Jüdisches Leben
in Bayern

Ermershausen Gemeinde

Juden sind wohl seit dem Dreißigjährigen Krieg in Ermershausen ansässig und vor 1648 erstmals nachweisbar. Vermutlich siedelten die auf Schloss Birkenfeld ansässigen Ritter von Hutten im Dorf Schutzjuden an, um die Wirtschaft in dem entvölkerten Ort zu fördern. Urkundlich sind 1680 Renovierungsarbeiten an einem nicht näher bestimmbaren jüdischen Haus belegt. Der "Judenberg" südöstlich von Ermershausen war ein alter Flurname, der vielleicht auf jüdischen Grundbesitz oder eine abgegangene Begräbnisstätte hinwies.

1762 gehörten zur jüdischen Gemeinde in Ermershausen zehn Haushalte mit 42 Personen, die vor allem Viehhandel betrieben. Das Wachstum der jüdischen Gemeinde stieß auf die Ablehnung der christlichen Ermershäuser, die sich im selben Jahr mit einer Beschwerde an den Dorfherrn Johann Philipp Friedrich Freiherrn von Hutten wandten und unter anderem über die angebliche Überweidung der Gemeindewiesen durch das zum Verkauf bestimmte Vieh der jüdischen Ermershäuser klagten. Mit Sußmann Joseph lässt sich in der zweiten Hälfte der 1780er-Jahre erstmals ein Vorsteher der jüdischen Gemeinde Ermershausen nachweisen, die sich am 12. März 1785 eine Gemeindeordnung gab. Die Statuten orientierten sich an der Ordnung von Schweinshaupten und wurden am 3. März 1786 von der herzoglich-sächsische Gemeindeadministration beglaubigt. In den 1780er Jahren ist mit David erstmals auch ein jüdischer Lehrer nachgewiesen, der zugleich auch das Amt des Kantors ausübte. Laut den Gemeindestatuten wurden Mädchen bis zum Alter von zehn Jahren und Jungen bis zu ihrer religiösen Mündigkeit im Alter von 13 Jahren in der Schule der Gemeinde unterrichtet.  

1809 berichtete Julie Freifrau von Woellwarth, die damalige Patrimonialherrin von Ermershausen, der Administration des Großherzogtums Würzburg, dass der Religionslehrer der jüdischen Gemeinde auch das Amt des Kantors und Schächters bekleidete und ein Jahresgehalt von 75 Gulden erhielt, das er durch den Schächtdienst noch um 30 Gulden aufbessern konnte. Da die jüdische Gemeinde nicht über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügte, war laut Woellwarth auch eine Besoldungserhöhung für den Religionslehrer und damit auch eine aus ihrer Sicht dringend notwendige Verbesserung des Unterrichts nicht möglich.

Nach dem Übergang des Großherzogtums Würzburg und damit auch Ermershausens an das Königreich Bayern im Jahr 1813 mussten sich auch die Ermershäuser Juden in die Judenmatrikel einschreiben. 1817 führte die Judenmatrikel für Ermershausen 21 jüdische Familien mit insgesamt 102 Personen auf. Zwei jüdische Familien wurden nicht in die Matrikel aufgenommen. Insgesamt lebten in diesem Jahr 23 jüdische Familien mit 117 Personen, die überwiegend Viehhandel betrieben, in dem Dorf. 1833 hatte sich die Berufsstruktur der jüdischen Gemeinde nur geringfügig geändert, da ein Jude als Kerzenzieher und Seifensieder tätig war und fünf jüdische Familien Landwirtschaft betrieben. Not- und Hausierhandel ohne die staatlicherseits gewünschte ordentliche Buchführung betrieben zehn Familien, die hauptsächlich vom Viehhandel lebten. An Einrichtungen bestanden in der Gemeinde eine Synagoge (Nr. 33, heute Hauptstraße 18), eine Schule, eine Mikwe und ein Friedhof (bis zur Anlage des eigenen Friedhofes wurden die Toten auf dem Verbundfriedhof in Ebern beigesetzt). Die IKG gehörte zum Rabbinatsbezirk Burgpreppach.

