In Gleusdorf bestand eine jüdische Gemeinde bis 1909. Ihre Entstehung geht in die Zeit um 1660 zurück, als sechs jüdische Familien im Ort ansässig waren. Vermutungen über eine ältere Ansiedlung haben sich bislang noch nicht bestätigt. Im 18. Jahrhundert machten Juden rund ein Fünftel der Einwohnerschaft aus. Sie wohnten in einer "Judengasse" am südöstlichen Ortsrand. Es gab eine Religionsschule und mehrere Mikwen. Die Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof in Ebern beigesetzt. Bis 1857 versammelte sich die orthodox geprägte Gemeinde wohl in einem Betraum, dann wurde ein frei stehendes Gotteshaus errichtet (Haus Nr. 9, heute Dorfstraße 3). Zeitweise wirkte ein Melamed in der Gemeinde, der zugleich das Amt des Chasan und Schochet ausfüllte.
1817/20 lebten neun jüdische Familien im Ort. Die Matrikelliste ist nicht erhalten, jedoch finden sich auf einer Eidesleistung die Unterschriften der jüdischen Familienvorstände mit den neu angenommenen Familiennamen:
Salomon Hermann, Isaac Kunzenhauser (später: Gunzenhäuser), Männlein Herrmann, Jonas Herrmann, Hajum Herrmann, Schir Fleischmann, Witwe Schindel Rau, Moses Weil und Witwe Klärla Bank.
Die Gemeinde stellte in den 1830ern mit 44 bzw. 45 Personen rund 16 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie lebte in überwiegend ärmlichen Verhältnissen. Neben dem Viehhandel werden "Landkramhandel", Lumpensammeln, Weberei und Seifensiederei als Erwerbstätigkeiten genannt.
Mitte des 19. Jahrhunderts lebten die Familien Baum, Fleischmann, Gunzenhäuser, Herrmann, Kaufmann, Morgenthau und Rau im Ort, betreut vom Lehrer Jacob Rosenbaum (verst. 1897 in Wiesenbronn). In dieser Zeit begann die Zahl der jüdischen Bevölkerung durch die allgemeine Ab- und Auswanderungstendenz zu sinken. Die Gemeinde konnte sich nach dem Weggang Rosenbaums keinen eigenen Chasan mehr leisten und wurde von Untermerzbach aus betreut.
Ab 1874 übernahm der Lehrer aus Memmelsdorf den Unterricht für die wenigen jüdischen Kinder in Untermerzbach und in Gleusdorf. 1909 wurde die jüdische Gemeinde Gleusdorf endgültig aufgelöst und das Vermögen der Gemeinde der Israelitischen Kultusgemeinde Memmelsdorf übertragen. Im selben Jahr fand mit Moritz Gunzenhauser der letzte jüdische Einwohner Gleusdorfs in Ebern die letzte Ruhe.
Von den in Gleusdorf geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen ist Josef Baum (geb. 1880 in Gleusdorf, später in Bamberg wohnhaft, umgekommen nach Deportation 1941 nach Riga) in der Shoah umgekommen.
(Patrick Charell)
Bevölkerung 1875
Literatur
- Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Memmelsdorf mit Gleusdorf. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 539-564.
- K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36), S. 189.