Jüdisches Leben
in Bayern

Ermreuth Gemeinde

Ein erster Hinweis auf die Anwesenheit von Juden in Ermreuth findet sich in der Chronik des Uso von Künßberg aus dem Jahr 1554. Eventuell kamen jedoch schon 1498/99 nach der Vertreibung der Juden aus der Reichsstadt Nürnberg einige Flüchtlinge in den Ort. Die Emreuther Gemeindeordnung von 1696/98 stellt die erste sichere Quelle für ihre Existenz dar. Rund acht jüdische Familien lebten damals hier. Bis 1770 stieg deren Zahl auf 25 Haushalte. Ein jüdischer Friedhof wurde 1711 rund zwei Kilometer nördlich des Dorfes am sog. Heimbühl angelegt. Er wurde in der Folgezeit zweimal (1797 und 1864) erweitert. Bis heute haben sich darin 223 Grabmäler erhalten. Das älteste ist 1718/19 datiert.

Die Matrikellisten der 1820er Jahre weisen für Ermreuth 37 Stellen aus. Nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Bayern (1802) besuchten die jüdischen Kinder von Ermreuth ab 1804 die christliche Schule. Dafür leistete die jüdische Gemeinde einen finanziellen Beitrag. Nachdem jedoch die Einstellung eines jüdischen Religionslehrers verpflichtend wurde und die Kultusgemeinde 1811/12 bereits 180 Mitglieder zählte, wollte man, um Kosten zu sparen, einen Religions- und Elementarlehrer in Personalunion anstellen und strebte die Gründung einer eigenen Elementarschule an. Der Antrag scheiterte jedoch am Veto des Ortspfarrers, der dadurch Einnahmen eingebüßt hätte. Deshalb wurde 1829 in einem Raum des jüdischen Gemeindehauses (Haus Nr. 85), in dem außerdem eine Mikwe und Schlafstätten für bedürftige Juden untergebracht waren, nur eine jüdische Religionsschule eröffnet. Erst vier Jahre später bekamen die Juden die Erlaubnis, sie in eine Elementarschule umzuwandeln. Da sich die Gemeinde in der Folgezeit stark vergrößerte - 1835 gehörten ihr 40 Familien an - zog die Schule 1840 in das Anwesen des Juden Wolf Wassermann (heute Haus Nr. 7) um. 1864 erwarb man ein Haus mit Hofraum (heute Hauptstraße 30), in dem die jüdischen Kinder bis 1916 zur Schule gehen konnten. Die IKG Ermreuth gehörte bis 1894 zum Bezirksrabbinat in Hagenbach. Bei der Besetzung des dortigen Rabbinates traten die Ermreuther teilweise sehr selbstbewusst auf, mehrfach kam es daher zu Spannungen. Zeitweise (um 1840/60) bemühten sich die Ermreuther um Verlegung des Rabbinatssitzes von Hagenbach in ihre Gemeinde. Nach der Auflösung des Bezirksrabbinates Hagenbach wurde Ermreuth dem Rabbinatsbezirk Bamberg zugeteilt.  

Nachdem sich die Gemeinde ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Auswanderung und Wegzug in die Städte sehr verkleinert hatte (1910 lebten nur mehr 44 Juden in Ermreuth), besuchten die Kinder dann wieder die christliche Schule. Laut eines Berichts aus dem Jahr 1909 gab es in Ermreuth keine gutsituierten Juden; sie verdienten sich ihren kargen Lebensunterhalt als Bauern, Metzger oder durch Handel. Über ihre religiöse Ausrichtung vermerkte der Bamberger Rabbiner Dr. Adolf Eckstein 1915 in einem Schreiben, sie seien „die einzige Israelitengemeinde meines ganzen Bezirkes, die noch als orthodox, wenn auch nicht im parteipolitischen Sinne dieses Wortes, bezeichnet werden kann“. Aus diesem Grund protestierten im selben Jahr die Kultusgemeinde Dormitz vehement gegen die Absicht der Regierung von Oberfranken, sie mit Ermreuth zusammenzulegen. Sie schlossen sich 1919 lieber Erlangen an.

Laut Zeitzeugenberichten verschlechterten sich die zuvor weitgehend harmonischen Beziehungen zwischen Christen und Juden in Ermreuth seit Beginn der NS-Diktatur zusehends. Jugendliche warfen die Fenster von jüdischen Wohnungen und Häusern ein. Nachdem Schloss Ermreuth zum Sitz einer Kreisführerschule der NSDAP umfunktioniert worden war, bekam das Dorf oft Besuch von hochrangigen Parteigenossen. 1936 wurde der jüdische Friedhof geschändet. Unter dem NSDAP-Bürgermeister Johann Oßmann hat man einen Teil der Mauer abgetragen, Grabsteine umgeworfen und einige von ihnen abtransportiert. In der Reichspogromnacht (9. auf 10.11.1938) zerstörten NSDAP-Parteimitglieder das Innere der Synagoge und verwüsteten Häuser und Wohnungen jüdischer Mitbürger. Max Wassermann wurde schwer misshandelt und starb als Folge dieser Tortur. 15 Mitglieder der Familien Hönlein, Wassermann und Schönberger hat man nach Auschwitz, Izbica und Riga deportiert. Nur wenigen Juden aus Ermreuth gelang die Emigration nach Amerika. 

Die zwischenzeitlich als Lagerhalle genutzte Synagoge wurde 1974 von der politischen gemeinde Ermreuth übernommen, 1994 renoviert und in ein kulturelles "Haus der Begegnung" umgewidmet.

In der Silvesternacht 2022 schlug ein junger Mann aus der rechtsextremen Szene ein Fenster der ehemalige Synagoge ein und versuchte einen Feuerwerkskörper in das Gebäude zu werfen. Seine Festnahme und die anschließende Untersuchung des Vorfalls weckte Erinnerungen an die 1980 verbotene paramilitärische "Wehrsportgruppe Hofmann", die in Ermreuth ein Zentrum hatte.


(Christine Riedl-Valder)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Olaf Przybilla: Anschlag auf Synagoge. In: SZ Nr. 8, 11. Januar 2023, R9.
  • Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Bamberg - Die 'Judenmatrikel' 1824-1861 für Oberfranken. Nürnberg 2017. Gff digital: Reihe A: Digitalisierte Quellen, 2 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien 4).
  • Angela Hager / Hans-Christof Haas: Ermreuth. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg i. Allgäu 2007, S. 136-143.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 2. Fürth 1998, S. 177.
  • Klaus Guth: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800–1942), ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988 (= Landjudentum in Oberfranken. Geschichte und Volkskultur 1), S. 152-160.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 149.