 1938 zum zwangsweisen Verkauf ihrer Anwesen genötigt. Es gab damals nur noch drei jüdische Geschäfte in der Stadt: das Konfektions-, Kurz- und Weißwarengeschäft von Julius Mantel (Marktplatz 8), das Textilgeschäft von Julius Strauß (Kissinger Straße 17) und die Branntweinbrennerei, Essigfabrik und Spirituosenhandlung von Max Stühler (Dalbergstraße 49).

Nurmehr 18 Jüdinnen und Juden erlebten in hammelburg das Novemberpogrom 1938. Am Morgen des 10. November wurden SA-Trupps aus Hammelburg und Umgebung zusammengetrommelt, um "bei den Juden das Zeug zusammenzuhauen". Sie traten bei den jüdischen Wohnungen und Geschäften die Türen ein, zerschlugen die Fenster und drangen dann in die Räume ein, zertrümmerten die Möbel, rissen die Waren, den Hausrat, die Vorräte aus den Schränken und Regalen verstreuten alles auf den Straßen. Einzelne Juden wurden verprügelt; sechs Männer kamen in "Schutzhaft". Auch das Schulhaus wurde verwüstet. Am 11. November fielen die Hammelburger SA-Leute über die Synagoge her und demolierten ihr Inneres völlig. Sie beschlagnahmten Archivalien, hauten die Inneneinrichtung und die Ritualien in Stücke, die Reste verbrannten sie im Hof. Der jüdische Friedhof Pfaffenhausen wurde im November 1938 im Gefolge des Pogroms in Hammelburg ebenfalls schwer geschändet. Mehr als Tausend Grabsteine wurden umgeworfen. Ende 1938 lebten noch 12 Jüdinnen und Juden in Hammelburg. Ein Teil von ihnen musste nach Würzburg in das zum "Judenhaus" umfunktionierte ehemalige jüdische Altersheim umziehen, andere konnten noch rechtzeitig emigrieren. Im Februar 1939 unterschrieb Julius Strauß als Vertreter der IKG den Verkauf aller Immobilien der jüdischen Gemeinde an die Stadt. Das Israelitische Schulhaus wurde daraufhin renoviert und in der Folgezeit vermietet. Ab September 1943 wohnten am Rande des Friedhofs in Pfaffenhausen in Notbaracken Fliegergeschädigte. Das Taharahaus ließ der Bürgermeister als Kindergarten herrichten. Ein unbenutztes Areal auf dem Friedhof wurde als Viehweide genutzt. Viele einstige jüdische Bürger aus Hammelburg, die in andere deutsche Städte oder nach Belgien, Frankreich und Holland geflüchtet waren, hat man ab 1942 in die NS-Vernichtungslager deportiert und dort ermordet.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden zahlreiche Dokumente über die Ereignisse während des Dritten Reichs in Hammelburg vernichtet. Deshalb konnten die Straftäter nicht mehr zweifelsfrei ermittelt werden. Auf Befehl der alliierten Streitkräfte mussten die Einwohner den jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen wieder in Ordnung bringen. 1986 erhielt das Taharahaus eine Gedenktafel mit folgender Inschrift: "Dieser jüdische Friedhof wurde seit dem 16. Jahrhundert ununterbrochen benutzt. Im Juli 1938 wurde der jüdischen Kultusgemeinde weitere Begräbnisse verboten. Zur Erinnerung und Mahnung". An der Nordmauer des jüdischen Friedhofs befindet sich ebenfalls eine Inschrift mit folgendem Wortlaut: "Die Stadt Hammelburg gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger". Die Pflege des Friedhofs hat die Gemeinde Pfaffenhausen übernommen.

Reste der Bausubstanz von der einstigen Mikwe befindet sich noch im ehemaligen Synagogenhof hinter den Garagen südwestlich des einstigen Sakralbaus. Anstatt Stolpersteine zu verlegen, entschied sich der Stadtrat 2010 für die Anbringung von Informationstafeln an einigen Plätzen und Häusern in der Stadt. Mit ihnen wird über die Geschichte der jüdischen Gemeinde und über einzelne jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger informiert.

 

(Christine Riedl-Valder)

 

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Cornelia Berger-Dittscheid: Hammelburg. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 166-212.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 218.