Bereits frühzeitig engagierten sich die Ermershäuser Juden in der Gemeindeverwaltung, denn bereits von 1817 bis 1827 war der Viehhändler Schier Friesner Mitglied des örtlichen Gemeindeausschusses, und im selben Zeitraum nahmen Götz Schloßmann und Salomon Traufeld an den Bürgerversammlungen ihrer Heimatgemeinde teil. Im Jahr 1832 legte die IKG einen eigenen Friedhof an, auf dem auch die jüdischen Toten von Altenstein und Maroldsweisach beerdigt wurden.

In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts beteiligten sich auch die Juden Maier (Meyer) Sachsendorfer, Moses Fichtelberger und Kusel Rau an der Ermershäuser Gemeindeverwaltung. Konfliktreich gestaltete sich das Verhältnis zwischen dem Ermershäuser Religionslehrer Jakob (Jacob) Salzer und der jüdischen Gemeinde. Salzer trat sein mäßig besoldetes Amt 1835 an und fugierte zur Aufbesserung seines Gehalts außerdem als Kantor und ab 1838 auch als Schächter. 1860 beschwerte sich der Lehrer bei der zuständigen Rügheimer Distriktsschulinspektion über eine seiner Meinung nach unzureichende Gehaltserhöhung. Obwohl die Kreisregierung bereits 1862 den Bau eines neuen Schulzimmers angeordnet hatte, wurde nach Auseinandersetzungen zwischen den Behörden, dem Lehrer und der Kultusgemeinde der zur Ausführung gelangte Plan erst 1866 genehmigt. 1884 ließ die Kultusgemeinde die Lehrerwohnung durch einen Anbau erweitern, der 1897 aufgestockt wurde. 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor die jüdische Gemeinde zahlreiche Gemeindemitglieder durch Aus- und Abwanderung: Während von 1850 bis 1877 20 jüdische Ermershäuser auswanderten, zogen zwischen 1865 und 1881 41 Mitglieder der jüdischen Gemeinde in andere Orten. Seit 1883 wirkte David Kissinger, der Großvater des späteren amerikanischen Außenministers Henry Kissinger, als Religionslehrer, Kantor und Schächter in Ermershausen und übernahm auch den Religionsunterricht in finanzschwachen Nachbargemeinden.


(Patrick Charell)

Wie schon Ende des 19. Jahrhunderts waren auch in der Weimarer Republik zwei jüdische Ermershäuser im Gemeinderat vertreten. Eine wichtige Rolle spielten die meistens für die SPD stimmenden Juden auch in der lokalen Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, in der sie neun von 22 Mitgliedern stellten. Nach den letzten freien Wahlen am 5. März 1933 verließen die beiden jüdischen Mitglieder zwangsweise den Gemeinderat. Einen Monat später, am 1. April 1933, wurde das frühere Gemeinderatsmitglied Louis Zeilberger, ein Metzger und Viehhändler, wegen angeblicher Opposition gegen die NS-Regierung in Schutzhaft genommen. Die zunehmende Diskriminierung war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die jüdische Gemeinde in Ermershausen zwischen 1925 und 1935 von 67 Personen auf 54 Personen schrumpfte.

Während des Pogroms am 10. November 1938, an dem sich Coburger SA-Leute, Ermershäuser und Bewohner umliegender Ortschaften beteiligten, wurden die Wohnungen der Ermershäuser Juden verwüstet. Sieben Männer wurden mit den jüdischen Männern der Bezirke Ebern, Haßfurt und Hofheim im Eberner Gefängnis eingesperrt, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten. Einige christliche Ermershäuser setzten sich allerdings auch für ihre jüdischen Mitbürger ein und versteckten diese oder brachten sie anderweitig in Sicherheit. Ab dem 17. November 1938 war es den jüdischen Kindern untersagt, öffentliche Schulen zu besuchen. Nachdem die Ermershäuser Juden gezwungen worden waren, ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz zu verkaufen und ihre Wohnhäuser zu verlassen, mussten die im Ort verbliebenen Juden zwischen August 1939 und Juni 1942 in zwei Häuser ziehen. Die Senioren wurden zur Übersiedelung in das jüdische Altersheim in Würzburg gezwungen und starben dort bis auf Ida Rau, die mit 15 anderen Juden aus Ermershausen am 25. April 1942 nach Krasnyslaw deportiert wurde. Vermutlich kamen sie dort alle ums Leben.


(Stefan W. Römmelt)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Ermershausen. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 471-484.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 222.